Die Subkultur der Neonazis (Teil 2):Rechtsrock und taube Ohren

Bayern ist Deutschlands Konzertparadies für Neonazis. NPD und Freie Nationalisten nutzen das, um Nachwuchs zu rekrutieren. Verfolgt werden sie kaum. Fehlt der politische Wille oder die Szene-Kenntnis?

Frank Huber und Thomas Kuban

Bayerische Staatsschützer scheinen auf dem rechten Ohr taub zu sein. Ein Höhepunkt des polizeilich organisierten Weghörens und Wegschauens war vor nicht ganz zwei Jahren erreicht: Die NPD gab sich als Veranstalter für ein Konzert des Neonazi-Netzwerks Blood & Honour her, wie der NPD-Funktionär Norman Bordin in einer Mail an einen Partei-Kameraden gestand - Blood & Honour ist in Deutschland verboten.

Die NPD hatte auf den Hof einer abseits gelegenen Gaststätte nahe Mitterskirchen in der Region Landshut geladen. Immer wieder zeigten Neonazis den Hitlergruß, eine Gruppe aus Mitgliedern der Bands Blutstahl und SKD spielte verbotene Lieder. Ein Text-Beispiel: "Wir wollen Euren Jesus nicht, das alte Judenschwein." Oder: "Volk ans Gewehr - gegen Reemtsma und Heer" - ein gesungener Aufruf zum Mord an den Machern der Wehrmachtsausstellung. Ein weiteres Beispiel: "Wir stehen zum Volk und zur Nation und eines Tages stürzen wir Zions Thron." Hinzu kamen Publikumsgesänge wie der folgende: "Blut muss fließen knüppelhageldick und wir scheißen auf die Freiheit dieser Judenrepublik."

Polizeibeamte in Zivil verfolgten diesen Auftritt im Konzertzelt, wie NPD-Funktionär Bordin sogar von der Bühne herunter verkündete. Sie hörten auch weg, als das verbotene Blut-und-Ehre-Netzwerk in dem Lied "For the Blood and Honour" besungen wurde. Nicht einmal, als das Licht ausgemacht wurde, um zu verbergen, wer auf der Bühne den "Polacken-Tango" anstimmt, griffen die Staatsschützer ein. Obwohl nahe dem Anwesen Unterstützungskommandos der Polizei bereitstanden.

Das NPD-Konzert bei Mitterskirchen offenbart, warum Bayern ein Konzertparadies für Neonazis ist. Sobald die Veranstaltung begonnen hat, können die nationalistischen Rassisten im Freistaat praktisch machen, was sie wollen - und die Polizei läßt gewähren. In den benachbarten Bundesländern Thüringen und Baden-Württemberg ist das anders: Dort griffen Bereitschaftspolizisten oder Sondereinsatzkommandos immer wieder ein und beendeten Veranstaltungen.

So war es folgerichtig, dass die Band Act of Violance aus Baden-Württemberg das NPD-Konzert am 22. Oktober 2005 auf bayerischem Boden nutzte, um ihre neue CD vorzustellen. In ihrem Heimatland wäre es mit hoher Wahrscheinlichkeit gestürmt worden. Ein Vierteljahr später - im Januar 2006 - hat beispielsweise ein Sondereinsatzkommando ein Konzert mit 450 Neonazis in Karlsruhe auseinandergenommen. Am selben Tag hat die Polizei bei Geislingen ein weiteres Konzert beendet. Es war ein Gig mit rund 120 Gästen: eine Größenordnung, in der Neonazis ein Konzert gewöhnlich als Geburtstagsfeier tarnen. Das erschwert das Eingreifen der Polizei, weil Propagandadelikte wie der Hitlergruß in privatem Umfeld nicht strafbar sind. Die Passauer Polizeidirektion hätte es im Oktober 2005 viel einfacher gehabt, weil das NPD-Konzert mit 300 bis 400 Rechtsrock-Fans öffentlich angemeldet war.

Rechtsrock und taube Ohren

Ungewöhnliche Geburtstagsfeiern

Konzerte bis zu einer Größenordnung von 100 Personen können von cleveren Neonazis so organisiert werden, dass es keinerlei Anhaltspunkte für den öffentlichen Charakter der Veranstaltung gibt: angefangen von persönlichen Einladungen per Postversand bis hin zu einem privaten Konzertsaal, zum Beispiel einem halbwegs schalldichten Stall eines Aussiedlerhofs.

Der Regelfall ist jedoch, dass die angeblichen Geburtstagsfeiern als Konzerte angekündigt werden und die "persönliche Einladung" via Mail-Verteiler verschickt wird - oder es wird per SMS mobilisiert, dann werden die "Einladungen" an einem konspirativen Treffpunkt verteilt. Was für Geburtstagsfeiern ebenfalls ungewöhnlich ist: Es wird Eintritt kassiert, meist 15 Euro. All das weiß, wer sich in der Neonazi-Szene bewegt. Nur scheinbar die bayerische Polizei nicht, was auf Mängel - oder Unwollen - im Bereich der verdeckten Ermittler schließen lässt.

Dass in Bayern so wenig gegen Skinhead-Konzerte unternommen wird, hat politische Ursachen. Eine Anfrage beim Münchner Landeskriminalamt, wie in Bayern mit Neonazi-Konzerten verfahren werde, endet mit dem Hinweis, dass die einzelnen Polizeidirektionen zuständig seien. Das heißt, es gibt in Bayern keine politische Vorgabe, wie die wachsende Neonazi-Musik-Szene zurückgedrängt werden soll.

Zum Vergleich: Im Nachbarland Thüringen existiert ein Erlass des Innenministers, nach dem alle Konzerte zu verhindern oder aufzulösen sind, bei denen Bands spielen, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft werden.

In Baden-Württemberg wird ebenfalls häufig gestürmt, seit Heribert Rech (CDU) Innenminister ist. Das schadet der Musik-Szene, die von Verfassungsschützern und Innenpolitikern als "Einstiegsdroge" in den gewaltbereiten Rechtsextremismus angesehen wird. Bereits nach einem Jahr konsequenter Polizeieinsätze konnte der Christdemokrat Rech in Baden-Württemberg Erfolge vorweisen: Die Zahl der Skinheads im Musterländle ist zurückgegangen. Baden-Württemberg hat unter Rech die Zahl seiner Konzerte nahezu halbiert. Und von den 13 übrigen Konzerten sind einige gestürmt worden - andere waren so klein und konspirativ, dass sie ungeeignet waren, um in großem Stil szenefremde Jugendliche anzulocken.

In Bayern haben die Konzerte in jüngster Zeit um rund 50 Prozent zugenommen: 26 waren es 2006 nach Zählung des Münchner Landesamtes für Verfassungsschutz. In Wirklichkeit waren es aber rund 50. Auf Nachfrage räumte der stellvertretende Präsident des Verfassungsschutzes, Franz Gruber, bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes des vergangenen Jahres ein, dass nur die Konzerte gezählt worden seien, "die eine gewisse Außenwirkung entwickelt haben, die also größer waren, wo die Teilnehmerschar vielleicht bei 100 beziehungsweise darüber lag".

Rechtsrock und taube Ohren

"In Majdanek, da machen wir aus Juden Speck"

Inzwischen boomt die bayerische Neonazi-Musik-Szene. Die NPD versucht mit ihrem "Bayerntag" von der konspirativen Organisation wegzukommen und zu öffentlichen Veranstaltungen mit Rahmenprogramm für Familien überzugehen. Rechtsradikale Bands aus Bayern sind international gefragt: Faustrecht aus dem Allgäu tritt beispielsweise in ganz Europa auf. Selbst Bands aus der zweiten Reihe, wie die Braunen Brüder aus Wunsiedel oder Die Feldherren aus München drängen auf internationale Bühnen.

Die Feldherren präsentierten sich schon 2005 bei einem Blood-&-Honour-Konzert in der Schweiz mit Hitlergruß. Im Dezember vergangenen Jahres rockten sie mit den Braunen Brüdern in Oberösterreich. Bei jenem Konzert war es der bayerischen Polizei gelungen, einen Saalvermieter zur Kündigung des Pachtvertrags zu bewegen. Das an sich bayerische Konzert wurde kurzerhand über die Grenze verlegt.

Dort stimmte das überwiegend bayerische Publikum Lieder wie das folgende an: "In Majdanek, in Majdanek, da machen wir aus Juden Speck. In Auschwitz weiß ein jedes Kind, dass Juden nur zum Heizen sind." Wegen des Konzerts wurde in Oberösterreich eine Landessicherheitskonferenz einberufen, um zu diskutieren, wie künftig mit bayerischen Neonazis verfahren werden soll.

Auch der Solo-Musiker, der beim ungarischen "Tag der Ehre", einem SS-Gedenken, beim abendlichen Blood-&-Honour-Konzert auftrat, war ein Bayer - Edei von der Band Kraftschlag. Ein Text-Beispiel: "Afrika für Affen, Europa für Weiße! Steckt die Affen in ein Klo und spült sie weg wie Scheiße." Oder: "Ran an den Feind, ran an den Feind: Bomben auf Israel!"

Die bayerischen NPD-Funktionäre Norman Bordin und Matthias Fischer begleiteten diesen Auftritt mit Hitlergrüßen. Beide sitzen im NPD-Landesvorstand. Fischer ist für die freien Kameradschaften, Bordin für die Jugend zuständig - und damit auch für die Musik-Szene.

Dass derartige Verfehlungen deutscher Neonazis im Ausland nicht in Bayern juristisch verfolgt werden, obwohl sie im Falle des Ungarn-Konzerts sogar von einem bayerischen SPD-Ortsverein angezeigt wurden, ist das eine. Dass NPD-Funktionäre wie Bordin und Fischer nach wie vor in Bayern Neonazi-Veranstaltungen organisieren können, das andere.

Das eingangs erwähnte NPD-Konzert im Oktober 2005 hat im Frühjahr 2007 übrigens zu Hausdurchsuchungen bei Mitgliedern der beteiligten Bands geführt. Die Polizei ist also nachträglich aktiv geworden. Allerdings die Thüringer Polizei! Den dortigen Staatsschützern ist eine Live-CD des bayerischen Neonazi-Gigs in die Hände gefallen, woraufhin sie Ermittlungen gegen die Band-Mitglieder von Blutstahl und SKD aufgenommen haben.

Alles ein wenig spät, weil die Bayern nicht hinsehen wollten.

Die Videos wurden mit versteckter Kamera aufgezeichnet.

Lesen Sie morgen in Teil drei der Serie: Töten für Wotan: wenn es in der Neonazi-Szene "haarig" wird ...

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