Die Strategie der NPD:Scharfmacher als nette Onkels

An diesem Wochenende hält die NPD ihren Parteitag in Bamberg ab. Die Rechtsextremen sind landesweit erfolgreich und lehnen die Arbeit im Parlament ab. Ihre Idee: Hartz-IV-Sprechstunden.

Matthias Kolb

An diesem Wochenende findet in Bamberg der 32. Bundesparteitag der NPD statt. sueddeutsche.de beschreibt die Strategie der rechtsextremistischen Partei, ihre Finanzierung sowie die Hintergründe des Erfolges. So hat die NPD in den letzten Jahren ihre Mitgliederzahl auf 7200 verdoppelt und somit die DVU überholt.

Die Strategie der NPD: Seit 1996 Vorsitzender der NPD: Udo Voigt.

Seit 1996 Vorsitzender der NPD: Udo Voigt.

(Foto: Foto: Reuters)

Die neue Strategie der drei Säulen

Mitte der neunziger Jahre gilt die NPD als "Altherrenpartei", die in der rechten Szene keine wichtige Rolle spielt und den Neonazis nicht radikal genug ist. 1996 wird der ehemalige Bundeswehroffizier Udo Voigt zum neuen Chef der NPD gewählt. Auch wenn Voigt selbst von den eigenen Leuten "mangelndes Charisma" vorgehalten wird, weiß der 55-Jährige nach Einschätzung des Journalisten Andreas Speit, der die Szene seit Jahren beobachtet, den Parteiapparat gut zu dirigieren.

Teil des Erfolgs ist die neue Strategie, die seit dem NPD-Bundesparteitag 1998 gilt: "Kampf um die Straßen, Kampf um die Köpfe, Kampf um die Parlamente". Dies bedeutet, dass sich die Partei für die radikaleren freien Kameradschaften öffnet beziehungsweise mit diesen zusammenarbeitet. Die Kameradschaften wurden Mitte der neunziger Jahre im Zuge der Verbotswelle rechtsextremer Vereinigungen gegründet und bilden laut Andreas Speit "eine Organisation ohne Organisation". Es gibt keine Vorsitzenden und keine Statuten, weshalb ein juristisches Vorgehen gegen diese Gruppen schwierig ist.

Jugendliche und junge Erwachsene sollen mit sogenanntem Rechtsrock aktiviert und motiviert werden. Im soeben veröffentlichten Verfassungsschutzbericht 2007 heißt es: "Rechtsextremistische Musik vermittelt in ihren Texten offen oder unterschwellig rechtsextremistische Feindbilder und nationalistische, fremdenfeindliche, antisemitische und antidemokratische Ideologiefragmente".

Wahlerfolge in den neuen Bundesländern

Einen wichtigen Erfolg erzielt die NPD am 19. September 2004 in Sachsen: Bei der Landtagswahl erhält die Partei 9,2 Prozent der Wählerstimmen. Laut Andreas Speit führt dies dazu, dass die Kritik an Udo Voigt schlagartig verstummt. Zwei Jahre später zieht die NPD in Mecklenburg-Vorpommern in einen weiteren Landtag ein: 7,3 Prozent stimmen für die rechtsextreme Partei, sechs Abgeordnete sitzen seitdem im Landtag in Schwerin.

Experten und Verfassungschützer beobachten mit Sorge, dass es der NPD immer besser gelingt, sich durch regelmäßige Aktionen auf kommunaler Ebene in Städten und Gemeinden zu verankern. Eine genaue Zahl der rechtsextremen Abgeordneten ist schwer zu ermitteln. Die Wochenzeitung DIE ZEIT, die das Projekt Netz gegen Nazis gestartet hat, berichtet von mehr als 200 Mandatsträgern im ganzen Land.

Drei Viertel von ihnen gewannen ihre Sitze im Westen, neben NPD, DVU und den Republikanern sind auch Kleinparteien vertreten - wie der Abgeordnete Karl Richter im Münchner Stadtrat.

Die Strategie lautet "Raus aus den Hinterzimmern", wie der NPD-Abgeordnete Stefan Kösters 2006 forderte. Er appelliert an die Männer und Frauen mit rechter Gesinnung, in Sportvereinen, Bürgerinitiativen und in überparteilichen Organisationen wie der Freiwilligen Feuerwehr aktiv zu werden. Gerade in Mecklenburg-Vorpommern gelingt es den Kadern der NPD und der freien Kameradschaften, sich als "nette Nachbarn, freundliche Vereinsmitglieder, hilfsbereite Elternvertreter und zupackende Sportsfreunde" zu präsentieren, wie Andreas Speit beobachtet hat. In einigen Teilen Mecklenburg-Vorpommerns ist dies sehr erfolgreich: Im Landkreis Uecker-Randow stimmte 2006 jeder siebte für die NPD.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wieso die NPD auf soziale Themen setzt und wie die Rechtsextremisten in den ostdeutschen Parlamenten auftritt.

Scharfmacher als nette Onkels

Soziale Themen als Schwerpunkt

Die Strategie der NPD: Ein Wahlplakat der NPD in Sachsen. Dort sitzen acht NPD-Abgeordnete im Dresnder Landtag.

Ein Wahlplakat der NPD in Sachsen. Dort sitzen acht NPD-Abgeordnete im Dresnder Landtag.

(Foto: Foto: ddp)

Um sich bei den Bürgern zu empfehlen, setzt die Partei auf soziale Themen, um sich als Vertreter der sozial Schwachen zu gerieren, berichtet der SPD-Abgeordnete Mathias Brodkorb aus Mecklenburg-Vorpommern, der die Arbeit der NPD auf der Website Endstation Rechts kritisch begleitet. In den Bürgerbüros der NPD-Abgeordneten finden regelmäßige "Hartz-IV-Sprechstunden" statt, in den Schaufenstern hängen Plakate mit Sprüchen wie "Wir kümmern uns!", "Wir helfen Ihnen" oder auch "Sprechen Sie mit uns!".

Zu den anderen NPD-Themen neben der Kritik an der Sozialpolitik gehören Proteste gegen den Irakkrieg und Aktionen gegen genmanipuliertes Saatgut. In Mecklenburg-Vorpommern thematisierte die NPD die hohen Kosten des G8-Gipfels in Heiligendamm und versuchte auch, sich durch den Fall der verhungerten Lea-Sophie in Schwerin zu profilieren.

Der NPD-Abgeordnete Steffen Köster fragte im Plenum: "Warum gehen sie so achtlos mit den kleinen Knirpsen um?" und verwies dreist auf einen NPD-Antrag auf "Früherkennungsuntersuchungen" bei Kindern, denn die Abgeordneten von CDU, SPD und der Linken abgelehnt hatten. Dabei hatte die NPD einen Antrag der saarländischen CDU einfach wortwörtlich kopiert, wie der SPD-Mann Jungbrod herausfand - "copy und paste sei Dank".

Auftreten in den Landtagen

Die Fraktionen der DVU fielen nach ihren Erfolgen bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt (1998) und Brandenburg (1999) durch interne Streitigkeiten auf. Dies trifft bei den NPD-Fraktionen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern nicht zu, wie Andreas Speit beobachtet hat. Vor allem im Nordosten der Republik falle die Fraktion weniger durch "interne Querelen als durch gezielte politische Affronts" auf. Dies betrifft nicht nur die Wortwahl: NPD-Fraktionschef Uwe Pastörs spricht von "Demokratiefratzen", die mit "Besen aus Stahlborsten" aus ihren Ämtern gejagt werden müssten.

Am 30. Januar 2008 weigerten sich die sechs NPD-Abgeordneten am 30. Januar 2008, sich bei einer Gedenkminute für die Opfer des Nationalsozialismus zu erheben. Der rechtsextreme Parlamentarier Michael Andrejewski hielt den anderen Parteien "taktische Spielchen und Selbstinszenierung" vor. Einen ähnlichen Eklat hatte die sächsische NPD-Fraktion um Holger Apfel 2005 ausgelöst, als dieser eine Gedenkminute für die Opfer des "alliierten Bombenterrors" forderte. Die anderen Fraktionen von CDU, FDP, Linken und SPD versuchen, der NPD möglichst wenig Raum für ähnliche Provokationen zu geben.

Interesse an der Arbeit in den Ausschüssen hat die NPD nicht, nach eigenen Aussagen wollen sie sich nicht ins "Hamsterrrad" der parlamentarischen Arbeit bewegen wollen. Mathias Brodkorb hat beobachtet, dass sich die Rechtsextremen "voll auf die Landtagssitzungern konzentrieren, denn da sind die Kameras". Der SPD-Abgeordnete erinnert sich an den Ausspruch eines NPD-Parlamentariers, der sagte: "Sie interessieren sich nicht für unsere Argumente, wir uns nicht für ihre".

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie sich die rechtsextremistische Partei mit Steuergeldern finanziert.

Scharfmacher als nette Onkels

Die Strategie der NPD: Ein NPD-Mann neben einem Wahlplakat vor dem Schweriner Schloss, in dem der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern seinen sitz hat.

Ein NPD-Mann neben einem Wahlplakat vor dem Schweriner Schloss, in dem der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern seinen sitz hat.

(Foto: Foto: Reuters)

Finanzierung

Durch ihre Wahlerfolge in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern bekommt die NPD nicht nur öffentliche Aufmerksamkeit, sondern auch finanzielle Mittel, die allen anderen Fraktionen zustehen. In Mecklenburg-Vorpommern erhalten die sechs Abgeordneten jährlich 1.275.210, 60 Euro, die sich aus verschiedenen Töpfen speisen, wie das Online-Portal Endstation Rechts unter Berufung auf den Landtag errechnet hat. Des weiteren gab es einmalig 15.300 Euro für die Eröffnung eines Wahlkreisbüros.

Relativ gesehen, erhalten NPD-Abgeordnete in Mecklenburg-Vorpommern den höchsten Beitrag, da ihre Fraktion die kleinste ist. Auf ein NPD-Mandat kommen 100.000 Euro, während CDU und SPD nur 58.182 Euro beziehungsweise 57.214 Euro pro Abgeordneten erhalten. Experten schätzen, dass alle NPD-Mandatsträger angehalten werden, Teile ihrer Diäten an die Partei zu spenden.

Die Journalistin Andrea Röpke, die seit Jahren über Rechtsextremismus recherchiert, nennt weitere Einnahmequellen. 2006 erhielt die NPD etwa 1,4 Millionen Euro aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Jede Partei erhält grundsätzlich für jede Stimme aus Europa-, Landtags- und Bundestagswahlen 85 Cent; außerdem gibt es bei jeder Spende pro Euro noch mal 38 Cent - unter der Voraussetzung, dass die Partei mehr als ein Prozent der Stimmen erhält.

Empfindliche Strafen

Zuletzt geriet die Partei in finanzielle Schwierigkeiten, da sie wegen unwahrer Angaben in den Rechenschaftsberichten der Bundespartei für die Jahre 1997 bis 1999 insgesamt 870.000 Euro zurückzahlen muss. Zudem gibt es mehrere radikale, revanchistische Stiftungen, die bis heute nicht verboten sind, weshalb die Spenden steuerlich absetzbar sind.

Außerdem versuchen NPD-Funktionäre Immobilien zu erwerben, um dort Treffen abzuhalten. Der Bundesverfassungsschutz ging 2007 von 20 Großimmobilien aus, die sich in rechtem Besitz befinden, laut Röpke gehen andere Experten von 50 Objekten aus. Für die mehrfach ausgezeichnete Journalistin steht fest: "Eigene Immobilien sind für die Neonazis das Fundament, um autonome ökonomische Strukturen für ihre nur aus Deutschen bestehende Volksgemeinschaft zu schaffen." Immer wieder fiel Jürgen Rieger, der Chef der Hamburger NPD, als Kaufinteressent auf. Der glühende Hitler-Verehrer trat 2006 der Partei bei und kaufte mehrere Immobilien in Schleswig-Holstein.

Ein weiterer Beleg, wie erfolgreich sich die NPD in Teilen der Gesellschaft eingenistet hat, sind die "stetig wachsenden Wirtschaftsnetzwerke kleinerer Unternehmer, die sich politisch der NPD verbunden fühlen", wie Andrea Röpke feststellt. In Parteiorganen wie der Deutschen Stimme suchen diese Firmen gezielt nach Arbeitskräften. Müssen die erworbenen Immobilien renoviert werden, so werden Aufträge an sympathisierende Firmen vergeben.

Diese Netzwerke funktionieren auch in den Parlamenten: Andreas Speit hat in Sachsen beobachtet, dass die NPD-Abgeordneten, denen monatlich 109.040 Euro zur Verfügung stehen, gezielt Parteifunktionäre in den Wahlkreisbüros einstellten; zudem konnten "Theoretiker den 'Neuen Rechten' für die intellektuelle Aufrüstung gewonnen werden."

Literatur: Die beste Übersicht bietet der von Andrea Röpke und Andreas Speit herausgegebene 208 Seiten starke Sammelband "Neonazis in Nadelstreifen. Die NPD auf dem Weg in die Mitte der Gesellschaft", der im Christoph Links Verlag zum Preis von 16,90 Euro erschienen ist.

Das umfangreiche Handbuch "88 Fragen und Antworten zur NPD", herausgegeben von Fabian Virchow und Christian Dornbusch, thematisiert Themenkomplexe wie "Weltanschauung", "Strategie", "Infrastruktur und Ressourcen der NPD" oder die "Verbotsdebatte". Das Buch ist im Wochenschau Verlag für 24,80 Euro erschienen.

Die Situation in Mecklenburg-Vorpommern beschreibt das im April erschienene Buch von Mathias Brodkorb und Volker Schlotmann "Provokation als Prinzip. Die NPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern", der im Adebor Verlag erschienen. Es ist 260 Seiten dick und kostet 13,90 Euro.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: