Die Söldner-Branche:"Der Irakkrieg ist eine Goldmine"

Lesezeit: 7 min

Rund 900 Dollar bekommt ein privater Söldner für einen Tag im Krisengebiet - und das ist nur ein Grund, warum die Branche derzeit boomt. Ein Tag auf dem Gelände der US-Sicherheitsfirma Blackwater.

Von Marc Hujer

Still ist es hier unten in Moyock, gespenstisch still für einen Werktag mitten im Krieg. Ray Williams, der Mann mit der Hausnummer 832, der letzten vor dem Maschendrahtzaun, hat gerade fertig gemäht, er hat ordentlich seine Bahnen gezogen, von der Veranda zum Zierteich, dann zum Gewächshaus und wieder zurück.

Personenschutz für den US-Zivilverwalter im Irak, Paul Bremer. Zu den Body Guards gehören auch Blackwater-Mitarbeiter. (Foto: Foto: AP)

Man kann noch gut die Spuren seiner Nachmittagsmühen sehen, die Sorgfalt, mit der er an den Blumenrabatten entlang fuhr, an der Straßenfront und an der Grenze, die sein Grundstück von jener Welt trennt, in der jeden Tag die Tapferen und Lebensmüden verschwinden, Menschen, die für Geld nach Bagdad, Falludscha oder Nadschaf gehen wollen.

Von hier aus kann man nur erahnen, was hinter der Grenze liegt, hinter den weitläufigen Äckern, Wiesen und Wäldern und jenem Schild mit der schwarzen, knuddeligen Bärentatze darauf - dem Schild von Blackwater USA.

Ray Williams ist der Nachbar von Blackwater, dem das letzte Grundstück diesseits der Grenze gehört und der noch immer nichts Genaues weiß von den Geschäften jenseits der Grenze.

Er hat keine Ahnung gehabt, wer hier jeden Tag die Puddin Ridge Road entlangkommt, wer die Kunden sind, die Partner, die Eigentümer und Investoren.

Vor acht Jahren, als er hier zu bauen begann, hat er nicht ahnen können, dass auch die Firma Blackwater hier bauen würde. Auch an jenem schicksalhaften Tag des 31. März 2004, als man auf dem Highway 10 in Falludscha vier Körper fand, verbrannt und verstümmelt, wusste er nicht wirklich, was die Firma auf dem Grundstück nebenan damit zu tun hatte.

Dann aber hat er draußen die Reporter gesehen und drinnen seinen Fernseher angestellt. Und da fiel er aus allen Wolken.

"Mariniert in Testosteron"

Blackwater ist eine der größten amerikanischen Privatfirmen im Irak, die Vorzeigemarke für eine neue, boomende Industrie: die private Sicherheitsindustrie.

450 Männer beschäftigt Blackwater im Irak. Sie schützen Lebensmittelkonvois, entschärfen Sprengsätze und übernehmen Personenschutz für VIPs. Andere Firmen haben zwar mehr "Stiefel am Boden" im Irak, wie es im Branchenjargon heißt, aber Blackwater hat einige der prestigeträchtigsten Aufträge bekommen.

Für 21 Millionen Dollar zum Beispiel sichert Blackwater den Personenschutz von US-Zivilverwalter Paul Bremer. Und das bedeutet nicht nur Geld, sondern auch Imagegewinn. "Wir sind jetzt das Unternehmen", sagt Bertelli, "das den höchsten Vertreter der USA im Irak schützen darf. Und das war nur möglich, weil die Regierung volles Vertrauen in die Qualität unserer Arbeit hat."

Es passiert selten, dass Besucher nach Moyock ins Hauptquartier von Blackwater kommen dürfen, doch als Disneys Sportkanal ESPN hier zwei Tage lang eine so genannte SWAT-Show drehen wollte, einen Wettbewerb der besten Polizei-Krisenteams des Landes, willigte Blackwater ein.

Für ein paar Stunden darf man hier alles sehen, die Schießstände, die Klassenräume und die Abenteuerattrappen, hinter denen sich der Geschäftserfolg Blackwaters verbirgt. Eine ganze Konferenz hat Blackwater organisiert, mit einer Vorlesung zur "schusssicheren Psyche".

Es sollen auch gewöhnliche Menschen herkommen, denn Blackwater hat nicht nur Kampfhubschrauber, vertreibt nicht nur Schussanlagen und schult Polizisten, Krisentrupps und Militärs, sondern bietet auch Schießkurse für Hobbyschützen an.

Im Doubletree Hotel von Virginia Beach ruft Ex-General David Grossmann, der Gründer von Killology Research, einer Forschungsgruppe, die sich mit der Psychologie des Tötens beschäftigt, seinen Zuhörern zu: "Nehmt den Geist des Krieges an!" Und: "Es lebe das Kriegerleben!" Etwa hundert Männer sitzen vor ihm, Männer, von denen Organisator Paul Davis später sagt, sie seien "mariniert in Testosteron".

Man erzählt sich, dass selbst der Eigentümer und Gründer von Blackwater hergekommen sei, der Mann, dessen Gesicht niemand kennt. Man weiß von ihm lediglich, dass er 34 Jahre alt und ein "guter Republikaner" ist und zudem Multimillionär.

Wie ein Gespenst schwebt er über der Veranstaltung, weil er angeblich überall zu sein scheint und doch nirgendwo zu fassen ist. "Nie, nie, nie", sagt Blackwater-Chef Gary Jackson, ein ehemaliges Mitglied der Navy-Elitetruppe SEAL, "werden Sie Mister Prince treffen. Nie. Nie. Nie."

Seine Worte kommen wie Schüsse. "Er würde Ihnen wahrscheinlich nicht einmal die Hand schütteln." An diesem Morgen, sagt Jackson, habe er noch hier in dem Büro gesessen, der Gründer, Eigentümer und "Freund", der es in der Navy nur zum Leutnant gebracht hat.

Prince habe ihm an dem "schusssicheren Schreibtisch" gegenüber gesessen, den sich Jackson maßanfertigen ließ, er hat nach den Geschäften der Firma gefragt und sich dann heimlich unter die Leute gemischt. "So viel kann ich sagen", sagt Jackson, "er war da - und jetzt ist er weg."

Man gibt nicht straflos ein Geheimnis über den Gründer preis. Wer Blackwater verlässt, muss eine Unterlassungserklärung unterschreiben und versprechen, nichts über den Gründer und Eigentümer zu verraten.

Matthew Jones, der Reporter vom Virginian Pilot, der größten Lokalzeitung der Gegend, weiß zu berichten, wie schwierig es ist, etwas über Prince herauszufinden. Auch er habe den Mann noch nie zu Gesicht bekommen, sagt er, nicht einmal ein Photo hat er bisher gesehen.

Als seine Zeitung jüngst Sonderseiten zu Falludscha zusammenstellte, mit großen Berichten über Blackwater und über Mr. Prince, sollte ein Photo des Firmengründers dazugestellt werden. "Wir haben eigens einen Reporter losgeschickt, der Bilder von Erik Prince beschaffen sollte", sagt Jones. Vergeblich. Am Ende erschien das Blatt mit einer schwarzen Silhouette. Darüber stand: "Blackwaters best gehütetes Geheimnis: der Gründer".

Hier in Moyock also, im trockengelegten Sumpfgebiet, das sich im Norden North Carolinas erstreckt, hat Blackwater eine Miniaturwelt des Bösen aufgebaut, eine Welt, die seit ihrer Gründung im Jahr 1996 mit jeder nationalen Katastrophe größer wird.

Nach dem Blutbad in der High School von Columbine hat Blackwater eine High School nachbauen lassen, eine Attrappe, in der Kinderschreie per Lautsprecher eingespielt werden können. Nach dem Bombardement des Kriegsschiffes Cole im Jemen baute Blackwater ein Übungsboot und nach dem 11. September 2001 einen offenen Flugzeugträger zur Ausbildung von Air Marshalls.

Und nun, auf der anderen Seite der Parkplätze, heben Bagger ein riesiges Wiesenstück aus. Dort soll eine Übungsstrecke entstehen, sagt ein Blackwater-Sprecher, für das Training "ausweichender Fahrtechniken" in Krisengebieten. 50000 Menschen wurden hier seit der Firmengründung ausgebildet.

Schneller und billiger

Der Irakkrieg hat das Geschäft kräftig belebt. "Eine Goldmine" sei das, sagt Duncan Bullivant, der Chef der britischen Sicherheitsfirma Hendersen Risk. 15.000 Söldner und private Sicherheitskräfte arbeiten heute dort, ein Zehntel der US-Truppenstärke.

Das Pentagon hat neben Blackwater zwei Dutzend andere Firmen unter Vertrag, die den Wiederaufbau und die Sicherheit im Irak gewährlichsten sollen: den Baukonzern Bechtel zum Beispiel, der für die Infrastruktur zuständig ist; General Dynamics und die Halliburton-Tochter KBR für die Reparatur von Panzern; und die Vinnell Corporation für die Ausbildung des irakischen Militärs.

Allein in diesem Jahr will die amerikanische Regierung 25 Milliarden Dollar für private Militärdienstleistungen ausgeben. Weltweit, schätzt Peter Singer vom Washingtoner Forschungsinstitut Brookings, sind mehr als 100 Milliarden Dollar zu verdienen. Und der Markt ist noch lange nicht ausgeschöpft, denn die Regierung spart Kosten.

"Wo das Militär 160 Leute braucht, brauchen wir nur noch 25", sagt Blackwater-Chef Gary Jackson. "Die Befehlskette ist kürzer, außerdem haben wir die Jungs nicht 30 Jahre am Hals und müssen dann Rente zahlen." Begonnen hat alles vor zwölf Jahren mit Dick Cheney, als dieser noch amerikanischer Verteidigungsminister war.

Damals gab er für 3,9 Millionen Dollar bei seiner späteren Firma, der Halliburton-Tochter KBR, eine Studie in Auftrag, die herausfinden sollte, wie viel Leistungen im Verteidigungsfall an Privatfirmen gegeben werden können. Und schon bald begann der Aufschwung der Militärindustrie.

Zunächst waren es nur Kochdienste, technische Hilfe und Lebensmitteltransporte, die ausgegliedert wurden, aber Ende der Neunzigerjahre, als die Internetwirtschaft boomte und es so aussah, als ob Privatunternehmen grundsätzlich alles besser, schneller und billiger machen könnten, begann die amerikanische Regierung, auch andere Leistungen wegzugeben.

Und so kümmern sich plötzlich Privatfirmen um Lebensmittelkonvois, um Sprengsätze und, wenn es wie jüngst in Nadschaf sein musste, auch um die Bergung verwundeter Marines. "Das Schöne ist", sagt ein Blackwater-Angestellter, "dass wir jetzt alle in einem Boot sitzen und keiner mehr fragt: Bist du ein Marine oder ein Subunternehmer?"

Die Firma zahlt gut. Sie zahlt 800 bis 900 Dollar für den Tag im Irak, ein guter Industriestandard für Internationals, wie die Männer aus westlichen Industriestaaten im Branchenjargon genannt werden.

Andere Mitarbeiter, Männer aus Länder der Dritten Welt, bekommen nur ein Zwanzigstel davon und Iraker gerade einmal ein Hundertstel. Nach dem Massaker von Falludscha hat Blackwater angeblich mehr Bewerbungen bekommen als je zuvor.

"Die Leute sind wütend auf die Iraker", sagt Blackwater-Sprecher Bertelli, "und sie wollen jetzt Vergeltung und sagen, zu Blackwater, da müssen wir jetzt hin."

Immer wieder beklagen Experten die mangelnden Standards der Branche, die laxe Kontrolle und fehlende Befehlsgewalt. Nicht erst seitdem bekannt ist, dass Übersetzer der Unternehmen CACI und Titan an den Misshandlungen im Gefängnis Abu Ghraib beteiligt waren, machen Geschichten über unkontrollierbare Söldner die Runde.

"Diese Jungs", sagt ein Geheimdienstmitarbeiter im Irak, "fahren mit ihren Oakley-Sonnenbrillen herum und halten ihre Gewehre grundlos aus den Autofenstern. Was sollen da die Leute in Falludscha denken?"

Das Bersten des Blechs

Im Firmenpavillon hinter dem Hauptquartier ist die Stimmung ungetrübt. Es gibt Hamburger, Barbecuesandwich und Truthahnhaxe wie schon am Vormittag, und an den Ständen der Militärausrüstungsfirmen die neuesten Maschinengewehre, Gasmasken, Schutzwesten und Sonnenbrillen.

Viele große Firmen sind hier, Waffenproduzent Remington zum Beispiel, Bushmaster Firearms und die deutsche Firma Carl Zeiss Optical, deren Vertreter die Dankespost von einem irakischen Privatkrieger gerahmt hat, dessen 3 x 9 x 40 mm Zeiss Conquest Gewehroptik Zeiss ohne Garantieschein ersetzt hatte.

800 Dollar kostet ein Stand bei Blackwater pro Tag, aber selbst kleine Firmen können sich das heute leisten. Sling System zum Beispiel, eine Firma, die Tragegurte für Maschinengewehre vertreibt. Sie ist so klein, dass der Präsident der Firma persönlich am Stand steht und stundenlang vorführt, wie viel schneller man schießen kann, wenn man nur den Sling-System-Maschinengewehr-Gurt benutzt.

Das Geschäft, sagt er, läuft gut, besonders gut seit dem 11. September 2001 und noch besser seit dem Krieg im Irak. "Wir liefern deutlich mehr Gurte", sagt der Präsident, "tausende mehr."

An einem der letzten Messestände steht Tom Cole, der Waffenhändler des Orts. Man kann ihn bis in den späten Nachmittag antreffen, neben dem Fernseher, auf dem sein selbst gedrehtes Endlosvideo läuft.

Darin sieht man, wie er seine erste, selbst gebaute A12 MKII Full Automatic Shotgun am Auto seiner Frau erprobt. 275 Ladungen in der Minute feuert er ab, so als habe der altersschwache Wagen eine Notschlachtung verdient. Jeden Einschlag hat er festgehalten, jedes Bersten des Blechs.

Die letzten Besucher verlassen das Gelände, gehen zurück durch die knapp sechs Kilometer Wälder und Wiesen, die aus Sicherheitsgründen zwischen den Schießplätzen und den Wohnhäusern liegen.

Sie kommen zwangsläufig an Tom Coles Waffengeschäft vorbei, und wenn sie rechtzeitig nach links schauen, werden sie das zertrümmerte Auto davor sehen und das Schild, auf dem steht: "Tackle! - Greif an!"

© SZ vom 27.5.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: