Die Schule der Parteien (1):Hilfreiches Netzwerk

Die bayerische Junge Union gibt sich gerne als "Stachel im Fleische" der CSU. Ihr Image als Karrieristenclub kann sie aber nicht ganz abstreifen.

Kassian Stroh

Beim Parteitag der CSU am vergangenen Wochenende in Nürnberg war die Junge Union wieder einmal sehr präsent. Schwarz die T-Shirts für die Männer, rosa die für die Frauen - das "Team Beckstein 08" war nicht zu übersehen. Und am Eingang standen fünf "Team-Beckstein"-Autos, mit denen der CSU-Nachwuchs in diesen Wochen auf Tour geht, um im bayerischen Landtagswahlkampf junge Wähler zu gewinnen.

Die Schule der Parteien (1): Unter dem Motto "Kick it like Beckstein" zieht die Junge Union in Bayern mit ihrem Spitzenkandidaten Florian Ludwig (l.), in den Landtagswahlkampf.

Unter dem Motto "Kick it like Beckstein" zieht die Junge Union in Bayern mit ihrem Spitzenkandidaten Florian Ludwig (l.), in den Landtagswahlkampf.

(Foto: Foto: ddp)

Ein großes Plus im Wahlkampf für die Partei - denn ihr Nachwuchs ist nicht nur nahezu flächendeckend präsent in Bayern, er ist auch motiviert. Man habe ja auch Ambitionen, sagt ein führender JU-Mann.

Der Jungen Union in Bayern klebt seit je her das Image an, vor allem ein Club von Karrieristen zu sein, von jungen Menschen, die früh erkennen, dass es in Bayern durchaus von Vorteil ist, der CSU anzugehören. 50 Jahre Alleinherrschaft verschaffen den Zugriff auf viele Posten - in der Politik und anderswo.

Sich da schon in jungen Jahren entsprechend zu vernetzen, hilft. In Erinnerung an seine JU-Zeit sagt Markus Söder: "Viele Freundschaften aus dieser Zeit halten fürs Leben." Persönliche dürfte er dabei ebenso meinen wie politische Zweckfreundschaften. "Ein solches Netzwerk ist hilfreich", sagt auch Emilia Müller anerkennend, die bayerische Wirtschaftsministerin und eines der wenigen Kabinettsmitglieder, das keine JU-Sozialisation erfahren hat.

Dass es ohne ein solches Netzwerk nicht geht, sagt sie nicht, dass es deutlich schwerer ist, deutet sie an. Im 18-köpfigen bayerischen Kabinett sitzen nur zwei, die nie in der JU Mitglied waren.

Die Junge Union aber nur als Instrument der Nachwuchsrekrutierung oder als "Talentschuppen" der CSU zu betrachten, das sei zu wenig, sagt ihr Landeschef Stefan Müller. Er nennt seine Organisation eine "Ideenwerkstatt": "Wir haben die Aufgabe, Vordenker zu sein und Themen aufzugreifen, die die CSU nicht aufgreifen kann oder will."

"Stachel im Fleische der Union"

Theo Waigel, 1971 bis 1975 JU-Landeschef, hat sie einmal als "Stachel im Fleische der Union" gewürdigt - da war er schon Parteivorsitzender geworden. Still und leise hat sich die bayerische Staatsregierung im Juni zum Beispiel die JU-Position zu eigen gemacht, die Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken gutzuheißen - so lange die Stromkonzerne im Gegenzug die Mehrgewinne daraus in regenerative Energien stecken. Das war keine Idee der JU, sie aber hatte sie parteiintern in die Debatte eingebracht.

Als Stachel im Fleische betätigt sich auch JU-Chef Müller, wenn er immer wieder öffentlich und völlig konträr zur Linie der Parteioberen dafür wirbt, dass die Union offen sein müsse auch für Koalitionen mit den Grünen. Das heißt aber nicht, dass die JU jemals die politischen Grundlinien der CSU in Frage stellen würde. "Wir definieren uns nicht alleine dadurch, dass wir im Gegensatz zur Mutterpartei stehen wollen", sagt Müller.

Dass die JU ihre Anliegen in der CSU offensiv vertritt, war jüngst wieder zu beobachten: Traditionell stellt keine Unterorganisation der CSU bei Parteitagen so viele Anträge wie die JU; in Nürnberg waren es 22 von insgesamt 58. So hat die JU auf die CSU auch inhaltlich großen Einfluss, nicht nur bei Jugendthemen - als sie jüngst beispielsweise durchboxte, Studenten von der Zweitwohnungssteuer in Bayern auszunehmen.

Auch bei Themen wie dem Abbau der Staatsverschuldung oder den Reformen der Sozialversicherungen versuchen die JUler ihre Mutterpartei anzuschieben, was nicht selten in harte Konflikte mündet. Als "Ichlinge" schmähte sie CSU-Vize Horst Seehofer vor vier Jahren deshalb.

Vor allem bei der Neuformulierung des CSU-Grundsatzprogramms, das im vergangenen Jahr verabschiedet wurde, wirkte die Junge Union aktiv mit. In der Kommission fand sich eine Reihe von JU-Vertretern, eigens hielten die Jungen eine Landesversammlung ab, nur um das Programm zu debattieren - das tat keine andere Gliederung der CSU. "Viele Impulse" gegeben zu haben, attestiert Alois Glück dem Nachwuchs, der Leiter der CSU-Grundsatzkommission.

Das gilt nicht zuletzt als Verdienst Manfred Webers. Der Europaabgeordnete leitete die Junge Union von 2003 bis 2007, bis auch ihn der "JU-Tod" ereilte, wie das intern heißt, sprich: er 35 Jahre alt wurde. Weber wird in der CSU hoch angerechnet, dass er den Parteinachwuchs mit breiten internen Debatten auf allen Feldern inhaltlich positioniert habe. Anders als sein Vorgänger Markus Söder.

Die Stoiber-Kampftruppe

Der brachte die JU insbesondere organisatorisch als Mobilisierungsmaschine in Stellung und formte sie in diversen Wahlkämpfen zur Stoiber-Kampftruppe. Söder stand der JU acht Jahre lang vor - dann machte Stoiber ihn zum CSU-Generalsekretär, heute ist er bayerischer Europaminister und sieht sich noch lange nicht am Ende seiner Karriere.

An diesen beiden Polen zeigt sich die Bandbreite dessen, was die Junge Union sein kann und will - Müller nun möchte erklärtermaßen eine Mischung finden. Nur Positionen zu haben reiche nicht, das war sein Versprechen bei seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr. Die JU müsse auch "bewirken, dass es Politik der CSU wird".

Dass das bei einer auch im Beharren geübten Partei wie der weißblauen Union oft schwierig ist, weiß er. Dass sich die JU oft erst "zeitverzögert" durchsetze, sagt sein Vorgänger Weber. Dann nämlich erst, wenn ihre Leute viele Jahre später auch in die entscheidenden Ämter kämen. Weber ist inzwischen in die wichtige Riege der zehn CSU-Bezirksvorsitzenden aufgestiegen.

Weil das nicht selbstverständlich ist, gehört es zu den vornehmsten Pflichten eines jeden JU-Vorsitzenden, die stetige Verjüngung der CSU anzumahnen. Auf der Ebene der Kommunen sieht das nicht so schlecht aus. Hier stellt die Junge Union so viele Mandatsträger, dass sie sich gerne rühmt, nach CSU, freien Wählergruppen und SPD die viertstärkste kommunale Kraft in Bayern zu sein.

Auch die CSU-Landesgruppe im Bundestag ist seit der Wahl 2002 deutlich verjüngt worden: Damals zogen im Sog von Stoibers Kanzlerkandidatur zum Teil völlig überraschend gleich zwölf JU-Vertreter in den Bundestag ein; Müller war einer von ihnen. Die CSU-Fraktion im Landtag hingegen, so klagt er, drohe mit einem Altersschnitt von derzeit 58 Jahren zu überaltern - für die Wahl im September wurden kaum Nachwuchspolitiker als Kandidaten aufgestellt.

Knapp 32.000 Mitglieder zählt die JU in Bayern, doch auch sie leidet wie fast alle Parteien und deren Jugendorganisationen unter einem schleichenden Mitgliederschwund. Ein Siebtel etwa hat sie in den vergangenen Jahren verloren. Und sie leidet unter demselben Problem wie die CSU: noch immer stark von Männern geprägt zu sein.

Gerade mal ein Viertel ihrer Mitglieder sind Frauen. Um das zu verbessern, will Müller bald eine Frauen-Kampagne starten. Aber erst nach der Landtagswahl im September. Bis dahin bündelt das Unterfangen "Team Beckstein" alle Ressourcen.

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