Süddeutsche Zeitung

Die Republikaner und der Schuldenstreit:Gegen Obama und gegeneinander

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Im Billionen-Poker um Amerikas Schuldengrenze scheint die Geduld von US-Präsident langsam am Ende - er will am Wochenende eine Einigung sehen. Doch nicht nur die Demokraten und die Republikaner streiten - es geht auch darum, wer bei den Republikanern das Sagen hat.

Reymer Klüver

Noch stehen Sieger und Verlierer im Billionen-Poker um Amerikas Schulden nicht fest. Auf lange Sicht zumindest ist völlig offen, ob die US-Bürger Barack Obama und seine Demokraten für das Desaster verantwortlich machen werden, wenn sie den drohenden Staatsbankrott ihres Landes nicht abwenden können oder das Problem mit einem faulen Kompromiss auf die lange Bank schieben. Oder aber, ob die Amerikaner am Ende doch die Republikaner haftbar machen werden für ihre Sturheit, mit der sie bisher jeden vernünftigen Kompromiss verhindern. Kurzfristig aber gibt es schon einen Sieger nach dieser Woche fruchtloser Endlosverhandlungen zwischen Kongress und Weißem Haus, zwischen Republikanern und Demokraten. Es ist Eric Cantor, der junge, ambitionierte Fraktionsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus.

Er hat praktisch im Alleingang eine Einigung im großen Stil torpediert, die sich zwischen Obama und John Boehner abzeichnete, dem republikanischen Sprecher des Repräsentantenhauses. Und er hat auch seinem Parteifreund Mitch McConnell, dem Führer der Republikaner im Senat, Sand ins Getriebe gestreut, um dessen Vorschlag zur Lösung des Problems zu verhindern. Harry Reid, der Chef der Demokraten im Senat, hat sicherlich die Gefühle vieler Altvorderer in Washington (und nicht nur bei den Demokraten) zum Ausdruck gebracht, als er am Donnerstag indigniert feststellte, Cantor dürfte eigentlich bei den Verhandlungen um die Schuldengrenze im Weißen "gar nicht am Tisch sitzen", weil er "den Unverantwortlichen in der Republikanischen Partei eine Stimme verleiht".

In der Tat ist das Ringen um die Anhebung der Schuldengrenze längst nicht mehr nur ein Streit zwischen Demokraten und Republikanern. Es ist auch eine Auseinandersetzung darum, wer bei den Republikanern in den USA den Ton angibt - und damit auch eine Generationenfrage: Setzen sich die Altgedienten wie McConnell und Boehner durch, die im Zweifel in der Schlacht um Washingtons Schuldenberg Staatsraison vor Parteidisziplin gehen lassen würden? Oder schaffen es die jungen Wilden von der Tea Party, die bereit sind, ihr ganzes Land in Geiselhaft zu nehmen und eine Zahlungskrise in den USA zu riskieren, um ihr Credo von der allheilenden Schrumpfung des Staates durchzusetzen? Zu deren Bannerträger hat sich Cantor aufgeschwungen. Diese Woche hat er demonstriert, wie mächtig die Tea Party ist.

Zielstrebig hat sich der 48-Jährige in diese Position manövriert, seit er Anfang des Jahres zum Fraktionschef der Republikaner im Repräsentantenhaus gewählt wurde. Dahinter steht zum einen gewiss ideologische Nähe zur Tea Party. So war er bereits vor zwei Jahren einer der Wortführer im Kongress gegen Obamas Konjunkturprogramm und hat seither selten eine Gelegenheit ausgelassen, für einen Abbau staatlicher Auf- und Ausgaben zu werben. Zum anderen steckt ein handfester Machtkampf dahinter: Cantor will sich in Stellung bringen für den Fall, dass John Boehner den Rückhalt in den eigenen Reihen verliert.

Der konservative Politveteran, 61 Jahre alt und seit einem Vierteljahrhundert im Kongress, hatte sich schon im Ringen um den Haushalt im Frühjahr den Zorn der Tea-Party-Hitzköpfe zugezogen. Damals schreckte er in letzter Sekunde davor zurück, den Streit mit Obama so weit eskalieren zu lassen, dass die Behörden in Washington hätten schließen müssen. Cantor kam ihm da zwar noch zur Hilfe, nicht aber, als Boehner mit Obama einen großen Kompromiss um die Anhebung der Schuldengrenze eingehen wollte, der auch Steuererhöhungen einschließt - ein Unding in den Augen der Tea-Party-Freunde. Cantor bedeutete Boehner, dass es dafür in der Fraktion keine Zustimmung geben werde. Seither ist Boehner auffällig um Gemeinsamkeit bemüht. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Donnerstag legte er seinen Arm um Cantors Schultern und sagte: "Wir sind zusammen in diesem Kampf."

Einen eigenen Weg hat indes der republikanische Senatsvormann McConnell eingeschlagen. Sein Vorschlag scheint zurzeit - trotz Cantors Widerstand - noch am meisten Chancen zu haben, die Grundlage für einen Kompromiss zu bilden. Und der dürfte, wenn überhaupt, zwischen Demokraten und Republikanern im Senat ausgehandelt werden.

Harry Reid, der Chef der Demokraten, hat signalisiert, zu Verhandlungen über McConnells Plan bereit zu sein. Und selbst wenn der Präsident am Freitag noch einmal betonte, dass er die Hoffnung auf einen großen Deal mit den Republikanern nicht aufgegeben habe, so sagt er doch, dass es nun "Zeit für einen Entschluss" sei - also für eine Lösung, wie sie etwa McConnell vorgeschlagen hat.

Es ist ein komplizierter Vorschlag, den McConnell ersonnen hat: Obama soll eine Vollmacht bekommen, in drei Tranchen bis Ende 2012 die US-Verschuldungsgrenze um 2,5 auf dann 16,8 Billionen Dollar zu erhöhen. Er müsste allerdings Einsparvorschläge in gleicher Höhe machen. Und der Kongress müsste dem dann zustimmen. Sollte der Kongress das aber verweigern, könnte Obama dann den Kongress schlicht mit seinem Veto überstimmen. Eine Zweidrittelmehrheit, ihn wiederum zu überstimmen, wird es im Kongress nicht geben.

Damit, so McConnells Kalkül, wäre zweierlei erreicht: Eine Zahlungskrise in den USA mit unvorhersehbaren Folgen für die Wirtschaft wäre vermieden - und Obama hätte die politische Verantwortung für die Megaschulden Amerikas, weil schließlich der Präsident es wäre, der sie mit einem Veto erzwingen würde. McConnell rechnet sich aus, dass die Republikaner am Ende nur mit seinem Plan als Sieger dastehen werden - und nicht, wenn sie wie Cantor und die Tea Party mit dem Kopf durch die Wand wollen.

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SZ vom 16.07.2011
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