"Die Partei" zur Bundestagswahl zugelassen:"Es ist uns ein innerer Bundestag"

Martin Sonneborn ist Vorsitzender der "Partei"

Das war 2009: Martin Sonneborn lüftet sein Hemd. Vier Jahre später hat er dazu keinen Grund.

(Foto: dpa)

Sie sind bereit für den Skandal, für den Aufschrei. Aber der Bundeswahlleiter tut ihnen den Gefallen nicht: Die Satire-Partei "Die Partei" von Martin Sonneborn ist zur Bundestagswahl 2013 zugelassen. Sie wird Opfer ihres selbst erkämpften Fortschritts. Um trotzdem aufzufallen muss eine Nazi-Anspielung her.

Von Michael König, Berlin

Als es so weit ist, zückt der Satiriker Martin Sonneborn sein Telefon. Er macht die Kamera-App scharf und legt das Gerät vor sich auf den Tisch. Raum 3.101 im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, hier tagt der Bundeswahlausschuss. Sonneborn sitzt ganz hinten. Auf der anderen Seite: Roderich Egeler, der Bundeswahlleiter.

Um 10:34 Uhr bittet Egeler seine zehn Ausschusskollegen um ein Handzeichen: Elfmal Ja, keine Nein-Stimme, keine Enthaltung. Sonneborn macht die Kamera wieder aus. Der Bundesvorsitzende der Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative, kurz "Die Partei", kann diesmal keine Show abziehen. Sein Satire-Projekt ist zur Bundestagswahl 2013 zugelassen.

Absage an die Wasserpartei

Es sollte ihn freuen. Anderen ist das nicht vergönnt. Egeler und sein Gremium lehnen in diesen Tagen viele Vereinigungen ab. Die Wasserpartei, zum Beispiel, oder die Gerade Partei. Sie vertreten zum Teil seriöse Anliegen, erfüllen aber nicht die Voraussetzungen, die der Gesetzgeber vorschreibt. Eine Partei ist demnach nur eine Partei, wenn sie auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes mitwirken will. Ihre Mitgliederzahl, aber auch ihr Auftreten muss "eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit" bieten.

Sonneborns Partei tut das, zumindest dem Ausschuss zufolge. In ihrem Programm fordert sie die Einführung einer Faulenquote von 17 Prozent in der deutschen Wirtschaft. Um Deutschland herum soll eine Mauer gebaut werden: "Sie ist unsere Absage an Globalisierung, weitere Europäisiserung und unkontrollierbare Finanzströme." Aber die Partei hat eben auch knapp 9000 Mitglieder in vielen Bundesländern, sie hat an Landtagswahlen teilgenommen und stellt seit kurzem einen Vertreter in der Lübecker Bürgerschaft.

Sonneborn verspricht "schmutzigen Wahlkampf"

Mit der jetzigen Anerkennung geht also eine Erfolgsgeschichte weiter. Oder? Sonneborn sieht nicht danach aus. Er ruft vor dem Sitzungssaal pflichtschuldig ein Wahlziel von "100 Prozent plus X" aus und verspricht einen "schmutzigen Wahlkampf". Die Schatzmeisterin der Partei, Helena Barbas, sagt: "Es ist uns ein innerer Bundestag."

Eine Nazi-Anspielung, immerhin. Ansonsten ist der Termin aus Sicht der Satiriker eine Pleite. Sie wollen breite Aufmerksamkeit, die bekommen sie heute nicht. "Ein ganz normaler Vorgang", sei das gewesen, sagt Sonneborn. Er klingt enttäuscht. Vor vier Jahren sah das alles ganz anders aus. Da konnte Sonneborn Geschichte schreiben.

2009 lehnte der Wahlausschuss die Zulassung der Partei zur Bundestagswahl ab, wegen "mangelnder Ernsthaftigkeit". Der Wahlleiter hielt die Mitgliederzahl für zu gering, die Strukturen für nicht fest genug. Sonneborn startete daraufhin eine Kampagne, die ...

  • ... den Bundeswahlleiter diffamierte: "Der letzte Wahlleiter in diesem Land, der derart undemokratisch mit kleinen und anderen Parteien umgesprungen ist, ist 1946 von einem alliierten Militärtribunal hingerichtet worden", sagte Sonneborn und nannte Egeler von da an konsequent "Eseler".
  • ... der Partei größere Aufmerksamkeit einbrachte, unter anderem durch den Verkauf von T-Shirts, auf denen der Spruch "Where's my vote, Wahlleiter?" prangte.
  • ... zu rechtlichen Konsequenzen führte, von denen nicht nur die Partei, sondern potentiell alle Kleinparteien profitieren.

Der Satiriker bekam unerwartete Unterstützung von Wahlbeobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Die sollten der Bundesrepublik ein Zeugnis als Musterland der Demokratie ausstellen, so war zumindest die Erwartung vieler Politiker. Stattdessen stellten sie anhand des Falles der Partei Mängel im deutschen Wahlrecht fest - eine Blamage für die Etablierten.

Sonneborn - angekommen im Establishment

Der Hauptkritikpunkt: Der Bundeswahlleiter wird vom Innenminister bestimmt, die übrigen Mitglieder des Wahlausschusses wurden - nach damaliger Gesetzeslage - von den im Bundestag vertretenen Parteien entsandt. Damit sei das Verfahren "nicht frei von Interessenkonflikten", so die OSZE: "Mitglieder der etablierten Parteien urteilen über ihre Wettbewerber."

Noch problematischer war in den Augen der Experten, dass es gegen die Entscheidungen des Wahlausschusses kein Rechtsmittel gab. Sonneborn scheiterte nach Egelers Entscheidung mit einem Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Richter verwiesen darauf, dass eine Nichtzulassung erst nach der Wahl im Wege einer Wahlprüfung angegriffen werden kann - dann, wenn es eigentlich zu spät ist.

Die Lex Sonneborn

2011 zog Sonneborn abermals nach Karlsruhe, diesmal mit einer Wahlprüfungsbeschwerde. Er forderte Neuwahlen, scheiterte aber an einer Formalie. Recht bekam er trotzdem, wenn auch verspätet: Der Bundestag reformierte im Mai 2012 das Bundeswahlgesetz (BWG), zudem wurde das Grundgesetz erweitert.

  • Dank Sonneborn verlangt das BWG nun auch zwei Juristen als Mitglieder im Bundeswahlausschuss. So soll der Interessenkonflikt vermieden werden.
  • Will der Ausschuss eine Partei von der Wahl ausschließen, braucht er eine Zweidrittelmehrheit statt wie zuvor eine einfache Mehrheit.
  • Eine nicht zugelassene Partei kann vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, das steht jetzt auch im Grundgesetz. Die Richter müssen vor der Wahl urteilen. Bis zur Wahl ist die Partei wie eine zugelassene Partei zu behandeln.

Die Partei nennt die Gesetzesänderung eine "Lex Sonneborn", sie ist mächtig stolz darauf, für Kleinstparteien etwas erreicht zu haben. Aber was die Aufmerksamkeit angeht, den Skandalfaktor, wird sie an diesem Freitag ein Stück weit Opfer ihres eigenen Fortschritts.

"Wenn sie uns zulassen, ziehe ich mich sofort aus", hatte Schatzmeisterin Barbas vor der Sitzung gesagt, "dann haben wir trotzdem unseren Skandal." Tut sie dann aber nicht, sondern verteilt ganz brav Visitenkarten.

Die Partei ist im Establishment angekommen. Sonneborn wird sich anstrengen müssen, sie da wieder rauszubekommen.

Linktipp: Eine Übersicht über alle anerkannten Parteien gibt es beim Bundeswahlausschuss.

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