Die Linke: Parteitag in Rostock:Das Ende der Oskar-Show

Jeder Satz sitzt: Der scheidende Parteichef der Linken, Oskar Lafontaine, beherrscht es, aus seiner Abschiedsrede ein Event zu machen. Und den Genossen schmerzhaft vor Augen zu führen, was sie an ihm hatten.

Thorsten Denkler, Rostock

Oskar Lafontaine nimmt seine Brille ab, reibt sich die Augen. Dann reißt er wieder die Hände hoch, grüßt, winkt, dreht sich im Kreis. Wenige Minuten nur dauert der Schlussapplaus nach seiner Rede an diesem Samstagvormittag in der Rostocker Stadthalle.

Oskar Lafontaine, Linke, APN

Oskar Lafontaine auf dem Parteitag der Linken in Rostock: "Die Demokratie ist erledigt!"

(Foto: Foto: apn)

Es ist seine letzte Rede als Vorsitzender der Linken, die er hier auf dem Parteitag der Linken zelebriert. Es war eine glanzvolle, eine furiose Rede. Eine echte Oskar-Rede. Aber jetzt ist Mittagspause. Darum wird der Applaus vom Tagungspräsidium abgewürgt. Da sind die Linken hart.

Jeder Satz ein Event

Wäre dies nicht seine Abschieds-, sondern eine Bewerbungsrede für den Parteivorsitz, ein Ergebnis von honeckerschen 99,2 Prozent wäre ihm sicher. Lafontaine beherrscht es, aus nahezu jedem Satz ein Event, ein Ereignis zu machen. Ein Drittel seine Rede geht im Applaus der Delegierten unter.

Vor fünf Jahren gab es noch die PDS und eine obskure Neugründung im Westen mit dem Kürzel WASG, die sich mit der vagen Hoffnung aufeinander zubewegten, gemeinsam mehr Erfolg zu haben. Jetzt ist die Linke unter Lafontaines Führung in 13 Landtagen vertreten, ist stärker als die Grünen und die CSU im Bundestag vertreten und könnte möglicherweise demnächst in Nordrhein-Westfalen das erste westliche und zugleich bevölkerungsreichste Bundesland mitregieren. Eine Erfolgsgeschichte.

Wie es dazu kommen konnte, demonstriert Lafontaine mit seiner Oskar-Show auf dem Rostocker Parteitag. Zur Finanz- und Euro-Krise donnert er: "Die Demokratie ist erledigt!" Regierungen und Parlamente "sind doch nur noch Marionetten der internationalen Finanzmärkte." Und der rot-grünen Schröder-Regierung schiebt er eine Mitverantwortung für die Finanzkrise zu: "Sie haben den Haien den Teppich ausgerollt."

Ein weiterer Abschied - beinahe unbemerkt

Was die Genossen an Oskar jetzt nicht mehr haben, das hat ihnen zuvor Lothar Bisky gezeigt. Was viele außerhalb der Partei nicht wissen: Bisky ist auch Parteivorsitzender der Linken. Und auch er hat heute seinen letzten Tag. Er sitzt jetzt im Europaparlament, weil Europa ihm ohnehin mehr liegt.

Sein "Referat", wie Lafontaine den Beitrag seines Co-Vorsitzenden treffend charakterisiert, fand seine Höhepunkte in einer Aufforderung, dass Gemälde der Allgemeinheit nicht näher bekannter ehemaliger DDR-Künstler nicht einfach so ins Ausland verkauft werden dürften. Wen das jetzt ratlos lässt, keine Sorge: Das spiegelt in etwa das Mehrheitsgefühl auf dem Parteitag wieder.

Den meisten Applaus bekommt er noch, als er sich nach einer langen Reihe von Namen zuletzt auch bei Dietmar Bartsch bedankt. Bartsch gibt nicht ganz freiwillig das Amt des Bundesgeschäftsführers der Linken auf. Ende vergangenen Jahres hatte er es sich wegen einiger ihm zugewiesener Zitate im Nachrichtenmagazin Spiegel endgültig mit Lafontaine verscherzt. Fraktionschef Gregor Gysi war es dann, der Bartsch öffentlich bezichtigte, illoyal gewesen zu sein. Bartsch gab auf.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welchen Seitenhieb Lafontaine gegen Bartsch parat hatte.

Verbale Ohrfeige für einen Illoyalen

Lafontaine, dem nachgesagt wird, so schnell nichts zu vergessen, erwähnt Bartsch in seiner Rede nicht. Viele kommen in seiner Rede vor: Rolf Linsler etwa, der Saar-Chef der Linken. Lothar Bisky nennt er als ersten, auch Klaus Ernst und Gesine Lötzsch, die designierten Parteivorsitzenden.

Bartsch gilt stattdessen die verbale Ohrfeige, die Lafontaine in einem Lob an Lötzsch versteckt. Lötzsch werde ja vorgeworfen, ihn zu wenig zu kritisieren. Das sei nicht richtig. "Sie hat auch schon manchmal Haare auf den Zähnen", sagt Lafontaine. Aber wenn sie ihm etwas zu sagen habe, "dann sagt sie das unter vier Augen und nicht öffentlich". Vor allem nicht im Spiegel. Bartsch wird das verstanden haben.

"Ich bekenne, ich bin ein IM Gregor"

Und natürlich bedankt sich Lafontaine bei Gregor Gysi, der "mir ein treuer Weggefährte war". Viel Beifall an dieser Stelle. Für Gysi hat er eine besondere Solidaritätsadresse im Gepäck. Im "Gehässigkeitsmagazin Der Spiegel" werde er ja immer als "IM Oskar" geführt. Lafontaine: "Ich bekenne, ich bin ein IM Gregor."

Lafontaine beendet seinen letzten Parteitagsauftritt mit einem Appell: "Lothar und ich geben heute den Stab weiter. Jetzt liegt es an euch, dass wir diesen Weg unbeirrbar weitergehen", beginnt er. Lafontaine weiß, dass das nicht einfach wird. Die Partei ist tief zerstritten. Pragmatiker stehen Utopisten gegenüber. Regierungswillige zoffen sich mit Oppositionsliebhabern.

Lafontaine würde sicher gerne regieren. Im Saarland hat er alles versucht. Aber er will das nicht um den Preis, dass die Linke Kernforderungen aufweichen müsste, was dazu führen könnte, dass sie sich ihre guten Wahlergebnisse kaputt regiert. Er beugt sich ganz tief hinunter zum Mikrophon, damit auch jeder mitbekommt, was er jetzt zu sagen hat: "Einen erfolgreichen Weg wechselt man niemals aus." Das war keine Bitte, das war ein Befehl. Das Problem: Gesine Lötzsch und Klaus Ernst können als neue Parteichefs nichts besser machen. Nur vieles anders.

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