Die Linke: Karteileichen-Affäre:Rote Parteifront gegen den Rebellen

Um den Auslöser der Karteileichen-Affäre wird es einsam: Nun greift auch Linken-Fraktionschef Gysi den bayerischen Landesschatzmeister Voß an. Pikant: Voß soll 2008 und 2009 keine Beiträge gezahlt haben.

Er wollte den umstrittenen Parteichef Klaus Ernst zu Fall bringen - jetzt steht er selbst am Abgrund: Der bayerische Landesschatzmeister, Ulrich Voß, wird von führenden Linken scharf angegriffen. Der Fraktionschef im Bundestag, Gregor Gysi, forderte gar den Rücktritt des Bayern.

Statement - Fraktionsvorsitzender der Linkspartei, Gysi

Linken-Fraktionschef Gregor Gysi legt dem bayerischen Parteirebellen Ulrich Voß den Rücktritt nahe.

(Foto: dpa)

"Diese Art der Denunziation dürfen wir uns nicht länger bieten lassen", sagte Gysi der Passauer Neuen Presse. Die Vorwürfe gegen Klaus Ernst seien "absurder Unsinn". Zuvor hatte bereits die Co-Parteichefin Gesine Lötzsch eine Rufmord-Kampagne gegen Ernst beklagt.

Der Gescholtene lehnt einen Rücktritt ab: "Ich sehe keinen Grund zurückzutreten", sagte Voß der Passauer Neuen Presse. "Dann hätte ich mich erst gar nicht wählen lassen müssen." Die Probleme, die er aufgezeigt habe, müssten geklärt werden, forderte Voß, der seit April im Amt ist.

Gerüchte nagen an Voß' Glaubwürdigkeit

Am vergangenen Wochenende hatte Voß kritisiert, die Mitgliedszahlen des bayerischen Landes seien künstlich nach oben getrieben worden, um auf Parteitagen mehr Delegierte stellen zu können. Nutznießer sei Parteichef Ernst bei seiner äußerst knappen Nominierung zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2009 gewesen. Er warf der Partei "schwerste Regel- und Satzungsbrüche" vor.

Gysi konterte, für diese Missstände sei Voß selbst verantwortlich: "Wenn es in unserem bayerischen Landesverband sogenannte Karteileichen gibt, liegt das in erster Linie in der Verantwortung des Landesschatzmeisters und von niemandem anders", sagte der Fraktionschef.

In Berlin werden derweil Gerüchte laut, die an der Glaubwürdigkeit des bayerischen Landesschatzmeisters nagen: Wie die Nachrichtenagentur ddp berichtet, habe Voß in den Jahren 2008 und 2009 keine Beiträge an die Partei abgeführt - und sei damit selbst zur Karteileiche geworden. Unter den 34 Mitgliedern des von ihm geleiteten Kreisverbandes Amberg-Sulzbach habe es 15 "Nichtzahler" gegeben, darunter seien neben Voß auch zwei seiner Kinder sowie seine Frau gewesen, die selbst den Posten der Kreisschatzmeisterin innehabe.

Bartsch räumt Fehler ein

Voß räumte die fehlenden Mitgliedsbeiträge ein, verteidigte sich jedoch damit, er habe 2010 eine "größere Summe" für die zurückliegenden Jahre eingezahlt. Die Vorwürfe gegen seine Frau und seine Kinder seien dagegen "Stuss".

Dass Unregelmäßigkeiten bei den Mitgliederzahlen bei der Linkspartei kein Einzelfall sind, hat derweil der ehemalige Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch eingeräumt: "Unregelmäßigkeiten in den Mitgliederkarteien sind nichts Neues. Das hatten wir schon in einigen westdeutschen Landesverbänden", sagte der Bundestags-Fraktionsvize der Financial Times Deutschland.

Kreisvorsitzende würden immer versuchen, möglichst viele Delegierte zu schicken. Deswegen würden sie zu Stichtagen, an dem der Delegiertenschlüssel festgelegt wird, im Zweifel für ein Mitglied entscheiden. Bartsch räumte ein, die Partei habe von vielen Nichtzahlern gewusst. Das satzungsgemäße Zahlen sei ein Problem aller Parteien.

Nach den heftigen Angriffen aus der bayerischen Linken gegen Parteichef Ernst will der Bundesvorstand für Ordnung in dem Landesverband sorgen: Das Spitzengremium beauftragte am Montag Bundesgeschäftsführer Werner Dreibus damit, für eine Beilegung des Streits über angebliche Manipulationen zu sorgen.

Ziel sei es, in dem Landesverband "zu solchen Verhältnissen zu kommen, wie sie einer Partei wie der Linken würdig sind", sagte Parteichefin Gesine Lötzsch. Ernst hatte die Vorwürfe bereits am Wochenende zurückgewiesen.

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