Die Linke in Rheinland-Pfalz:Streiten bis die Polizei kommt

Von Handgreiflichkeiten auf Parteitagen über zerplatzende Fraktionen bis zu Parteiausschlüssen: Die Linke in Rheinland-Pfalz hat in den vergangenen Jahren ein beachtliches Spektakel geboten - es ist fraglich, ob sie es in den Landtag schafft.

Marc Widmann

Nein, man kann nicht sagen, dass Harald Jürgensonn den Humor verloren hätte. Über seinen Schreibtisch in der Parteizentrale hat der Pressesprecher der rheinland-pfälzischen Linken ein kleines Bild geklebt. "Irrenanstalt - Betreten auf eigene Gefahr!", steht darauf, "mit Belästigungen muss gerechnet werden." Die Lage seiner Partei beschreibt das, zumindest nach Meinung mancher ihrer Mitglieder, ziemlich gut.

A paper flag of German left wing party 'Die Linke' is seen during an election campaign in Dortmund

Abtritte und Austritte sind ein Leitmotiv der rheinland-pfälzischen Linken.

(Foto: Reuters)

In den vergangenen Jahren hat die Linke in Rheinland-Pfalz ein beachtliches Spektakel geboten, von Handgreiflichkeiten auf Parteitagen über zerplatzende Fraktionen bis zu Parteiausschlüssen. "Zu solchen Dingen sage ich gar nichts", sagt Jürgensonn. Nur so viel: Bisweilen stimme eben die persönliche Chemie nicht. "Und manchmal artet das dann aus." Es ist ziemlich oft ausgeartet in Rheinland-Pfalz. Dennoch steht die Linke vor der Landtagswahl am 27. März in Umfragen bei fünf Prozent. Es wird eng.

Die Sozialdemokraten von Kurt Beck geben sich gewiss, dass es die wilde Konkurrenz nicht ins Parlament schafft. "Wir werden sie draußen halten", heißt es bei der SPD. Zum einen vertraut man auf Beck, den ehemaligen Gewerkschafter, der sich selbst um Soziales kümmert. Zum anderen blickt man mit Wonne auf den pausenlosen Zank der Linken. "Viel Freude bei der Selbsthinrichtung", sagte Beck dazu unlängst.

Der vergangene Sommer war ein peinlicher Höhepunkt für die Linken. Unter großem Lärm trat Landeschef Alexander Ulrich zurück, der noch als einer der Organisierteren galt und den Landesverband "professionalisieren" wollte. Es ging wie üblich um Posten. Beim Erstellen der Landesliste für die Wahl seien "ganze Regionen" von Rheinland-Pfalz nicht berücksichtigt worden, klagte der Bundestagsabgeordnete. Er sehe keine Chance für einen erfolgreichen Wahlkampf, verkündete der Parteichef - und ging ab. Nicht ohne der Linken noch zu bescheinigen, sie sei "tief gespalten". Einige forderten sogleich seinen Ausschluss. Ein Schlichter aus dem Saarland musste herbeieilen.

Abtritte und Austritte sind ein Leitmotiv der rheinland-pfälzischen Linken. Mancherorts zog sie in den vergangenen Jahren in die Stadträte ein - um sich sogleich heillos zu zerstreiten. "Ich wurde mit wiederkehrender Regelmäßigkeit ignoriert", klagte im Juni ein linker Stadtrat von Ludwigshafen über seine einzige Fraktionsgenossin. Er kündigte die Fraktion auf. In Ludwigshafen kommt es auch sonst zu denkwürdigen Szenen: Bei einem Parteitag gingen sich 2008 die Linken "nach stundenlanger Schreierei", wie es ein Augenzeuge nennt, an die Gurgel. Die Polizei musste die verfeindeten Genossen trennen. Es habe "blanker Hass" geherrscht. Aus Protest kündigte später ein Linke-Funktionär an, in den Hungerstreik zu treten.

"Wir müssen die interne Selbstbeschäftigung sofort beenden"

In Trier fühlt sich ein linker Stadtrat ebenfalls von seiner Partei gemobbt. Auf seiner Homepage berichtet er von "Einbrüchen, Diebstählen, Sachbeschädigungen, mutwilligen Zerstörungen sowie ehrverletzenden Beschimpfungen und üblen Beleidigungen". Damit zerplatzte auch die zweiköpfige Fraktion im Trierer Stadtrat. Der Lehrer wurde aus der Partei geworfen.

Diese Liste lässt sich fortführen, auch in Mainz oder Neuwied überziehen sich Mitglieder der "konsequent sozialen" Partei ziemlich konsequent mit Mobbingvorwürfen und Austrittsverfahren. So klingt der Appell der Landeschefs Elke Theisinger-Hinkel und Wolfgang Ferner eher hilflos: "Wir müssen die interne Selbstbeschäftigung sofort beenden", schrieben sie zum Jahreswechsel an ihre Genossen. Wer mit wem noch eine offene Rechnung habe, interessiere schließlich "keinen Wähler und keine Wählerin".

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