Die Linke:Auf dem Friedhof der Karteileichen

Es geht um Einfluss, um Geld - und um Parteichef Klaus Ernst. Haben er und seine bayerischen Gewerkschaftsfreunde geschummelt? Das Problem der Karteileichen ist über Parteigrenzen hinweg weit verbreitet, doch die Linke muss nun ihre Listen überprüfen.

J. Bielicki, P. Blechschmidt und D. Stawski

Der Bundesvorstand der Partei Die Linke weist Vorwürfe des bayerischen Landesschatzmeisters Ulrich Voß über manipulierte Mitgliederkarteien zurück. Diese Vorwürfe sollten nur dazu dienen, dem aus Bayern stammenden Parteivorsitzenden Klaus Ernst zu schaden, sagte dessen Ko-Vorsitzende Gesine Lötzsch am Montag in Berlin nach einer Sitzung des Geschäftsführenden Bundesvorstands.

Bundesparteitag Die Linke in Essen

Abstimmung beim Bundesparteitag der Linken in Essen im Jahr 2009: Angeblich kam Parteichef Klaus Ernst eine falsche Mitgliederliste bei seiner Wahl zugute.

(Foto: dpa)

Ernst, der auch wegen seiner Einkünfte als Parteichef und Mitglied des Fraktionsvorstands in der Kritik steht, nahm an der Sitzung nicht teil; er befinde sich im "wohlverdienten Urlaub", sagte Lötzsch.

Der Vorstand hatte sich von der bayerischen Landeschefin Eva Mendl über die Vorwürfe berichten lassen. Laut Lötzsch versicherte Mendl, dass die Mitgliederkarteien regelmäßig überprüft würden. Mitglieder, die sechs Monate lang keinen Beitrag bezahlt hätten, würden gemahnt und bei Ausbleiben einer Reaktion ausgeschlossen.

Zu welchem zahlenmäßigen Ergebnis diese "Bereinigungen" in Bayern geführt haben, konnte Lötzsch nicht sagen. Voß wirft den Unterstützern von Ernst vor, auf Basis sogenannter Karteileichen zu viele Delegierte zu Parteitagen entsandt und Personalentscheidungen manipuliert zu haben.

Die Diskussion zeigt, wie schwer es den Parteien fällt, ihre Mitgliederlisten zu pflegen. Nicht nur bei den Linken wimmelt es offenbar von Karteileichen. Der Münchner Bezirksverband der CSU kündigte jüngst an, in den Listen aufzuräumen. Dort könnten bis zu 1000 der 7000 Mitglieder Karteileichen sein. Der Drang, die Liste zu bereinigen, hielt sich in Grenzen, schließlich verliert der Verband bei sinkender Mitgliederzahl Einfluss auf Parteitagen.

Aber die Münchner CSU kennt das Phänomen der Scheinmitglieder, mit deren Hilfe parteiinterne Seilschaften um Posten kämpfen, nur zu gut. Die damalige Kultusministerin Monika Hohlmeier stolperte 2005 über eine Affäre, die damit begann, dass sich von ihr gedeckte Jungpolitiker mit Hilfe von gekauften Neumitgliedern und gefälschten Mitgliedsanträgen Mehrheiten in Parteigremien verschafften.

Karteileichen machen aber nicht nur in Bayern Probleme. Erst vor wenigen Tagen brach die Zahl der Linken im Saarland von 3500 auf etwa 2500 ein. Es gab keine Austrittswelle, es wurde nur mal nachgeschaut, wer überhaupt noch zahlt. In den Listen fanden sie 1070 säumige Mitglieder, 200 zahlten dann doch noch. Die anderen fliegen wohl von den Listen.

Wer nicht zahlt, fliegt

Auch die Grünen im Saarland kämpften vor kurzem wie jetzt die bayerischen Linken mit Manipulationsverdacht. Ihrem Landeschef Hubert Ulrich wurde vorgeworfen, er halte die Mitgliederzahl in seinem Heimatverband Saarlouis künstlich hoch. Deshalb drängte der Bundesvorstand den Landesverband bereits 2006, als einer der ersten der neuen zentralen Mitgliederverwaltung beizutreten.

Die Aufsicht über die Mitglieder hat jetzt also Berlin, eine neues Computer-Programm für 700.000 Euro wurde eigens angeschafft. Der Verdacht im Saarland hätte sich als falsch erwiesen, sagt Bundesschatzmeister Dietmar Strehl. Doch immer noch, schätzt er, seien bundesweit 14 bis 16 Prozent der angegebenen Mitglieder Karteileichen.

Anderswo ist der Friedhof der säumigen Zahler deutlich kleiner. Bei der SPD seien nur fünf Prozent der Mitglieder ihrer Zahlungspflicht nicht nachgekommen, sagt Bundesschatzmeisterin Barbara Hendricks. Die CDU-Zentrale hat nach eigenen Angaben bei der letzten Reinigung ihrer Datenbestände Ende 2009 gar nur weniger als ein Prozent der Mitglieder wegen ausstehender Beiträge aus den Karteien gestrichen.

Wer nicht zahlt, fliegt - so regeln es eigentlich die Satzungen aller Parteien. Allerdings dürfen die Basisverbände die Beiträge auch ermäßigen, stunden oder auf Null setzen. Wie es um die Zahlungsmoral wirklich bestellt ist, lassen die Rechenschaftsberichte erkennen. Dort geben die Parteien an, wie viele Mitglieder sie haben und wie viel sie aus Beiträgen einnehmen.

Laut den offiziellen Zahlen für 2008 führen ausgerechnet die Linken im Schnitt die höchsten Beiträge an ihre Partei ab: durchschnittlich 130 Euro im Jahr. Ein CSU-Mitglied überweist im Schnitt nur 59 Euro. Die anderen Parteien liegen dazwischen: 127 Euro zahlt ein Grüner, 109 Euro ein Liberaler, 90 Euro ein Sozialdemokrat und 79 ein Christdemokrat. Das zeigt, wie hoch die Mitglieder ihre eigenen Einkommen ansetzen, nach denen die Beiträge in allen Parteien gestaffelt sind. Aber es können eben auch Karteileichen sein, die den Schnitt drücken.

Was Parteien aus der staatlichen Parteienfinanzierung bekommen, richtet sich ohnehin nicht nach der Mitgliederzahl, sondern danach, was an Beiträgen zusammenkommt. Der Staat steuert jedem Euro, den eine Partei aus Beiträgen und Spenden erhält, 38 Cent bei.

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