Die Linke:Rechts überholt

Die Linke: Zwei Parteien für "Unzufriedenheitswähler" in harter Konkurrenz: Plakate von AfD und Linken für die Bundestagswahl 2021.

Zwei Parteien für "Unzufriedenheitswähler" in harter Konkurrenz: Plakate von AfD und Linken für die Bundestagswahl 2021.

(Foto: Christian Schroedter/Imago)

Als es die AfD noch nicht gab, ging es der Linken gut. Aber mittlerweile sprechen beide Protestwähler an - und die wandern in Massen von links nach rechts. Für die Linke ist das existenzbedrohend.

Von Roland Preuß, Berlin

Die Geschichte vom Niedergang der Linken lässt sich nicht erzählen ohne den Aufstieg der AfD. Gerade in den ostdeutschen Ländern fällt auf, wie die Alternative für Deutschland die Linke in den Parlamenten zum Teil verdrängt hat. Zuvor war diese in mehreren Ländern stärkste Oppositionskraft oder an der Regierung beteiligt. Alle im Bundestag vertretenen Parteien haben an die AfD verloren, die Linke jedoch besonders stark.

2009, da gab es die AfD noch nicht, hatte die Linke bei der Bundestagswahl noch 11,9 Prozent geholt, jetzt steht sie in Umfragen um die fünf Prozent - also am Abgrund. "Die Linke hat fast in derselben Größenordnung Wähler an die AfD abgegeben wie die Union, bei den vergangenen drei Bundestagswahlen sind unter dem Strich fast eine Million Wähler von der Linken zur AfD gewandert", sagt der Politologe Frank Decker von der Universität Bonn. "Die AfD hat eine entscheidende Rolle gespielt beim Abstieg der Linken", sagt Matthias Jung, Vorstand bei der Forschungsgruppe Wahlen.

Derzeit werden immer wieder inhaltliche Überschneidungen zwischen AfD und Linken diskutiert, vor allem bei der Haltung zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, wo aus beiden Parteien Verständnis für Russland und Kritik an der Nato zu hören ist. Doch natürlich gibt es weiterhin gravierende Unterschiede in den Forderungen der Parteien, etwa in der Wirtschaftspolitik. Entscheidend jedoch sei, dass beide "Unzufriedensheitswähler" ansprechen, wie der Rechtspopulismus-Experte Decker sie nennt, weniger die inhaltlichen Schnittmengen. "Hier haben sich zwei Parteien im Protestmilieu etabliert und dies beschränkt die Linke dauerhaft in ihrer Entwicklung", sagt Jung von der Forschungsgruppe Wahlen.

Mit der Flüchtlingskrise 2015 verstärkte sich die Abwanderung

Decker und Jung sehen in der Flüchtlingskrise 2015/16 einen wichtigen Hintergrund der Entwicklung. "Die Flüchtlingskrise hat hier die entscheidende Rolle gespielt, gerade im Osten", sagt Decker - und hat Wähler von der Linken, die auf eine großzügige Aufnahme von Geflüchteten pochte, zur AfD abwandern lassen, die für eine harte Linie in der Asylpolitik ist. Eine Rolle spielten zudem weitere gesellschaftspolitische Themen wie die Corona-Beschränkungen oder Klimaschutzmaßnahmen, sagt Decker.

Bei der AfD selbst sieht man sich als glaubwürdigerer Vertreter der einfachen Leute. "Die Wähler der Linken erkennen, dass sich die Linke nicht mehr für die Interessen der Arbeiter und sozial Schwachen einsetzt", sagt Co-Parteichef Tino Chrupalla. Unter Chrupalla versucht sich die in Teilen als rechtsextrem eingestufte AfD auch mehr sozialpolitisch zu profilieren. Man sei "keine Partei der Besserverdiener", sagt er, kämpfe gegen "Sanktionen und Wirtschaftskriege, die zu Teuerung führen", lehne "eine überzogene Klimaagenda" ab. "Eine solche Entwicklung würde die Lage für die Linke zusätzlich erschweren, weil die AfD ihren Wählern dann auch hier ein Angebot machen könnte", sagt Politologe Decker.

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