Die Karriere der Kristina Köhler:Merkels Mädchen

Der Jugend eine Chance: Die 32-jährige Kristina Köhler löst Ursula von der Leyen als Familienministerin ab. Die Aufsteigerin aus Wiesbaden fand schon mit zwölf Jahren Helmut Kohl klasse.

Hans-Jürgen Jakobs

So schnell können Karrieren laufen. Am vorigen Mittwoch noch saß sie in Hamburg auf einem Podium und diskutierte über "Familie, Bildung und Arbeit im Jahr 2034". Ihr Kommentar: "War sehr interessant!"

Die Karriere der Kristina Köhler: Merkels Mädchen: Ursula von der Leyen und ihre Nachfolgerin im Amt der Familienministerin - Kristina Köhler.

Merkels Mädchen: Ursula von der Leyen und ihre Nachfolgerin im Amt der Familienministerin - Kristina Köhler.

(Foto: Foto: dpa)

48 Stunden später ist aus der CDU-Bundestagsabgeordneten Kristina Köhler eine leibhaftige Bundesministerin geworden - und zwar für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Weil der Parteifreund Franz Josef Jung aufgrund früherer eklatanter Schwächen als Verteidigungsminister nicht mehr als Arbeitsminister zu halten war, wurde im Bundeskabinett ein großes Wechselspiel nötig.

Diese Rochade brachte Ursula von der Leyen ins Amt des zurückgetretenen Winzersohns Jung. Und das Ressort der Frau aus Niedersachsen wiederum ging an den neuen Shootingstar, an die 32-jährige Kristina Köhler. Weil der mächtige hessische Landesverband des Roland Koch unbedingt in der Mannschaft von Kanzlerin Angela Merkel vertreten sein musste, bekam die gebürtige Wiesbadenerin ihre Chance. Die blonde Diplom-Soziologin, seit 2002 im Bundestag, wurde Merkels Mädchen.

"Merkel hängt am Gängelband von Roland Koch und entscheidet wie die CSU nur nach Landsmannschaft: Einziges Kriterium ist die hessische Herkunft", urteilt die grüne Fraktionschefin Renate Künast.

Diltheyschule im Westend von Wiesbaden, eine graue Beton-Lehranstalt: Hier machte Köhler Abitur. Schon mit zwölf wollte sie in die Junge Union (JU) eintreten, nachdem sie vor dem Fernseher am 9. November 1989 die Mauer fallen sah. "Die anderen Mädchen schwärmten für Pferde, ich für Helmut Kohl", sagte sie einmal. Doch in die JU kam sie dennoch erst mit 14. Die Altersfrist! Ihre Aufkleber "I like Birne" provozierten die linken Lehrer an der Diltheyschule.

Später studierte sie in Mainz. Und in ihrer Heimatstadt Wiesbaden brachte sie es im Jahr 2000 in die Stadtverordnetenversammlung. Im Bundestagswahlkampf 2009 schlug sie dann im Wahlkreis Wiesbaden die bekannte SPD-Gegenkandidatin Heidemarie Wieczorek-Zeul, was der Parteiführung Respekt einflößte.

Jetzt bewahrheitet sich überraschend rasch, was der CDU-Politiker Ronald Pofalla schon früher prophezeite: Köhler zähle "zu den großen Nachwuchstalenten in der CDU". Sie gehöre zu den "jungen Köpfen in der Union, die man im Blick haben sollte".

In der Grundsatzkommission der CDU arbeitete Köhler mit daran, das verstaubte Familienbild der CDU zu modernisieren. In Wiesbaden wiederum brachte sie gemeinsam mit Oberbürgermeister Helmut Müller die bundesweit erste Integrationsvereinbarung zwischen muslimischen Gemeinden und der Stadt sowie Vereinen an den Start. Sie beinhaltet Werte wie religiöse Toleranz, Gleichberechtigung von Mann und Frau und ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Viel Respekt erarbeitete sich die Aufsteigerin im BND-Untersuchungsausschuss. Mit knappen, klaren Fragen setzte sie den in die Affäre verstrickten SPD-Politikern Frank-Walter Steinmeier und Otto Schily sowie dem Ex-Außenminister Joschka Fischer zu. "Klein, zierlich, zerbrechlich, ob die das packt?", dachte sich CDU-Fraktionschef Volker Kauder vorher - und bescheinigte ihr danach Detailwissen sowie "den nötigen Biss".

Kristina Köhler wiederum schätzt aus dieser Zeit den Ex-Innenminister Schily sowie den Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele. Den Kinofilm "Die Anwälte" mit den beiden sowie dem heutigen Rechtsextremisten Horst Mahler empfahl sie Freunden.

Diese Frau hat ihr Leben offenbar früh der Politik verschrieben. Sie ist ledig, und ganz auf die CDU fixiert. Als Vorbild nannte die Wiesbadenerin den hessischen CDU-Chef Koch, "einen der klügsten und modernsten Köpfe der CDU" (er hievte sie jetzt ins Kabinett), sowie die bisherige Familienministerin von der Leyen, weil sie sieben Kinder und ihre Karriere vereinbaren könne (sie wird nun durch Köhler ersetzt) und die Bundeskanzlerin selbst für ihren Führungsstil (sie wird ihre neue Chefin).

In den Tagesablauf packt Köhler nach eigenem Bekunden immer so viele Auftritte, dass der Zeitplan eng wird: "Ich lege mir die Termine immer so, alles andere ist ineffektiv."

Ihre Umwelt lässt sie durch heftige Twitter-Tätigkeiten am hektischen Leben teilhaben. Da muss sie mal "schnell zum Hauptbahnhof, um den letzten Zug zurück nach Berlin zu bekommen". Oder sie vermisst nach der Landung am Frankfurter Flughafen das Gepäck ("mein Koffer ist weg"). Oder hält die Rede zum 125. Jubiläum der Schreiner-Innung Wiesbaden. Nach der Trauerfeier für den verstorbenen Wiesbadener Rheumapapst Klaus Miehlke bedauert sie, dass er nach Angelika Thiels bereits der zweite bedeutende Wiesbadener sei, der in den letzten Wochen gestorben ist.

Die Frau bleibt Lokalpatriotin. Sie liebt das Joggen im Wiesbadener Kurpark, weg vom Teich, hin zur Blumenwiese.

Das neue Nesthäkchen des Kabinetts gehört zur "Pizza-Connection", einem Gesprächskreis, in dem junge Konservative und junge Grüne miteinander reden. Als sie einmal nach ihren Karriereplänen gefragt wurde, kokettierte sie noch: "Ah, jetzt wollen sie hören, dass ich Ministerin werden will."

Jetzt ist Kristina Köhler, die als Kind die Namen der Bundesminister auswendig gelernt hat, Merkels Mädchen - und am Ziel.

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