Die große Koalition und die Atomkraft:Hickhack um den Ausstieg

Auf dem G-8-Gipfel in Japan wird es auch um die Energien der Zukunft gehen, doch schon vorher gibt es innerhalb der großen Koalition Zoff: Die SPD pocht auf den Ausstieg aus der Atomenergie, die Union auf längere Laufzeiten.

Die rasant steigenden Öl- und Gaspreise haben den Streit zwischen Union und SPD über die Atomenergie neu angeheizt. Die SPD-Spitze warnte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntag, an dem vereinbarten Ausstieg zu rütteln. "Das ist doch unverantwortlich, solange die Frage nach der Entsorgung hoch radioaktiven Abfalls nicht gelöst ist", sagte SPD-Fraktionschef Peter Struck dem Tagesspiegel am Sonntag. Die Union dringt wegen steigender Energiepreise und für den Klimaschutz auf längere Laufzeiten von Atomkraftwerken.

Die große Koalition und die Atomkraft: Das Atomkraftwerk Biblis bei Nacht: Bleibt es beim geplanten Ausstieg?

Das Atomkraftwerk Biblis bei Nacht: Bleibt es beim geplanten Ausstieg?

(Foto: Foto: dpa)

Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) schloss den Bau neuer Meiler längerfristig nicht aus. Schavan forderte den "Ausstieg aus dem Ausstiegsbeschluss". "Es geht heute in Deutschland nicht darum, neue Kernkraftwerke zu bauen, aber wer kann sagen, ob das auch noch in zehn Jahren gilt?", sagte die CDU-Vize der Bild am Sonntag.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte der Zeitung, immer mehr Länder sehen "in der Kernenergie eine - zumindest vorübergehende - Lösung, um den Klimawandel zu stoppen und unsere Abhängigkeit von Öl und Gas zu verringern". Unions-Fraktionsvize Katherina Reiche (CDU) warf der SPD vor, zur "Partei der Strompreiserhöhung" zu werden, wenn sie sich einer Verlängerung der Laufzeiten widersetze.

Die SPD beharrt auf dem Ende der Kernkraftnutzung. "Daran muss sich auch Frau Merkel halten", sagte Struck. Wenn sie die Atomkraft zum Wahlkampfthema mache, werde sie keinen Erfolg haben. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil warnte in der Neuen Osnabrücker Zeitung, den Gesellschaftskonflikt um Atom wieder aufzureißen.

Der SPD-Politiker Erhard Eppler schlug der Union im Magazin Der Spiegel vor, der SPD ein Angebot zu machen: "Wenn die SPD bereit ist, einige Meiler länger laufen zu lassen, dann schreiben wir gemeinsam in die Verfassung, Atomkraftwerke werden nicht mehr gebaut." Es komme darauf an, die Atomenergie weltweit auslaufen zu lassen.

Großmann fordert Umkehr

RWE-Chef Jürgen Großmann rief die Regierung zur Umkehr auf. "Bei Kernenergie sind wir Deutschen derzeit der Geisterfahrer", sagte er der Bild-Zeitung laut Vorabmeldung. Deutschland verschenke damit Milliarden. Die übrigen G8-Länder wollten die Atomkraft ausbauen. Er sprach sich indirekt für neue Meiler aus. Deutschland müsse schleunigst umkehren.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte im Südwestrundfunk, der Energiekonzern RWE habe angeboten, Zusatzgewinne aus längeren Laufzeiten zu großen Teilen an die Kunden zurückzugeben.

Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) kündigte den Ausbau der Windenergie an. "Wir setzen auf regenerative Energien und nicht auf Atomkraft", sagte er der Welt am Sonntag. Nach dem Atomausstieg, der unter der rot-grünen Regierung vereinbart war, soll der letzte Meiler etwa 2022 vom Netz gehen. Die Atomkraft wird nur zur Stromproduktion verwendet. Der Anteil der Kernenergie lag 2007 lag bei 22 Prozent. Braun- und Steinkohle stellen den Großteil, den Rest teilen sich Erdgas sowie Heizöl und Pumpspeicher.

Rund 700 Menschen demonstrierten am Samstag vor dem Atommülllager Asse in Niedersachsen gegen eine geplante Flutung. Anwohner und Umweltschützer befürchten, dass radioaktive Stoffe an die Oberfläche gelangen könnten. Die Betreiber will das ehemalige Salzbergwerk bei einer Stilllegung fluten, wobei die eingelagerten 126.000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen im Endlager bleiben. Im Juni war bekanntgeworden, dass in dem Forschungsbergwerk radioaktive Salzlauge lagert, die die zulässigen Grenzwerte deutlich übersteigt.

Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn warnte, die ungelöste Endlagerung von Atommüll sei eines der gravierendsten Probleme der Atomkraft.

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