Süddeutsche Zeitung

Die Finanzkrise und ihre Folgen:Steinbrück fordert ein Ende der "Gier"

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Wider das "wahnsinnige Streben nach immer höherer Rendite": Finanzminister Peer Steinbrück will "neue Verkehrsregeln", um künftige Krisen zu vermeiden. Nach dem KfW-Debakel werden Forderungen nach einer Reform der Finanzaufsicht laut.

Die Bundesregierung hat die unverantwortliche Gier an den Finanzmärkten angeprangert und will mit schärferen Gesetzen und mehr Kontrolle gegensteuern. Die Gier, Kurzatmigkeit und das "wahnsinnige Streben nach immer höherer Rendite" müsse ein Ende haben, sagte Finanzminister Peer Steinbrück in einer Regierungsklärung vor dem Bundestag.

Um künftige Krisen zu vermeiden, seien "neue Verkehrsregeln" für die Finanzmärkte erforderlich, sagte Steinbrück. Er forderte unter anderem auf internationaler Ebene ein Verbot von rein spekulativen Leerkäufen.

Steinbrück kündigte an, dass er sich bei dem bevorstehenden G7-Treffen in Washington dafür aussprechen werde, dass Kreditrisiken nicht mehr zu 100 Prozent verbrieft und weitergegeben würden. "Das veräußernde Institut sollte verpflichtet werden, künftig bis zu 20 Prozent der eingegangenen Kreditrisiken in den eigenen Büchern zu behalten", sagte Steinbrück.

Außerdem unterstützte er eine "deutlich engere Zusammenarbeit zwischen dem Financial Stability Forum und dem Internationalen Währungsfonds". Zugleich betonte Steinbrück, dass die Banken weiterhin Risiken eingehen sollten - "aber nur solche Geschäfte, die sie mit ausreichend Eigenkapital unterlegen können und die in der Bilanz aufgeführt sind". Damit werden die Geschäfte unter anderem für die Aufsichtsbehörden transparenter. Auch müssten die verantwortlichen Akteure am Finanzmarkt stärker persönlich für Risikogeschäfte haften.

Die Grünen indes erneuerten ihre Forderung nach einem Untersuchungsausschuss zu den Finanzskandalen bei der Staatsbak KfW und verlangten eine Reform der Finanzaufsicht. Bereits am Vortag waren nach dem Debakel der KfW mit einer Millionen-Überweisung an die Pleite gegangene US-Bank Lehman Brothers Forderungen nach neuen Aufsichtsstrukturen lauter geworden.

Die Union will die KfW komplett der normalen Bankenaufsicht unterstellen und damit schärferen Regeln schaffen. Die SPD hatte sich am Mittwoch zurückhaltender gegeben und will Teile des KfW-Geschäfts bei der Rechtsaufsicht durch das Finanzministerium belassen. Steinbrück hatte im Bundestags-Haushaltsausschuss nach Teilnehmerangaben gesagt, sein Haus prüfe entsprechende Vorschläge.

"Sieben Landesbanken sind zu viel"

In der Regierungserklärung am Donnerstag lobte Steinbrück ausdrücklich die Stabilität des deutschen Bankensystems mit seinen drei Säulen - private Geschäftsbanken, Genossenschaftsbanken und Sparkassen. Dieses System müsse man auch gegenüber anderen ordnungspolitischen Vorstellungen, wie sie auch die EU-Kommission vertritt, verteidigen.

Die deutsche Finanzaufsicht Bafin sei sich sicher, dass die Institute die Verluste ausgleichen und die Sicherheit privater Ersparnisse gewährleisten könnten. Trotz Abschwungs und schärferer Kreditkonditionen gebe es bisher auch keine "Kreditklemme" für deutsche Unternehmen.

Auch der finanzpolitische Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, Otto Bernhard, lobte die Stabilität der deutschen Wirtschaft: "Die deutsche Wirtschaft ist enorm robust. Dennoch werden wir unsere Wachstumserwartung ein Stück zurücknehmen müssen", so der Finanzexperte. "Ich persönlich vermute, dass wir bei 0,9 Prozent landen werden".

Kritik hingegen kam von FDP-Finanzexperte Herrmann Otto Solms: Er warf Steinbrück vor, bei der milliardenschweren Rettung der angeschlagenen IKB-Bank öffentliche Gelder verbrannt zu haben.

Linksfraktionschef Oskar Lafontaine ging sogar so weit, Finanzminister Peer Steinbrück zum Rücktritt aufzufordern: "Er hat den Handel mit faulen Krediten nachdrücklich gefördert", sagte Lafontaine der Berliner Zeitung . "Wenn man so will, ist er verantwortlich dafür, dass der Schrotthandel in Deutschland groß geworden ist, der die IKB Pleite gehen ließ."

In seiner Regierungserklärung mahnte Steinbrück außerdem erneut die EU-Kommission, bei der Prüfung der Rettungshilfen für die Landesbanken wie die WestLB "verantwortungsvoll" vorzugehen. Dies bedeute allerdings nicht, dass bei den deutschen Landesbanken alles beim Alten bleiben könne.

An die Adresse der Bundesländer sagte er unter dem Applaus der Abgeordneten: "Sie müssen regionale politische Egoismen überwinden und sich endlich überregionalen Zusammenschlüssen öffnen." Es brauche keine sieben Landesbanken.

Ähnlich äußerte sich die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Christine Scheel: "Wir brauchen nicht so viele Landesbanken und wir haben auch festgestellt, dass die Landesbanken das falsche Geschäftsmodell haben."

Auf Seite 2: Steinbrück über das massive Versagen der USA

Deutliche Worte fand Steinbrück insbesondere gegenüber den USA: Diese seien Ursprungsort und Schwerpunkt der Krise, schließlich seien dort immens riskante Immobilien- und Kreditgeschäfte betrieben worden, sagte Steinbrück. Es gehe um die unverantwortliche Überhöhung eines zügellosen Renditestrebens ohne ausreichende Regulierung. "Wer Licht am Ende des Tunnels sieht, sieht die Lichter des herannahenden Zugs", sagte Steinbrück.

In Folge der Finanzkrise erwartet er tiefgreifende Veränderungen: "Niemand sollte sich täuschen: Die Welt wird nicht wieder so werden wie vor dieser Krise", sagte der SPD-Vize in seiner Regierungsklärung. "Die USA werden ihren Status als Supermacht des Weltfinanzsystems verlieren", prophezeite er.

Der Minister erteilte erneut Forderungen eine Absage, auch in Deutschland ein ähnliches Rettungspaket für marode Banken aufzulegen wie in den USA. Die US-Regierung will mit einem 700-Milliarden-Dollar-Paket die Bankenkrise entspannen. "Die Finanzmarktkrise ist vor allem ein amerikanisches Problem", sagte Steinbrück.

Sauer zeigte er sich über den Titel des Magazins Newsweek, das den US-Finanzminister Henry Paulson als "King Henry" feiert, obwohl dieser in seiner Zeit als Boss der Investmentbank Goldman Sachs einer der Profiteure der grenzenlosen Gier an der Wall Street gewesen sei. Er und die anderen Beteiligten an der Rettung der IKP würden dagegen als "Zusammenrottung von Ignoranten" verunglimpft.

Auftrieb für soziale Marktwirtschaft

Eine ähnliche Haltung zum US-Rettungsplan hat der CDU-Politiker Bernhard: "Wir sehen keinen Anlass, uns an den 700 Milliarden zu beteiligen." Den Standpunkt der G7 - ohne die USA -, die das Finanzprogramm ablehnen, bestätigte Bernhard: "Die Position werden wir durchhalten."

Steinbrück warf den USA schwere Versäumnisse vor. So seien die US-Amerikaner bei der Einführung der strengeren Eigenkapitalregeln nur sehr zögerlich vorgegangen. Zudem seien die Investmentbanken nicht ausreichend reguliert und die Aufsicht in den USA stark zersplittert. "Dieses in weiten Teilen unzureichend regulierte System bricht gerade zusammen."

Die Fernwirkungen der Krise seien derzeit nicht absehbar, sagte Steinbrück. "Eines scheint mir aber wahrscheinlich: Das Weltfinanzsystem wird multipolarer. In der neuen Finanzmarktwelt werden Staatsfonds und Handelsbanken aus Asien oder dem Nahen Osten ebenso ihren Anteil haben wie europäische Banken mit ihrem Universalbankenmodell - ein Modell, das sich übrigens dem amerikanischen Trennbankenmodell gerade jetzt als überlegen erwiesen hat", sagte er.

Deutschland müsse sich in nächster Zeit weltweit auf niedrigere Wachstumsraten und - zeitlich verschoben - eine ungünstigere Entwicklung auf den Arbeitsmärkten einstellen. Sparer in Deutschland bräuchten sich über ihre Einlagen aber derzeit nicht zu sorgen.

Der Finanzminister glaubt, dass die Finanzmarktkrise die Idee der sozialen Marktwirtschaft auf lange Sicht weltweit stärken könnten. Die Krise zeige die Notwendigkeit von staatlichen Handeln, das den Märkten Spielregeln und Grenzen setzen müsse, sagte er.

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