Die FDP nach dem Westerwelle-Rücktritt:Der Nachwuchs muss ran

Rösler? Lindner? Bahr? Den Liberalen fehlt es nicht an Nachwuchstalenten. Aber die Jungen zögern noch mit dem Griff nach der Macht. Und altgediente FDP-Größen wie Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Birgit Homburger wollen sich nicht kampflos beiseiteschieben lassen.

Peter Blechschmidt

Guido Westerwelle war kaum von der Bühne des Thomas-Dehler-Hauses in Berlin abgetreten, da war der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Daniel Bahr am Sonntagabend schon mit einer Danksagung auf dem Markt. Dank Westerwelles langjähriger, äußerst erfolgreicher Arbeit habe die FDP "zu einer bislang nie gekannten Stärke gefunden", ließ Bahr erklären. Das ist Vergangenheit, ebenso wie mit dem Parteitag Mitte Mai in Rostock der Vorsitzende Westerwelle nach zehn Jahren an der Spitze der Partei Vergangenheit sein wird. In diesen Tagen ist die FDP - wieder einmal in ihrer wechselvollen Geschichte - auf einem Tiefpunkt angelangt. Da klingen Dankesbezeugungen wie jene Bahrs fast wie Hohn.

Der 34-Jährige gehört zu jenem Trio junger Aufsteiger, das von vielen als der Nukleus der künftigen FDP-Führung angesehen wird. Schon in der zurückliegenden, immer quälender werdenden Debatte um den Rückzug Westerwelles richteten sich die Blicke auf Bahr, Gesundheitsminister Philipp Rösler und Generalsekretär Christian Lindner. Auch Westerwelle gab in seiner kurzen Rückzugserklärung einen Fingerzeig, als er sagte, der Abschied vom Vorsitz falle ihm in Teilen auch deshalb leicht, "weil eine ganze Anzahl von jungen Persönlichkeiten bereitsteht, auch in die Führung der Partei aufzurücken und die Führung der FDP zu übernehmen".

"Die Jungen müssen jetzt ran", sagte am Sonntag ein Parteiveteran. Aber die Jungen zögerten bis jetzt. Sie scheuten sich, den Vorsitzenden Westerwelle zum Amtsverzicht zu drängen, wie es viele in der Partei von ihnen erwartet hatten. Alle drei sind erklärtermaßen wegen Westerwelle in den neunziger Jahren in die Politik gegangen. In Erinnerung daran nannten sie sich mal die "94er". Ihre steilen Karrieren verdanken sie nicht zuletzt der Förderung durch den Chef.

Sie zögerten aber auch, weil sie sich untereinander wohl noch nicht auf ein gemeinsames Konzept einigen konnten. Weder Bahr noch Lindner ließen in den vergangenen Wochen und Monaten Ambitionen auf den Parteivorsitz erkennen. Lindner ist erst seit Anfang vorigen Jahres Generalsekretär, außerdem erst seit der Wahl 2009 im Bundestag. Er ist ein brillanter Kopf und mitreißender Redner. Als Chef der Programmkommission ist er zuständig, der Partei ein neues inhaltliches, programmatisches Fundament zu schaffen. Ob er mit seinen 32 Jahren allerdings in der Koalitionsrunde einer Angela Merkel oder einem Horst Seehofer Paroli bieten könnte, wird auch von Wohlmeinenden in der Partei bezweifelt.

Bahr führt seit Ende vorigen Jahres den Landesverband Nordrhein-Westfalen, nachdem der dortige Vorsitzende Andreas Pinkwart seine Rückkehr an die Hochschule angekündigt hat. Gleichzeitig ist Bahr Parlamentarischer Staatssekretär unter Rösler im Berliner Gesundheitsministerium, wo er als ausgewiesener Experte gilt.

Die meiste Regierungserfahrung unter den Dreien hat Rösler, weshalb sich auch viele Erwartungen auf ihn konzentrieren. Der ausgebildete Mediziner ist Vorsitzender des FDP-Landesverbandes Niedersachsen, war in Hannover Fraktionschef und Wirtschaftsminister, bevor er 2009 das Gesundheitsministerium übernahm. In jüngster Zeit hieß es, Rösler halte eine Kombination Parteichef-Gesundheitsminister für nicht angemessen. Er strebe deshalb ins Wirtschaftsministerium, das aber der jetzige Hausherr Rainer Brüderle nicht hergeben will. Hübscher Nebeneffekt für Bahr wäre, dass er Rösler als Minister beerben könnte.

Ebenso wie Brüderle ist auch Präsidiumsmitglied und Bundestagsfraktionschefin Birgit Homburger entschlossen, sich von den Jungen nicht kampflos beiseite schieben zu lassen. Auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger dürfte im Präsidium weiter ein gewichtiges Wörtchen mitreden wollen.

Damit ist noch genug Stoff für parteiinterne Querelen vorhanden. Vielleicht ist ein Rat des schon erwähnten Parteiveteranen gar nicht so falsch. Man solle, meinte er, doch erst einmal die Haltung der Partei in Sachfragen klären und dem Parteitag zur Entscheidung vorlegen. Dann könne man sehen, wer sich diese Positionen zu eigen mache und nach außen glaubwürdig vertrete. Den oder die würden die Delegierten dann wählen.

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