Die EU und Osteuropa:Union der Spaltpilze

Die Länder Osteuropas profitieren von der Europäischen Union, ohne geben zu wollen - das sät Zwietracht.

Cerstin Gammelin

Ein Satz genügt, um Zeugnis zu geben von einem grandiosen Krach in der Europäischen Union, um eine tiefe Kluft zu offenbaren. Der polnische Finanzminister Jan Rostowski behauptet, es sei "überhaupt nicht hinnehmbar, dass die armen Länder Europas den reichen Ländern Europas helfen sollen, die armen Länder der Welt zu unterstützen".

Europäischen Union Brüssel ddp

Eine Fahne, viele Interessen: Die EU leidet unter der Politik der osteuropäischen Mitgliedsstaaten

(Foto: Foto: ddp)

Mit diesem Satz erteilt er nicht nur der europäischen Klimapolitik eine Absage, weil er die Schutzhilfen der Union verweigert. Er macht auch erstaunlich schonungslos klar, wie tief die Union fünf Jahre nach ihrer großen Osterweiterung gespalten ist und welches Anspruchsdenken in ihren Reihen regiert.

Destruktiv und blamabel zugleich

Die neuen EU-Mitgliedsstaaten fordern ihre westlichen Partner bei jeder Gelegenheit auf, solidarisch zu sein. Kommt es aber darauf an, selbst Großzügigkeit walten zu lassen, dann fallen die mittel- und osteuropäischen Länder ganz schnell in ihre alten Rollen zurück. Dann sind sie die armen Opfer, die vierzig Jahre unter kommunistischer Diktatur gelitten haben, während der Westen in Freiheit erblühen konnte.

Vor zwanzig Jahre hat sich der Eiserne Vorhang gelüftet, vor fünf Jahren wurden diese Staaten in die Union aufgenommen - und heute ist ihre Haltung noch immer destruktiv und blamabel zugleich.

Gerade Polen sollte sich daran erinnern, dass es vor allem nur deshalb schon 2004 der Union beitreten konnte, weil sich andere Länder solidarisch verhielten. Damals drückten die Westeuropäer beide Augen zu, um das Land für ,,europareif'' zu erklären.

Und Kandidaten wie Ungarn, die die Aufnahmekriterien längst erfüllt hatten, mussten sogar länger auf ihre Aufnahme warten, weil aus politisch-diplomatischen Erwägungen heraus das große Land Polen nicht später als das kleine Ungarn in die Union aufgenommen werden konnte.

Zu hoch gepokert

Seither wurden viele Milliarden Euro aus dem europäischen Haushalt in Polen, Ungarn, Bulgarien, Tschechien und Rumänien investiert. Fast die Hälfte des Geldes, das die Union zwischen 2007 und 2013 für neue Straßen, Schienen oder öffentliche Einrichtungen ausgibt, fließt in die neuen Mitgliedsländer.

Das ist wiederum nur möglich, weil Länder wie Spanien, Portugal oder Italien verzichten. Und auch beim Klimaschutz haben die neuen Länder im vergangenen Jahr Sonderwünsche durchgesetzt, die westliche EU-Partner einige Milliarden Euro zusätzlich kosten werden.

Die jetzt geäußerte Vorstellung, überhaupt keinen Euro an die Entwicklungsländer der Welt zu zahlen, kommt einer Erpressung gleich. Entweder die westlichen Partner übernehmen erneut die gesamte Zeche - oder die Union kann ihr Versprechen nicht erfüllen, den Entwicklungsländern finanziell zu helfen, um sich vor den Folgen des Klimawandels zu schützen. Im Ergebnis wird der Graben zwischen West und Ost vertieft, Europa wird handlungsunfähig.

Dieses Mal pokern die Polen und ihre Verbündeten zu hoch.

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