Die Bundeswehr in Afghanistan:Der Eisenharte

General McChrystal, der die Afghanistan-Truppe führt, fordert von der Bundeswehr, aus ihren geschützten Feldlagern herauszukommen - auch wenn diese Strategie erhöhte Risiken birgt.

Peter Blechschmidt, Berlin

Zweimal war sein Besuch wegen der Sperrung des Luftraums abgesagt worden. Dann machte sich der Oberkommandierende der Internationalen Afghanistan-Schutztruppe Isaf, der US-General Stanley McChrystal, per Bus auf den Weg von Paris nach Berlin. Nach 14-stündiger Fahrt schaffte er es am Mittwoch doch noch in die Bundeshauptstadt zu Gesprächen mit dem Verteidigungs- und dem Außenminister sowie mit den Mitgliedern des Auswärtigen und des Verteidigungsausschusses im Bundestag.

General Stanley A. McChrystal, ISAF, Getty Images

General Stanley A. McChrystal will den "Krieg um die Wahrnehmung" gegen die Taliban und für sich entscheiden. Zivile Opfer behindern das.

(Foto: Foto: Getty Images)

Er sei nicht gekommen, um mehr Truppen zu fordern oder die deutsche Öffentlichkeit auf mehr tote Bundeswehr-Soldaten einzustimmen, sagte McChrystal. Er wolle Politikern und Meinungsführern erläutern, was der Westen in Afghanistan tue, und ihnen dabei "in die Augen sehen".

Acht Reihen Ordensspangen und kein Gramm Fett

Der 55 Jahre alte Vier-Sterne-General ist eine beeindruckende Erscheinung. Die knapp sitzende grüne Uniform lässt erkennen, dass der asketische Mann kein Gramm Fett am Körper hat. Acht Reihen Ordensspangen bedecken die linke Brustseite und dokumentieren eine außergewöhnliche Karriere, die wegen vieler Spezialeinsätze weitgehend geheim gehalten wird. Der klare Blick ist fest auf den Gesprächspartner gerichtet. Was er zu sagen hat, ist on the record, darf also zitiert werden. Verschwiemelte Quellenangaben sind nicht seine Sache.

Immer wieder gibt es Berichte, wie unzufrieden die Verbündeten mit dem Operieren der Deutschen in Afghanistan seien. Unvergessen ist, wie sehr sich McChrystal über den deutschen Oberst Georg Klein aufgeregt hat, der den Luftschlag gegen die beiden entführten Tanklaster bei Kundus Anfang September vorigen Jahres befohlen hatte.

Dass dabei auch Unbeteiligte getötet wurden, stand im klaren Widerspruch zur Direktive McChrystals, dessen oberstes Ziel in Afghanistan es ist, den "Krieg um die Wahrnehmung" durch die afghanische Bevölkerung gegen die Taliban und für sich zu entscheiden. Da bewirken zivile Opfer genau das Gegenteil.

"Unglaublich stolz"

Im Beisein seines Stabschefs, des deutschen Generalleutnants Bruno Kasdorf, fand der Isaf-Kommandeur am Mittwoch in Berlin nur lobende Worte über die Bundeswehr. Hohe Professionalität, Mut und Hingabe bescheinigte McChrystal den Soldaten. "Bis hinunter zum letzten Mann" sei er "unglaublich stolz" auf das, was die Deutschen geleistet hätten und noch leisteten. Den gefallenen deutschen Soldaten sprach er seinen Dank, ihren Angehörigen sein Mitgefühl aus.

Zur Wertschätzung der Bundeswehr zählt auch die Versicherung McChrystals, dass die Deutschen das Oberkommando über den Norden behalten würden. Er habe kein Problem damit, die demnächst in Nord-Afghanistan eingesetzten 5000 US-Soldaten der deutschen Führung zu unterstellen - auch dies eine Ansage, die im politischen Berlin gern bezweifelt wird, die Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg nach seinem "sehr guten und intensiven Gespräch" mit dem General aber ausdrücklich bestätigte und mit der Ankündigung honorierte, der Posten des Regionalkommandeurs im Norden werde künftig mit einem Zwei-Sterne-General statt wie bisher mit einem "Ein-Sterner" besetzt.

Raus aus den Feldlagern

McChrystals Strategie der Aufstandsbekämpfung, der Counter-Insurgency, ist mehr als bloße Bekämpfung von Taliban oder anderen Guerilleros. Ihm geht es darum, Zonen dauerhafter Sicherheit zu schaffen, in denen die Menschen ein friedliches Leben führen können. Kern dieser Strategie ist der partnerschaftliche Einsatz von Isaf-Truppen mit afghanischen Sicherheitskräften in der Fläche. Das bedeutet, die Soldaten müssen raus aus ihren geschützten Feldlagern. "Je höher die Mauern deiner Burg sind, desto weniger Kontakt hast du zu den Menschen", sagte McChrystal.

Doch diese Strategie, die vom Herbst an auch die Bundeswehr-Soldaten anwenden sollen, birgt erhöhte Risiken. Daraus macht der eisenharte General seit langem kein Hehl. Seine Rolle sei es aber nicht, die deutsche Öffentlichkeit darauf einzustimmen, dass es künftig mehr tote Soldaten geben könne, sagte McChrystal in Berlin. Als "Opfer" wolle er die gefallenen deutschen Soldaten nicht verstanden wissen. Sie seien gestorben, weil sie die afghanische, aber auch die deutsche Bevölkerung hätten schützen wollen.

Bei den Gefechten am Karfreitag, bei denen drei Bundeswehr-Soldaten gefallen sind, hatten amerikanische Hubschrauberbesatzungen die deutschen Verwundeten geborgen. Zum Dank dafür verlieh Guttenberg den 14 beteiligten US-Soldaten das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold. McChrystal nahm die Auszeichnungen in Berlin entgegen und wird sie mit nach Kabul nehmen.

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