Süddeutsche Zeitung

Die Beraterin:Das Misstrauen ist sehr groß

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Christina Riebesecker engagiert sich ehrenamtlich für die Refugee Law Clinic in Leipzig - als Brückenbauerin zwischen Flüchtlingen und Behörden.

"Man bekommt große Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit in Deutschland." Christina Riebesecker erlebt unmittelbar, was schiefläuft. Immer wieder kriege sie Bescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge auf den Tisch, die mal schlampig geschrieben, mitunter sogar fehlerhaft seien, und das schon in ganz formalen Punkten: Angaben zu Herkunftsland, Religion, Volkszugehörigkeit, Geschlecht. Mitunter funktioniere, gleich zu Beginn des Verfahrens, nicht mal, dass die Einladung zur Anhörung rechtzeitig ankommt. Das könne bedeuten, dass das Asylverfahren endet, ehe es wirklich angefangen hat, wegen angeblich fehlender Mitwirkung des Flüchtlings.

In der Refugee Law Clinic Leipzig ist Riebesecker aktiv, der Verein begleitet Flüchtlinge während des Verfahrens. "Ohne die Hilfe der Ehrenamtlichen würde es nicht gut ausgehen für die Flüchtlinge." 90 Prozent ihrer Arbeit, schätzt sie, verwende sie für den Kontakt zu Behörden, sie hat vor allem in Sachsen ihre Erfahrungen gesammelt. Gewiss, es gebe viele freundliche, engagierte Mitarbeiter, aber eben auch das Gegenteil: Ein Klima der Konfrontation, des "institutionelles Misstrauens" erlebe sie in den Ausländerämtern etwa, zu oft sei die Grundfrage in den Ämtern: Wie finde ich heraus, dass dieser Mensch, der Flüchtling, lügt?

Wie sich die Asylpolitik geändert habe in den vergangenen zwei Jahren, so habe sich auch die Helferszene gewandelt. Viele seien abgesprungen, und von denen, die bei der Stange bleiben, hätten sich viele politisiert. "Man wird wütender", sagt Riebesecker. Viele wollten nicht mehr nur helfen, sondern politisch auch etwas bewegen: Nicht einfach hinnehmen, was sie als Abwehr und Gängelung der Flüchtlinge erleben. Deshalb reagierten sie mit harscher Kritik am Staat: "Die Politik", sagt Christina Riebesecker, "muss sich fragen, was es bedeutet, wenn ein Teil der Bürger am Staat zweifelt."

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Quelle:
SZ vom 31.08.2017
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