Süddeutsche Zeitung

Didier Reynders macht Blackfacing:Sie haben da was im Gesicht, Herr Minister

  • Der belgische Außenminister Didier Reynders hat sich bei einer Parade der wohltätigen Vereinigung "Les Noirauds" am vergangenen Wochenende das Gesicht schwarz angemalt.
  • Nach einem Beitrag des TV-Senders France 2 am Mittwoch kritisieren zahlreiche Menschen in den sozialen Netzwerken Reynders' Auftritt. Auch Human Rights Watch äußert sich empört.
  • Die Mehrheit der Belgier kann die Aufregung nicht nachvollziehen.

Von Jessica Kneißler

Didier Reynders, Außenminister von Belgien, twitterte am vergangenen Montag stolz ein kontrastreiches Foto von sich: Eine weiße Hutkrempe nebst ebenso weißer Rüschkrause umrahmen Reynders' bis ins feinste Augenfältchen schwarz geschminkte Gesicht. "Les noirauds en ballade" schreibt Reynders dazu, frei übersetzt: "Die Schwarzen bei der Parade."

Die Schwarzen, das sind in diesem Fall also "Les Noirauds", eine belgische Wohltätigkeitsvereinigung mit Tradition. 1876 gegründet, sammeln die Mitglieder bei ihrem traditionellen Umzug durch Brüssel Geld für benachteiligte Kinder, indem sie in gehobenen Restaurants Spenden einsammeln. Auch der liberale Außenminister war diesmal dabei, ebenso der sozialistische Brüsseler Bürgermeister Yvan Mayeur. Ihr Kostüm, komplettiert durch giftgrüne Hosen, soll an "afrikanische Adelsmänner" erinnern. Die Absicht der Maskerade sei zudem, unerkannt zu bleiben, erklären die Noirauds.

Der Sturm der Empörung ließ zwei Tage auf sich warten. Ein am Mittwoch ausgestrahlter Beitrag des französischen Fernsehsenders France 2, bei dem der Moderator seine Verwunderung über einen derart hochgestellten Politiker in der Aufmachung eines "afrikanischen Stammeshäuptlings" kundtut, änderte das.

Das sogenannte "Blackfacing" sorgt in Belgien schon seit Längerem für Kontroverse. Der zum "Anglizismus des Jahres" 2014 gewählte Begriff bezeichnet die Darstellung schwarzer Menschen durch (häufig stereotyp) geschminkte Weiße. Vor allem die Figur des "Zwarte Piet", der Helfer des niederländischen Nikolauses, steht immer wieder als Symbol kolonialer Stereotype in der Kritik.

Aus einer "launigen und wohlwollenden Gemütsverfassung" heraus

"Shame on you", "schämen Sie sich", lauten die harmloseren Kommentare, die sich in den vergangenen Tagen in den sozialen Netzwerken häuften. Auch US-Schauspielerin Mia Farrow retweetete Reynders' Parade-Bild mit diesem Zusatz und ließ die Empörung so über den Ozean schwappen.

Auf seiner Homepage erklärte Didier Reynders, in einer launigen und wohlwollenden Gemütsverfassung an der Parade teilgenommen zu haben. Dieses Gefühl will manch andere in diesem Zusammenhang nicht überkommen. Wouter Van Bellingen, Vorsitzender des belgischen Minderheitenforums, findet den Auftritt "erbärmlich". Peter Bouckaert von Human Rights Watch stellt via Twitter die Frage an Reynders, ob er sich beim nächsten Treffen mit führenden afrikanischen Politikern ebenfalls in diesem Aufzug präsentieren wolle.

Nicht alle verstehen die Aufregung. Vor allem nicht die Belgier. "Shame on you, Mia Farrow", twittert ein Traditionalist und verteidigt "die älteste belgische Vereinigung, die jeder in Belgien liebt und die unseren Kindern hilft". Viele Brüsseler teilen diese Ansicht. Die Parade gehört für viele Belgier wie auch der Schwarze Piet zum folkloristischen Brauchtum. Und auch die Noirauds freuen sich selbstbewusst auf ihren 140. Geburtstag im kommenden Jahr. Tradition bleibt Tradition.

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