Süddeutsche Zeitung

Corona-Krise:Keine Diätenerhöhung für Bundestagsabgeordnete

Lesezeit: 2 min

Von Robert Roßmann, Berlin

Es kommt nicht oft vor, dass der Vorsitzende der Linksfraktion und der Chef des CDU-Wirtschaftsflügels dasselbe wollen - normalerweise sind Dietmar Bartsch und Carsten Linnemann im Berliner Politikbetrieb Antipoden. Was der eine will, lehnt der andere ab - und umgekehrt. Doch in dieser Sache ziehen die beiden ausnahmsweise an einem Strang. Bisher ist vorgesehen, dass die monatlichen Diäten zum 1. Juli um gut 260 Euro erhöht werden. Doch Bartsch und Linnemann halten das für einen Fehler. "Die Corona-Krise wird den Menschen in Deutschland noch sehr viel abverlangen", sagt Linnemann. "Es drohen Arbeitsplatzverluste, viele Existenzen stehen auf dem Spiel - da ist es nur gerecht, wenn der Bundestag auf die diesjährige Diätenerhöhung verzichtet." Bartsch sieht das genauso. "In Zeiten der Corona-Krise mit finanziellen Einbußen für Millionen Menschen wäre das ein kleines, ja symbolisches Zeichen der Solidarität", sagt der Fraktionschef der Linken.

Linnemann und Bartsch stehen dabei nicht alleine. Einen Verzicht auf die Diätenerhöhung kann zwar nur der Bundestag beschließen - und der kommt erst in der vorletzten Aprilwoche wieder zusammen. Aber wer die Fraktionsführungen abtelefoniert hat, kommt schon jetzt zu einem eindeutigen Meinungsbild: Die Diätenerhöhung wird es nicht geben. Einige Fraktionsführungen müssen sich zwar noch vorsichtig ausdrücken, weil sie sich noch nicht mit ihren Abgeordneten darüber austauschen konnten - auch der Bundestag ist in den Osterferien. Aber die Richtung ist klar.

Ein kleines Signal der Solidarität soll der Verzicht auf zusätzliche 260 Euro sein

"In der größten Krise, die Deutschland in den vergangenen Jahren erlebt hat, halten wir eine Erhöhung der Abgeordnetenvergütung für problematisch", sagt der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer. Seine Fraktion prüfe "deshalb bereits, wie sich ein möglicher Verzicht darauf parlamentarisch umsetzen lässt". Ein derartiger Verzicht "wäre sicher auch ein Zeichen dafür, dass sich die aktuell großen Herausforderungen nur gemeinsam bewältigen lassen".

Es gebe unter der Fraktionen bereits Gespräche, "wie wir vor dem Hintergrund der Coronakrise mit der bevorstehenden Diätenanpassung an die allgemeine Lohnentwicklung umgehen sollen", sagt SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Seine Fraktion strebe dabei "einen Verzicht auf die Erhöhung der Diäten in diesem Jahr an".

Auch die FDP-Fraktion halte "es für richtig, die Diätenerhöhung, die sich aus der Lohn- und Rentenentwicklung 2019 ableitet, auszusetzen", sagt Marco Buschmann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion. In einer Zeit mit "flächendeckenden Umsatzeinbrüchen in Unternehmen und Kurzarbeit bei vielen Arbeitnehmern wäre alles andere seltsam".

Derzeit erhalten die Abgeordneten 10 083,47 Euro im Monat. Die Diäten werden einmal jährlich zum 1. Juli angepasst. Grundlage dafür ist die Entwicklung des vom Statistischen Bundesamt ermittelten Nominallohnindex. Im vergangenen Jahr sind die Nominallöhne in Deutschland um 2,6 Prozent gewachsen. Deshalb würden die Diäten jetzt auf 10 345,64 Euro steigen.

"Diese gesetzliche Regelung der Abgeordnetenentschädigung ist transparent und für alle nachvollziehbar", sagt Britta Haßelmann, die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion. "In der jetzigen außergewöhnlichen Krisensituation" wäre es aber "ein gutes Signal, die automatische Anpassung der Abgeordnetenentschädigung einmalig auszusetzen". Dazu sei "eine Verständigung zwischen den Fraktionen und ein Beschluss des Bundestages" nötig - "die Grünen sind dazu bereit".

Die Linksfraktion habe in einer virtuellen Sitzung am Dienstag sogar schon "einstimmig beschlossen", dass es eine Aussetzung der Diätenerhöhung geben soll, sagt deren Vorsitzender Bartsch. Er hoffe, dass sich jetzt tatsächlich alle Fraktionen "dieser Aufforderung anschließen". Bartsch sieht sich in der Angelegenheit ohnehin als Vorreiter. Er hatte bereits vor knapp drei Wochen einen Verzicht auf die Diätenerhöhung verlangt.

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SZ vom 09.04.2020
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