Karamba Diaby:Kämpfer gegen Hass und Hetze

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Am Morgen nach der Attacke auf sein Büro spricht Bundeskanzlerin Angela Merkel (rechts) mit Karamba Diaby (links) im Bundestag. (Foto: dpa)
  • Nach der Attacke auf das Bürgerbüro des SPD-Bundestagsabgeordneten Karamba Diaby gibt es viele Zeichen der Solidarität, auch von der Bundeskanzlerin.
  • Er wurde schon häufig angefeindet, auch sein Büro wurde schon einmal angegriffen.
  • Diaby, der ursprünglich aus Senegal stammt, ist ein Feindbild der rechtsextremen Szene.

Von Antonie Rietzschel, Leipzig

Am Morgen danach geht Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Karamba Diaby zu. Mindestens drei Einschusslöcher haben dessen Mitarbeiter am Mittwoch im Schaufenster des Bürgerbüros in Halle (Saale) gezählt. Ein Schock. Der SPD-Politiker ist in Berlin als er davon erfährt, er bleibt in der Hauptstadt.

Am Donnerstag steht im Bundestag eine wichtige Debatte über die Organspende an. Während vorn am Rednerpult über das Für und Wider einer Widerspruchslösung debattiert wird, stehen in den hinteren Stuhlreihen Merkel und Diaby für wenige Minuten zusammen. Sie habe ihm ihre Unterstützung signalisiert, wird er später der Deutschen Presseagentur sagen.

Halle
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Außenminister Maas nennt die Tat "widerlich und feige". Polizei und Staatsschutz haben die Ermittlungen aufgenommen.

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Es gibt nun viele Zeichen der Solidarität mit Karamba Diaby. Politiker aller Parteien verurteilten die Tat und forderten schnelle Aufklärung. Noch ist unklar, wer aus welchem Motiv die Schüsse abgegeben haben könnte. Polizei und Staatsschutz ermitteln - derzeit läuft noch die Spurensicherung. Einer Sprecherin der Polizei Halle zufolge ist weiterhin unklar, was genau die Fenster durchschlagen hat. Projektile seien keine am Tatort gefunden wurden. Am Donnerstagmorgen untersuchten Beamte die Einschusslöcher, wie ein Mitarbeiter Diabys berichtet.

Es ist nicht das erste Mal, dass das Büro Ziel eines Angriffs wird. 2015 hatten Unbekannte die Scheiben eingeworfen. Diaby, der sich klar gegen Rassismus und Rechtsextremismus positioniert, sprach in der Vergangenheit immer wieder über Anfeindungen. Auch in den sozialen Netzwerken. Nach dem rechtsextremen Anschlag von Halle im Oktober 2019 hatte Diaby mehr Engagement gegen Hass in sozialen Medien gefordert. "Wenn Hass und Hetze dort verbreitet werden und die Stimmen dagegen nicht laut genug sind, fühlen sich diese Leute bestätigt. Dann denken die: Wir sind die Mehrheit", warnte er.

Diaby, der ursprünglich aus Senegal stammt, ist ein Feindbild der rechtsextremen Szene. Diese ist in Halle zwar längst nicht so vernetzt wie etwa in Chemnitz, wo Neonazis und rechtsextreme Hooligans innerhalb kürzester Zeit zu Aufmärschen mobilisieren können. In der Vergangenheit gründeten sich aber immer wieder kleinere Gruppen wie die Brigade Halle. Deren Anhängerschaft stammt vor allem aus der Hooliganszene um den Halleschen FC. Die Aktivitäten der Gruppe ließen zuletzt jedoch nach.

Dennoch gab es in der Stadt immer wieder rechtsextreme Demonstrationen. Im Mai 2017 spielten sich dabei brutale Szenen ab. Eine Gruppe Neonazis attackierte Gegendemonstranten und Unbeteiligte mit Böllern, Steinen und Schlagstöcken. Zwei der Angreifer verurteilte das Landgericht Halle zu Haftstrafen. Sie gelten als Führungsfiguren der aus Hessen stammenden Kameradschaft "Aryans".

Bis vor Kurzem galt Halle zudem als deutsche Hochburg der rechtsextremen "Identitären Bewegung" (IB). 2017 öffnete in Universitätsnähe das Hausprojekt "Kontrakultur" als Schulungs- und Veranstaltungsort. Zu den Mietern gehört auch "Ein Prozent", ein mit der "IB" eng verbandelter Mediendienst. Wenige Monate nach Eröffnung des Hausprojekts durchsuchte die Polizei das Gebäude, zuvor hatten Mitglieder von "Kontrakultur" Besucher der Uni-Mensa beschimpft. Kurz darauf griffen "Identitäre" vor dem Haus Polizisten in Zivil mit Baseballschlägern und Pfefferspray an.

"Kontrakultur" sollte ein Modellprojekt der Neuen Rechten werden. Doch im Dezember 2019 erklärte die "IB" das offizielle Aus. Man sei schon im Oktober ausgezogen, hieß es. Beobachtern zufolge fuhren auch tatsächlich Umzugswagen vor. Am Ende dürfte das starke zivilgesellschaftliche Engagement in der Stadt für das Aus des Projekts gesorgt haben. So verhinderten Ende Juli 2019 3000 Menschen einen von der "Identitären Bewegung" geplanten Aufmarsch. Zu einer Rede der "IB"-Größe Martin Sellner kamen lediglich 70 Rechtsextreme.

Bleibt noch Sven Liebich, der zuletzt erfolglos Anschluss an die Identitären gesucht hatte. Liebich gehörte der in Deutschland verbotenen Blood-&-Honour-Bewegung an. Heute organisiert er regelmäßig Montagsdemonstrationen in Halle, bei denen er gegen Geflüchtete hetzt. Liebich betreibt einen rassistischen Blog, auf dem er Verschwörungstheorien verbreitet, sowie einen Online-Versandhandel. Im Oktober 2018 trat er bei einer Kundgebung der rechtsextremen Partei "Pro Chemnitz" als Redner auf.

Nach dem Anschlag auf das Büro von Karamba Diaby veröffentlichte Liebich auf seinem Youtube-Kanal ein Video, in dem er darüber spekuliert, dass der SPD-Politiker den Angriff lediglich selbst inszeniert habe, um der SPD aus dem Umfragetief zu helfen. Trotz aller Solidarität - die rechte Hetze gegen Diaby, sie geht also weiter.

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