"Deutschlandtag" der Jungen Union in Münster:Zwei Bewerber begeistern die JU

Lesezeit: 4 min

Sprechen beide von Erneuerung: Bundesgesundheitsminister und CDU-Vize Jens Spahn und der Bundesvorsitzende der Jungen Union Tilman Kuban beim Deutschlandtag der Nachwuchsorganisation in Münster. (Foto: via www.imago-images.de/imago images/Political-Moments)

Beim "Deutschlandtag" der Jungen Union bringen sich die Kandidaten um die Laschet-Nachfolge in Stellung. Der zeigt sich selbstkritisch. Merz wird quasi in Rente geschickt.

Von Jana Stegemann, Münster

Drei Wochen nach der historischen Wahlniederlage der Union hält Armin Laschet die beste Rede seines längst beendeten Wahlkampfes. Jetzt, wo es nicht mehr darauf ankommt, wirkt der Noch-CDU-Chef, Noch-NRW-Ministerpräsident und gescheiterte Kanzlerkandidat in Höchstform. Es ist ein flammendes Plädoyer für Zusammenhalt - und gleichzeitig eine emotionale Abschiedsrede.

Laschet hat bei der Jungen Union, der Nachwuchsorganisation von CSU und CDU, traditionell einen schweren Stand; die JU-Herzen schlugen zuletzt für Markus Söder und Friedrich Merz. Zum Auftakt des sogenannten Deutschlandtags der JU in Münster hatte Johannes Winkel, der NRW-Landesvorsitzende, noch am Freitagabend gesagt: "Wer im Wahlkampf auftritt wie Armin Laschet, der sollte nach der Wahl nicht direkt den Anspruch erheben, Kanzler zu werden, sondern vor allen Dingen Verantwortung für das Ergebnis übernehmen."

SZ PlusMeinungDeutschlandtag der Jungen Union
:Machtkampf um die Gunst der Mitglieder

Wer die CDU erneuern soll, braucht eine besonders kräftige Legitimation - am besten durch einen Mitgliederentscheid. Anders ist das Misstrauen kaum zu beseitigen, das sich an der Basis der Partei gegenüber der eigenen Spitze eingenistet hat.

Kommentar von Roman Deininger

Ein Antrag auf dem Treffen liest sich wie eine Abrechnung mit dem politischen Spitzenpersonal der Union. Über den NRW-Ministerpräsidenten heißt es unter anderem: "Armin Laschet konnte die Herzen der Menschen leider nicht erreichen. Ganz im Gegenteil: Viele Wähler haben der Union wegen des Personalangebots die Stimme nicht gegeben." Doch eine solche Kandidatur sei keine One-Man-Show. Nur wenige im Bundeskabinett seien im Wahlkampf hilfreich gewesen. Auch die Spitzen von CDU und CSU hätten "keine gute Figur abgegeben". Die Analyse lautet: "Wir haben aus eigener Schwäche verloren, nicht wegen der Stärke der anderen."

CSU-Chef Markus Söder hatte der JU spontan abgesagt, "enttäuschend", monierte nicht nur JU-Chef Tilman Kuban. Laschet stellt sich an diesem Samstagmorgen den mehr als 300 Delegierten in Münster. Als er die Halle betritt, dröhnt ein Partysong von den Black Eyed Peas über die Lautsprecher, der Refrain geht so: "I got a feeling. That tonight's gonna be a good night." Abend ist es zwar noch lange nicht, aber der Rest stimmt. Dass Laschet sich der JU "stelle", beweise "Charakter", befindet Kuban. Lang anhaltender Applaus folgt auf dieses Lob, das gleichzeitig auch eine Spitze in Richtung Söder ist.

Laschet übernimmt die Verantwortung für "bitteres Ergebnis"

Ein "bitteres Ergebnis" habe die Union erzielt, sagt Laschet. "Nichts lässt sich schönreden. Die Verantwortung für dieses Ergebnis trage ich als Vorsitzender und Kanzlerkandidat. Den Wahlkampf, die Kampagne habe ich zu verantworten und sonst niemand." Der Jungen Union dankt Laschet für ihre "unermüdliche Hilfe" und Rückendeckung im Wahlkampf: "Wenn ich kam, wart ihr schon da."

Laschet schwor die Junge Union auf die Oppositionsrolle ein: "Wir dürfen da nicht schrill oder plump werden, sondern klug und intelligent den Finger in die Wunde legen." Dass er am Wahlabend nicht direkt die Niederlage eingestanden habe, erklärte Laschet damit, dass "theoretisch ein Jamaika-Bündnis möglich gewesen wäre". Das zwölfseitige Sondierungspapier, das die Spitzen von Grünen, FDP und SPD vor den Koalitionsverhandlungen am Freitag vorgestellt hatten, lobte Laschet: "Das Papier ist in Ordnung, da hätten wir auch manches mitmachen können." Es seien "viele gute Sachen drin". Die Einschätzung von Friedrich Merz, der die Union als Eröffnungsredner am Freitagabend als "Sanierungsfall" bezeichnet hatte, teile er nicht, sagte Laschet. Die Union habe "ein gutes Programm gehabt".

Die SPD habe gezeigt, "wie man geschlossen Wahlkampf macht. Das war mal die Stärke der Union und das muss wieder die Stärke der Union werden. Diese Tugend, zusammenstehen, das müssen wir wieder lernen, wenn wir wieder gewinnen wollen". Damit es wieder gegen den politischen Gegner gehen könne "und nicht gegeneinander in der Unionsfamilie".

Richtig ärgerlich wird Laschet beim nächsten Punkt: "Dass man den CDU-Bundesvorstand im Liveticker mitlesen kann, war schon eine Schwächung im Wahlkampf." Der Noch-CDU-Chef spielte damit zuletzt auf Indiskretionen aus Jamaika-Verhandlungen an; Bild-Vize Paul Ronzheimer hatte im TV stundenlang SMS aus vertraulichen Sitzungen vorgelesen. Für Vorstands- und Präsidiumssitzungen verfügte Laschet daher: "Jetzt gibt es hier Handyverbot. Solange ich CDU-Vorsitzender bin, gilt dieses Handyverbot." Die Delegierten applaudieren. Emotional wird Laschet beim Thema Wolfgang Schäuble. Forderungen zum Mandatsverzicht an den Bundestagspräsidenten wies Laschet ungewohnt scharf zurück: "Ein solch verdienter Mann hat es nicht verdient, dass er von irgendjemand aus dem Amt gedrängt wird. Ich werde das nicht dulden." Der bayerische JU-Vorsitzende hatte Schäuble vor wenigen Tagen zum Rückzug aus dem Parlament aufgefordert.

Bei der anschließenden Fragerunde lobten zahlreiche Delegierte Laschets "offene und ehrliche Analyse" und zollten ihm Respekt für seine Rede. Ein Delegierter aus Schleswig-Holstein machte vor allem "eine von der Öffentlichkeit entkoppelte Berliner Blase" für das schlechte Abschneiden mitverantwortlich. Der Mann sagte: "Am schlimmsten ist dabei die Rolle des selbstgefälligen Konrad-Adenauer-Hauses gewesen, das zur Jobzentrale für ausgetauschte JUler und CDUler verkommen ist." Dafür gab es kräftigen Applaus, Laschet antwortete, dass es eine Neuaufstellung der Parteizentrale brauche. Diese müsse wieder "zum Denkmotor der Partei werden". Der nächste Bundesvorsitzende müsse direkt einen Grundsatzprogramm-Prozess starten.

Spahn hält schwache Rede, Linnemann kommt gut an

Fünf Bewerber für die Laschet-Nachfolge gibt es; alle nehmen am dreitägigen Treffen der JU in Münster teil. Alle sind männlich, kommen aus Nordrhein-Westfalen und sind schon lange in der Partei aktiv. Einer von ihnen spricht direkt nach Laschet: Gesundheitsminister und CDU-Vize Jens Spahn. Im Wahlkampf gab sich Spahn als Laschet-Vertrauter, jetzt will er Teil des "Aufbruchs" und "Neuanfangs" der Partei sein. In seiner eher schwachen Rede versucht sich der 41-Jährige dennoch als Erneuerer, erhält dafür langen Applaus: "Es geht hier doch nicht um Armin, Jens und Friedrich, sondern um den Aufbau eines starken Teams. Eine Zukunft kann es nur geben, wenn wir aufhören mit Schaulaufen." Er sei in die Politik gegangen, weil er Verantwortung übernehmen wolle, so Spahn. "Ich habe Lust darauf, diese neue CDU zu gestalten."

CDU
:Zu alt im Kopf?

Die Jungen in der Union fordern mehr Mitsprache. Aber ob die CDU damit moderner werden würde, ist noch keineswegs ausgemacht.

Von Boris Herrmann und Robert Roßmann

Das Publikum begeistern kann auch Carsten Linnemann, der 44-jährige Wirtschaftspolitiker fordert die Union auf, "auch die ganz heißen Eisen anzupacken". Dazu zählten das künftige Rentensystem und das strittige Thema Verbeamtungen. Als Kernfrage hat Linnemann ausgemacht: "Wie bekommen wir in Deutschland eine Mentalität des Machens hin?"

Außenpolitiker Norbert Röttgen spricht als einziger der fünf potenziellen Anwärter auf den Parteivorsitz kein Grußwort, sitzt aber im Publikum. Vereinzelt tragen JU-er Jacken mit seinem Namen. Am Sonntag wird noch Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus auf dem Treffen erwartet.

Eine indirekte Absage gab es am Samstag dann aber von JU-Chef Tilman Kuban an Friedrich Merz, den früheren Fraktionsvorsitzenden von vor 20 Jahren, der sich bereits zweimal erfolglos um den Parteivorsitz beworben hatte. Kuban hatte Merz am Freitagabend sehr freudig begrüßt, sagte den Sendern RTL/ntv jedoch am Samstag: "Friedrich Merz ist ein kluger Kopf, der sicherlich auch als Berater und als Unterstützer mit dabei sein kann." Aber die Union braucht jetzt "vor allem mehr junge, frische und unverbrauchte Köpfe in der Parteispitze", einen "gesunden Mix" aus Jung und Alt. Der 65-jährige Merz hatte am Tag zuvor noch gesagt: "Junge Besen kehren gut, aber die alte Bürste kennt die Ecken."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusÖsterreich
:"So weit wie wir bin ich echt noch nie gegangen"

Innerhalb von nicht einmal zweieinhalb Jahren wird Österreich von der zweiten Staatsaffäre erschüttert. Tausende Chatnachrichten bringen den bisherigen Kanzler Sebastian Kurz und seinen engsten Zirkel in Bedrängnis. Die wichtigsten SMS - und was sie über das Land und seine Politiker aussagen.

Von SZ-Autorinnen und -Autoren

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: