Deutschlandbild der Amerikaner:Scheitern schadet nicht

US-Flagge an der amerikanischen Botschaft in Berlin, unweit des Brandenburger Tors

US-Flagge an der amerikanischen Botschaft in Berlin, unweit des Brandenburger Tors

(Foto: Adam Berry/Getty Images)

Über "Wetten, dass...?" kann man nicht mehr lästern. Und so humorlos und unmodern wie früher scheinen die Deutschen auch nicht mehr zu sein. Was den Amerikanern neuerdings am deutschen Modell imponiert - und sie selbst verblüfft.

Von Peter Richter, New York

Als im Juni dieses Vorrundenspiel anstand, waren die Deutschen noch einmal ganz die alten: diejenigen, gegen die die Amerikaner schon zweimal gewonnen hatten, "als es wirklich drauf ankam". Und die Witzbilder, die dazu herumgeschickt wurden, zeigten Panzer und Pickelhauben, manchmal auch Hakenkreuzfahnen.

Am Ende waren viele Amerikaner stolz, gegen den späteren Weltmeister nur denkbar knapp, mit 1:0, verloren zu haben und in Jürgen Klinsmann selbst über einen Nationaltrainer aus Deutschland zu verfügen.

Es erschienen nach der WM viele Kommentare darüber, was die Amerikaner sich von dem deutschen Modell abschauen könnten, im Fußball wie auch generell. Im konkreten Fall imponierte den Amerikanern die Bereitschaft des DFB, ein Scheitern zu analysieren, Schlüsse zu ziehen und in langfristige Abhilfe zu investieren.

Man darf vermuten, dass das in den USA auch deshalb Eindruck machte, weil es im Prinzip einer sehr amerikanischen Einstellung ähnelt: Scheitern ist kein Makel, sondern eine Chance, besser zu werden.

Es sieht ganz so aus, als würden solche Spiegelungen eigener Werte generell eine gewisse Rolle spielen bei der Frage der Sympathie. Darauf deutet eine von der deutschen Botschaft in Washington bestellte Studie hin, die Mitte 2014 vorgestellt wurde: Eine Mehrheit der Amerikaner sieht demnach in Deutschland heute eine Führungsmacht mit ähnlichen Werten.

Diese Führungsrolle wird, anders als gelegentlich in Europa, positiv bewertet. Die Zustimmungswerte sind historisch hoch, sechzig Prozent haben einen exzellenten oder sehr guten Eindruck von Deutschland; der wird auch nicht dadurch getrübt, dass das Verhältnis der Länder in Folge der NSA-Krise als verschlechtert wahrgenommen wurde.

Es bleibt wenig zum Lästern

Auffällig ist, dass sich in den USA beide politischen Lager mit Merkel-Deutschland identifizieren könnten: die Linke mit der Sozial- und Umweltpolitik, die Konservativen mit dem Austeritäts-Kurs und beide mit der Rolle des Mittelstands, denn kleine und mittlere Firmen werden auch in den US-Wahlkämpfen gern als Rückgrat der Wirtschaft beschworen.

Es ist tatsächlich dieser alles synthetisierende Angela-Merkel-Effekt, der hier in den USA auf die Deutschen an sich abfärbt. Das andere ist der Donnerruf Berlins als preiswerteres Zweit-New York - und das schließt aus amerikanischer Sicht Städte wie München gewissermaßen als gepflegte Vororte mit ein.

Nach der Abschaffung von "Wetten, dass . . ?" bleibt wenig, worüber die Amerikaner noch wirklich lästern können - abgesehen natürlich von der Qualität des "th" wie des Humors und von der Tatsache, dass die Deutschen selbst oft viel weniger modern, effizient und technikaffin sind als ihre Autos suggerieren.

Aber die Nazi-Vergangenheit spricht nur noch für elf Prozent der Amerikaner gegen ein positives Image der Deutschen. Phänomene, die, wie Pegida, dem neuen Bild der Weltoffenheit und Liberalität entgegenwirken, werden deshalb interessiert und mit Verwunderung zur Kenntnis genommen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: