Deutschlandbesuch:Hoffnung kommt aus dem Osten

  • Indien und Deutschland unterhalten intensive Beziehungen. Die Kabinettsmitglieder beider Regierungen treffen sich regelmäßig zu Regierungskonsultationen.
  • Trotz der recht engen Beziehungen gilt der indische Premier Modi in der Bundesregierung als schwieriger Verhandlungspartner.
  • Für die deutsche Wirtschaft ist Indien ein wichtiger Markt. Das Handelsvolumen belief sich im vergangenen Jahr auf 17 Milliarden Euro.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Wenn es Donald Trump nicht mehr tut, dann vielleicht Narendra Modi? Könnte nicht der indische Premierminister den abdriftenden US-Präsidenten in der Runde der G 7 ersetzen? Es war diese Frage, die Regierungssprecher Steffen Seibert vor dem Besuch Modis an diesem Montag in Berlin mehrmals zu beantworten hatte.

Nein, er habe nichts davon gehört, dass die Zusammensetzung der G 7 geändert werden soll, wehrt Seibert die Nachfragen ab. Und er sei ja dabei gewesen, am Wochenende auf dem Gipfel der sieben größten westlichen Staaten (G 7) in Taormina auf Sizilien. Weshalb weitere Erkundigungen, ob die größte Demokratie der Welt in das Gremium aufgenommen werden könnte, womöglich sogar als Ersatz für die abdriftenden USA, zwecklos seien.

Auch wenn also vorerst kein Aufstieg auf den gerade recht stürmischen Gipfel der G 7 geplant ist, wurde der indische Premierminister Narendra Modi am Montag in Berlin mit Freude und Hoffnung erwartet. Nach dem enttäuschenden G-7-Gipfel braucht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) neue Verbündete, um weltweit für freien Handel, Klimaschutz und eine gemeinsame Flüchtlingspolitik zu werben.

Umso mehr, weil sie den bevorstehenden Gipfel der zwanzig wichtigsten Schwellen- und Industrieländer (G 20) Anfang Juli in Hamburg nutzen will, um die Weltgemeinschaft genau auf diese Ziele einzuschwören. Der lange geplante Besuch des indischen Premiers passt da gut ins Konzept, ebenso das für Mittwoch geplante Gespräch mit dem chinesischen Regierungschef Li Keqiang.

Modi gilt als entschlossener Reformer

Indien zählt zu den wenigen Staaten, zu denen Deutschland so intensive Beziehungen unterhält, dass sich die Bundeskanzlerin und ihr Kabinett regelmäßig mit den Partnern zu Regierungskonsultationen treffen. Solche Gespräche fanden zuletzt vor zwei Jahren statt, auch am Dienstagvormittag werden sich Kabinettsmitglieder beider Regierungen treffen.

Trotz der recht engen Beziehungen gilt Modi in der Bundesregierung als schwieriger Verhandlungspartner. Beim Klimaschutz war Indien lange Zeit nicht bereit, internationale Verpflichtungen zu unterzeichnen. Auch freien Märkten und Freihandel stand das Land lange skeptisch gegenüber.

Modi hat begonnen, diese Haltung zu ändern. Der 66-jährige Regierungschef, der 2014 völlig überraschend zum Premierminister gewählt wurde, gilt als entschlossener Reformer. Unmittelbar vor seiner Ankunft in Berlin kündigte Modi an, Indien werde alles für einen erfolgreichen Ausgang des G-20-Treffens tun. Zugleich warnte er vor Fremdenfeindlichkeit und zunehmender Abschottung. Indien gehöre "zu den offensten Volkswirtschaften der Welt", das Land wolle sich weiter in globale Netzwerke integrieren. Er erwarte, dass die Gruppe der G 20 das globale Wachstum befördere und nationale Politiken besser koordiniere.

Die deutsche Wirtschaft erhofft sich neuen Schwung im Handel

Bundeskanzlerin Merkel traf den indischen Regierungschef am Montagabend zunächst unter vier Augen, bei einem Abendessen auf Schloss Meseberg. Besprochen werden sollen neben den G-20-Themen auch "bilaterale Komponenten", so Regierungssprecher Seibert. Dazu werde es auch "konkrete Beispiele" geben. Allerdings erst an diesem Dienstag, nach den eigentlichen Regierungskonsultationen, bei denen über weitere Kooperationen in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Technologie und Bildung gesprochen werden soll.

Auch die deutsche Wirtschaft erhofft sich neuen Schwung im Handel, zahlreiche Treffen stehen auf der Agenda, ein deutsch-indischer Wirtschaftsgipfel im feinen Hotel Adlon ist organisiert, Merkel wird reden, und auch der hohe Gast aus Indien.

Schon vor der Ankunft des Premierministers forderten deutsche Wirtschaftsvertreter, die indische Regierung müsse weitere Reformen anpacken und die Handelshemmnisse abbauen. Mangelnde Rechtssicherheit, schwerfällige Verwaltungen und fehlende Infrastruktur machten es Unternehmen schwer, in dem Land zu investieren, sagte der Vorsitzende des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft (APA), Hubert Lienhard. Das betreffe vor allem kleine und mittelständische Firmen. "Mit Blick auf Zölle und weitere Handelshemmnisse muss Indien sich stärker öffnen, damit unsere Unternehmen ihr Engagement im Land ausbauen".

APA-Chef Lienhard fordert, die Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Indien wiederaufzunehmen, der Abschluss "wäre ein wichtiges Signal an Investoren." Für die deutsche Wirtschaft ist Indien ein wichtiger Markt. Das Land gilt als eines der am schnellsten wachsenden Schwellenländer, 2017 wird mit 7,4 Prozent gerechnet. Das Handelsvolumen belief sich im vergangenen Jahr auf 17 Milliarden Euro. Davon waren knapp zehn Milliarden Euro deutsche Exporte, knapp 13 Milliarden Euro investierten deutsche Unternehmen.

Auch in Indien sind die Erwartungen hoch. Modi lobte die Bundesrepublik jüngst als "Haupthandelspartner" sowie als wichtigen "Investitions- und Technologiepartner". Eines dürfte Merkel besonders freuen: Zumindest bisher gibt es aus Indien keine laute Kritik am deutschen Handelsbilanzüberschuss.

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