Deutschland:Von Netanjahu überrumpelt

Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident von Israel, bei einer Kabinettssitzung 2018 in Jerusalem.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

(Foto: dpa)

Das Bundesinnenministerium zeigt sich skeptisch gegenüber einer Umsiedlung von Flüchtlingen aus Israel.

Von Robert Roßmann

Es kommt nicht oft vor, dass die Bundesregierung von einer politischen Eilmeldung überrascht wird - normalerweise ist sie dank vieler eigener Nachrichtenkanäle besser informiert als Journalisten. Am Ostermontag war die Regierung dann aber doch sprachlos - zumindest kurz. Um 16.03 Uhr meldete die Nachrichtenagentur AFP, der israelische Ministerpräsident habe mitgeteilt, dass ein Teil der derzeit in Israel lebenden afrikanischen Migranten nach Deutschland umgesiedelt werden solle. Es war eine Nachricht mit gewaltiger politischer Sprengkraft. Auf Facebook und Twitter begannen sich sofort Kommentare zu häufen, in denen sich Antisemitismus und Aversionen gegen Flüchtlinge aufs Schlechteste verbanden. Auch die AfD war schnell zur Stelle. Sie sprach von einem "Narrenspiel", Israel wolle "illegale afrikanische Einwanderer loswerden" - und die Wahl falle einmal mehr auf "Germoney".

Aber auch Bürger, die der Aufnahme von Flüchtlingen positiv gegenüberstehen, fragten sich sofort, ob eine derartige Vereinbarung eine gute Lösung wäre. Schließlich würde dadurch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu für seinen harten Umgang mit Migranten auch noch belohnt werden - eben mit der Abnahme von Migranten.

Aus dem Bundespresseamt hieß es am Ostermontag zunächst, das Innenministerium und das Auswärtige Amt würden sich noch besprechen, man sei von der Nachricht überrascht worden. Da es sich, wenn die Meldung stimme, um ein Resettlement-Programm handele, sei wohl das Innenministerium zuständig. Um 17.48 Uhr war das Ressort von Horst Seehofer dann auch sprechfähig. Es teilte mit, dass Berlin seinen humanitären Verpflichtungen in den vergangenen Jahren, unter anderem durch die Aufnahme von Resettlement-Flüchtlingen, "immer umfassend nachgekommen" sei und "das auch in Zukunft tun" werde. "Eine konkrete Anfrage, in Israel lebende Flüchtlinge, insbesondere aus afrikanischen Staaten, im Rahmen des Resettlement-Programms des UNHCR in Deutschland aufzunehmen", sei dem Ministerium aber "nicht bekannt".

Kurz darauf veröffentlichte dann auch das UN-Flüchtlingshilfswerk eine Pressemitteilung. Darin wurde zwar bestätigt, dass es eine Vereinbarung mit Israel gebe, tausende afrikanische Migranten aus Israel in andere Länder zu bringen - Staaten, die diese Migranten aufnehmen sollen, nannte das UNHCR jedoch nicht.

Die Lage von Flüchtlingen in Israel sei eine andere als die in der Türkei, heißt es

Horst Seehofer, CSU-Chef und neuer Bundesinnenminister, wolle sich zu dem Fall nicht äußern, hieß es am Dienstag sowohl in seiner Parteizentrale als auch in seinem Ministerium. Das war allerdings auch nicht mehr nötig, weil Netanjahu da sein Abkommen mit dem UNHCR bereits wieder aufgekündigt hatte. Aber schon zuvor hatte das Innenministerium signalisiert, dass es in diesem Fall keine besondere Notwendigkeit für eine Aufnahme von Menschen sehe. Denn der Fall liege anders als bei ähnlichen Programmen, die es bereits gebe. So lebten in Israel, anders als etwa in der Türkei, nicht mehrere Millionen Flüchtlinge, sondern eine erheblich kleinere Zahl. Außerdem seien die afrikanischen Migranten in Israel, anders als Flüchtlinge in Syrien, bereits in einem sicheren Land.

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums hat Deutschland seit 2013 insgesamt 2700 Menschen im Rahmen eines Resettlement aufgenommen, unter ihnen 1353 aus der Türkei und 207 aus Syrien. Über humanitäre Aufnahmeprogramme des Bundes kamen zusätzlich 23 500 Menschen aus Syrien und dessen Anrainerstaaten - einschließlich der Türkei - nach Deutschland.

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