Deutschland und Israel:Wundersame Beziehung

Vor der Israel-Reise von Merkels Kabinett rumort es kräftig hinter der Fassade - auch weil die israelische Regierung bedingungslose Unterstützung für ihren Kurs fordert. Doch das ist mit Deutschlands besonderer Verantwortung nicht gemeint. Wer deutsch-israelische Freundschaft ernst meint, muss sich auch Konflikten stellen.

Ein Kommentar von Peter Münch , Tel Aviv

Freundschaften wollen gepflegt sein. Aus diesem Grund reist die Kanzlerin an diesem Montag mit ihrem gesamten Kabinett nach Jerusalem. Der Betriebsausflug der Bundesregierung soll als Signal verstanden werden für die besonderen und besonders engen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel.

Der Wohlfühlfaktor wird überdies erhöht durch ein paar Abkommen und Vereinbarungen von der Regelung der Ghetto-Rente bis zur Übernahme konsularischer Vertretungen. Doch trotz aller naturgemäß bei solchen Regierungskonsultationen zur Schau gestellten Harmonie rumort es bisweilen kräftig hinter der Fassade der Freundschaft. Und das ist nicht einmal ein schlechtes Zeichen.

Denn zunächst einmal ist alles wahr und richtig, was rund um die Jerusalemer Gespräche routiniert bekundet wird: Die Intensität dieser Beziehungen zwischen dem Land der Täter und dem Land der Opfer ist 70 Jahre nach dem Holocaust tatsächlich "ein Wunder", wie Außenminister Frank-Walter Steinmeier das in einem Gastbeitrag fürs israelische Massenblatt Jedioth Achronoth schreibt.

Wundersam ist bisweilen sogar die verklärende Hochachtung, die Bundeskanzlerin Angela Merkel in Israel entgegengebracht wird - und das vom Taxifahrer aufwärts bis zum Staatspräsidenten Schimon Peres. Die positive Wahrnehmung Deutschlands zeigt sich zudem längst nicht nur auf der politischen Ebene, sondern bis hinunter zu jenen jungen Israelis, die Berlin als Party- und Kreativmetropole zur Stadt ihrer Sehnsüchte erkoren haben.

Historische Sensibilitäten werden mit politischem Krawall vermischt

Aus der Tiefe dieser Verbundenheit erwächst auch eine Verantwortung - genau dies ist der Punkt, an dem die Beziehungen schwierig werden. Denn es gibt unterschiedliche Auffassungen darüber, wie die Bundesrepublik dieser Verantwortung gerecht werden kann, die Merkel programmatisch als Teil der deutschen Staatsräson beschrieben hat.

Für Premierminister Benjamin Netanjahu und die Seinen nämlich scheint das zu bedeuten, dass Deutschland erstens keine Kritik üben darf und zweitens innerhalb der Europäischen Union als mächtiger Verteidiger Jerusalemer Regierungsinteressen auftreten soll. Zuwiderhandlungen werden drastisch bestraft, wie das jüngst der deutsche Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, erleben musste. Als er in der Knesset ein paar kritische Anmerkungen zur israelischen Besetzung des Westjordanlands wagte, endete das in einem Tumult und der Belehrung durch Wirtschaftsminister Naftali Bennett, dass er solche Propaganda nicht dulde - "schon gar nicht auf Deutsch".

Hier wurden auf unwürdige Weise die historischen Sensibilitäten vermischt mit aktuellem politischen Krawall. Ermutigend war dabei allein, dass es im Nachgang auch in Israel genügend kritische Stimmen gab, die solche durchsichtigen Manöver verurteilten. Mehr noch: Es gibt viele Menschen in Israel, die ganz andere Erwartungen an Deutschland haben als ihre Regierung. Sie hoffen darauf, dass Israels Freunde in der Welt von US-Außenminister John Kerry bis zur Kanzlerin von außen Druck ausüben, um die rechten Kräfte in der Jerusalemer Führung zu positiven Schritten im Friedensprozess zu bewegen.

Das zeigt, wie nötig eine Differenzierung ist. Deutschlands historische Verantwortung gegenüber Israel bezieht sich auf das Land und seine Menschen. Dies bedeutet nicht, dass jeder Kurs einer jeden israelischen Regierung bedingungslos unterstützt werden muss. Ein Konflikt über die Siedlungspolitik und den Weg zu einem Ausgleich mit den Palästinensern bedeutet also noch lange nicht, dass die deutsch-israelischen Beziehungen in Gefahr sind. Im Gegenteil: Wer die Freundschaft ernst meint, der muss sich diesem Streit stellen.

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