Süddeutsche Zeitung

Deutschland und Israel:Im Nahostkonflikt braucht es ungewöhnliche Ansätze

Der deutsche UN-Diplomat Heusgen legt die Zurückhaltung in der Nahostpolitik ab und spitzt mit der Gleichsetzung von Hamas-Raketen und israelischen Bulldozern extrem zu. Im Kern hat er recht.

Kommentar von Alexandra Föderl-Schmid

Für einen Diplomaten hat Christoph Heusgen einen denkwürdigen Auftritt hingelegt. Im UN-Sicherheitsrat kritisierte der deutsche Vertreter jetzt mit klaren Worten die Nahost-Politik der USA, aber auch die Siedlungspolitik der Israelis und die Raketen der Hamas.

Heusgen durchbrach damit die übliche Routine in dem aus 15 Mitgliedern bestehenden Gremium. Alle Botschafter lasen ihre bekannten Positionen vom Blatt ab - nur Heusgen sprach frei. Sein Vorstoß war erfrischend. Und er stieß eine Diskussion im Sicherheitsrat an, dem Deutschland derzeit als nichtständiges Mitglied angehört.

Der deutsche Botschafter benannte die Anerkennung der von Israel 1967 eroberten und 1981 annektierte Golanhöhen durch die USA klar als Verstoß gegen UN-Resolutionen. Er kritisierte zu Recht auch die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem. Mit diesen Schritten hat US-Präsident Donald Trump einseitig Fakten geschaffen, noch ehe er einen Friedensplan vorgelegt hat. Er wollte damit seinem Freund Benjamin Netanjahu im Wahlkampf einen Freundschaftsdienst erweisen.

Dass Israel die Golanhöhen aus strategischen Gründen halten will, weil von dort aus das ganze Land wie auf einem Präsentierteller vor einem liegt, dafür kann man Verständnis haben. Erst recht, wenn sich Iran in Syrien festsetzt. Aber eine Lösung muss auf dem Verhandlungsweg erreicht werden. Das Völkerrecht kann nicht einfach per Trumpschem Dekret außer Kraft gesetzt werden. Denn das fatale Signal - auch mit Blick auf Russland und die Krim - ist: Man nimmt sich ein Stück Land, und das wird dann legalisiert.

Deutsche Diplomaten treten mit Blick auf die Nazi-Vergangenheit in der Nahostpolitik besonders vorsichtig auf. Diese Zurückhaltung hat Heusgen abgelegt. Dabei ist er allerdings nicht einseitig vorgegangen, wie ihm nun vorgeworfen wird. Er kritisierte Syrien für das Bombardieren von Zivilisten und nahm sowohl die Israelis als auch die Palästinenser in die Pflicht. Und er stellte die richtigen Fragen: "Wie stoppen Sie den Bau der Siedlungen?", fragte er den israelischen Botschafter. "Wie stoppen Sie die Raketenangriffe auf Israel?", wollte er vom palästinensischen Vertreter wissen. Beide Seiten blieben Antworten schuldig.

Die humanitäre Situation im Gaza-Streifen ist katastrophal. Schuld daran sind viele: Die Hamas und die palästinensische Autonomiebehörde genauso wie Israel und die USA, die die Hilfsgelder kürzten.

Mit der Gleichsetzung von Hamas-Raketen und israelischen Bulldozern durch seine Fragen spitzte Heusgen extrem zu. Doch im Kern hat er recht. Die Zivilbevölkerung leidet auf beiden Seiten: Die Israelis, die vor den Raketen in Schutzräume flüchten müssen, genauso wie die Palästinenser unter der Besatzung. Beide Seiten wollen aber nur jeweils ihr Leid wahrnehmen, nur ihre Positionen anerkannt sehen. Um diesen seit Jahrzehnten festgefahrenen Konflikt zu lösen, braucht es ungewöhnliche Ansätze: Heusgens Vorstoß war ein solcher.

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