Süddeutsche Zeitung

Deutschland und Israel:Gezerre um das sechste Boot

Ein Rüstungsgeschäft wird zur Beziehungsprobe: Fünf Dolphin-U-Boote hat Deutschland bereits nach Israel verkauft. Nun will Jerusalem ein sechstes - und Berlin soll sich an der Finanzierung des Kriegsschiffs beteiligen.

Peter Münch

Rüstungsgeschäfte mit Israel sind immer eine Herausforderung, schließlich ist der Nahe Osten eine Krisenregion, in die Waffenexporte eigentlich verboten sind. Über Einzelfall-Genehmigungen jedoch floriert der Handel, wobei die Abwicklung der Geschäfte immer auch einen Einblick gibt in den aktuellen Stand der Beziehungen.

Abzulesen ist dies seit fast zwei Jahrzehnten vor allem am steten Gezerre um die Lieferung und Finanzierung deutscher Dolphin-U-Boote an die israelische Marine, die besonders heikel ist, weil die Boote mutmaßlich mit atomar bestücken Marschflugkörpern ausgestattet werden. Nun droht erneut ein Dolphin-Geschäft für Verstimmung zu sorgen zwischen Berlin und der Regierung in Jerusalem.

Das amerikanische Branchenmagazin Defense News meldete in dieser Woche, die Bundesregierung habe ihre Zusage zurückgezogen, Finanzierungshilfe zu leisten für ein von Israel gewünschtes sechstes Dolphin-U-Boot - und damit nicht nur Israels Marine vor ernste Probleme gestellt, sondern auch die israelische Regierung vor den Kopf gestoßen. Die habe sich darauf verlassen, dass Deutschland - wie bei früheren vergleichbaren Fällen - einen beträchtlichen Teil der Kosten übernehme. Insgesamt soll es sich um ein Geschäft in Höhe von 1,6 Milliarden Dollar handeln für das U-Boot nebst zweier Kriegsschiffe.

In Berlin ging man nach diesem Bericht gleich auf Tauchstation. "Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel gibt es keine Verhandlungen über U-Boote", erklärte die Bundesregierung auf Anfrage.

"Ein Merkmal der exzellenten Beziehungen"

Ein israelischer Regierungsmitarbeiter, der namentlich nicht genannt werden will, bestätigte der Süddeutschen Zeitung dagegen, dass es in dieser Sache just am Mittwoch ein Telefongespräch zwischen Premierminister Benjamin Netanjahu und Bundeskanzlerin Angela Merkel gegeben habe. "Israel misst der strategischen Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern große Bedeutung bei, und wir hoffen, dass diese Kooperation fortgeführt wird", sagte der Regierungsmitarbeiter. Diese Kooperation sei schließlich "ein besonderes Merkmal der exzellenten Beziehungen zwischen den beiden Regierungen und den beiden Ländern".

Das darf man so verstehen, dass Netanjahu von Merkel ein Zeichen dafür sehen will, dass sich Berlin die exzellenten und immer auch besonderen Beziehungen zu Israel etwas kosten lässt. Schließlich betont die Kanzlerin stets, dass Israels Existenzrecht ein Teil der "deutschen Staatsräson" sei - und in seiner Existenz sieht sich der jüdische Staat derzeit bedroht durch das iranische Atomprogramm. Die Aufstockung der U-Boot-Flotte ist als ein Signal der Stärke gegenüber Teheran gedacht, und dafür wird eine finanzielle Unterstützung Deutschlands erwartet. Wenn dies verweigert wird, könnte die israelische Seite das so auslegen, dass sie in einer enorm bedrohlichen Lage von Deutschland im Stich gelassen wird.

Genau so haben die Dolphin-Deals in der Vergangenheit immer funktioniert. 1991 war die Lieferung der ersten drei U-Boote vereinbart worden, nachdem der irakische Diktator Saddam Hussein im Golfkrieg Scud-Raketen auf Tel Aviv abgefeuert hatte, die mutmaßlich mit deutscher Hilfe weiterentwickelt worden waren. Die von Thyssen-Krupp und der Kieler HDW-Werft gebauten U-Boote wurden in den Jahren 1999 und 2000 ausgeliefert, der deutsche Steuerzahler beteiligte sich damals mit geschätzten 1,1 Milliarden Mark an den Kosten.

2005 genehmigte die rot-grüne Bundesregierung in einer ihrer letzten Amtshandlungen ein neues Dolphin-Geschäft mit Israel. Der damalige Außenminister Joschka Fischer von den Grünen sprach von einer "historischen und moralischen Verantwortung" gegenüber Israel.

Zwei U-Boote sind derzeit im Bau und sollen von 2012 an ausgeliefert werden. Vereinbart worden ist, dass Deutschland mit 330 Millionen Euro ein Drittel der Kosten übernimmt. Anders als die alten Diesel-getriebenen Dolphin werden die neuen U-Boote von modernen Brennstoffzellen angetrieben, die sie besonders lange tauchen lassen, was zum Beispiel im Persischen Golf von großem Nutzen sein könnte.

Für das sechste Dolphin-U-Boot, um das nun gerungen wird, hatte sich Israel im alten Vertrag eine Option gesichert, wobei unklar blieb, wie dies finanziert werden soll. Die Jerusalemer Regierung dürfte auf eine Art Gewohnheitsrecht vertraut haben. Die Bundesregierung dagegen kämpft derzeit mit einem besonders klammen Haushalt. Den wird sie nicht weiter belasten wollen. Doch belasten will sie andererseits gewiss auch nicht die Beziehungen zu Israel.

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Quelle:
SZ vom 23.07.2010/jobr
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