Süddeutsche Zeitung

Deutschland und Frankreich:Eintracht in New York

Die Außenminister Le Drian und Maas wollen ihren USA-Besuch auch dazu nutzen, um ihre Streitigkeiten über Rüstungsexporte und Handelsgespräche beizulegen.

Von Daniel Brössler und Alexander Mühlauer, Washington/Brüssel

So sehen Freunde aus. Jean-Yves Le Drian und Heiko Maas sitzen einträchtig nebeneinander. Beide tragen ein deutsches und ein französisches Fähnchen am Revers. Studenten der New Yorker Columbia University sind ins Französische Haus auf dem Campus gekommen, um die beiden über "Kollektive Sicherheit und Multilateralismus" sprechen zu hören. "Was heute auf dem Spiel steht, ist der Frieden", mahnt Le Drian. "Wenn zwei Länder, die über Jahrhunderte Erzfeinde waren, heute engste Freunde sind", dann sei das doch ein Zeichen, dass Frieden und Verständigung möglich sind, ergänzt Maas.

Drei Tage lang sind der Deutsche und der Franzose einander in New York kaum von der Seite gewichen. Im UN-Sicherheitsrat haben sie für nukleare Abrüstung plädiert, bei einem Mittagessen ihre "Allianz für Multilateralismus" präsentiert, und nun erklären sie den Studenten einträchtig, dass nationale Alleingänge nie die Lösung seien. Ein Kollege in Brüssel habe schon gefragt, ob es nicht genüge, wenn immer nur einer von beiden rede, erzählt Maas. Der Deutsche und der Franzose sagten doch ohnehin immer das Gleiche.

Die Bundesregierung erwartet, dass Paris ein EU-Mandat für Gespräche mit den USA mitträgt

Nun ja. Le Drian und Maas wissen es besser. Hinter ihnen liegen Monate, in denen es ordentlich gekracht hat zwischen Berlin und Paris. Die Franzosen waren sauer wegen des deutschen Stopps von Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien, weil französische Produzenten deshalb vergeblich auf deutsche Teile warteten. Die Deutschen waren verärgert, weil Paris ein Mandat blockiert, das der EU Handelsgespräche mit den USA erlaubt. Hauptleidtragender: die deutsche Autoindustrie, die drohende US-Zölle abwenden will. Zwei Streitpunkte also, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Eigentlich.

Nach SZ-Informationen hat die Bundesregierung nun beide Themen miteinander verknüpft. In Gesprächen mit Paris verwies Berlin darauf, dass man Frankreich in der Rüstungsfrage in der vergangenen Woche weit entgegengekommen sei. Im Gegenzug erwartet die Bundesregierung, dass Paris ein EU-Mandat für Handelsgespräche mit Washington mitträgt. Deutschland will Donald Trump damit beweisen, dass es Europa ernst damit meint, Autozölle gegenüber den USA abzubauen. Der US-Präsident will bis Mitte Mai über mögliche Zölle auf Autoimporte aus der EU entscheiden. Im Februar hatte das US-Handelsministerium Autoeinfuhren aus Europa als eine Bedrohung für die nationale Sicherheit Amerikas eingestuft. Trump selbst hatte immer wieder mit Zöllen gedroht.

Kein Wunder, dass die Bundesregierung alles daran setzt, die deutsche Autoindustrie davor zu schützen. Und deshalb will sie so rasch wie möglich mit Trump verhandeln. Doch Frankreich bremst. Präsident Emmanuel Macron sorgt sich, dass die Nationalistin Marine Le Pen die Verhandlungen mit den USA im Europawahlkampf gegen ihn verwenden könnte. Im Élysée befürchtet man eine Lügenkampagne, die Macron den Ausverkauf Frankreichs vorwirft. "Paris will auf gar keinen Fall den Eindruck erwecken, es ginge bei den Gesprächen mit den USA um eine Art TTIP light", sagt ein EU-Diplomat. Vor allem französische Landwirte haben Angst davor, dass die Amerikaner ihr Land mit Billigfleisch überschwemmen könnten. In der Tat dringt Trump darauf, dass die EU ihren Markt für US-Beef weit öffnet.

Die Europäische Kommission hat deshalb dafür gesorgt, dass im Entwurf des Verhandlungsmandats von Landwirtschaft keine Rede ist. Diese Tatsache ändert aber bislang nichts an den Sorgen Frankreichs. Im Élysée verweist man auf Le Pens Hetzkampagne im Vorfeld des Aachener Vertrags zwischen Paris und Berlin. Damals machte die Rechtspopulistin eine "Unterwerfung" Frankreichs aus: Elsässer und Lothringer würden unter germanische "Bevormundung" gestellt und durch das Gebot von mehr deutsch-französischer Zweisprachigkeit demnächst gezwungen, Deutsch zu reden. Davon steht im Aachener Dokument nichts; und doch bestimmte Le Pen die Debatte über das Abkommen. Genau davor hat Macron nun auch im Zollstreit mit den USA Angst.

In Berlin stoßen diese Sorgen zwar durchaus auf Verständnis; aber allen voran Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier machte in den vergangenen Wochen Druck. Auf seiner Seite hat er die Europäische Kommission, die für die gemeinsame Handelspolitik der EU-Staaten zuständig ist. Und so ist Frankreich in der Frage des Mandats ziemlich isoliert in Europa. Sogar Spanien, wo Ende des Monats ein neues Parlament gewählt wird, hat sich zuletzt dafür ausgesprochen. Die meisten EU-Staaten wollen Trump nicht länger warten lassen. In Washington ist die Geduld mit den Europäern so langsam erschöpft. Es ist ja nun auch schon fast neun Monate her, dass EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit Trump eine Art Waffenstillstand vereinbart hatte: Solange Gespräche über mögliche Handelsvereinbarungen laufen, greift keiner den anderen an. "Ob Trump sich daran hält, weiß niemand", sagt ein EU-Beamter, "aber ein Mandat wäre ein Zeichen unseres guten Willens."

In Berlin sieht man das genauso. Die Hoffnung ist groß, dass sich die Franzosen nun auf ein Gegengeschäft einlassen. Aus deutscher Sicht ist man vergangene Woche in Vorleistung gegangen. Die Bundesregierung hat zwar entschieden, den Exportstopp nach Saudi-Arabien wegen des Jemen-Krieges und der Ermordung des Regierungskritikers Jamal Khashoggi um sechs Monate zu verlängern. Zugleich erlaubte sie aber die unterbrochene Fortführung von Gemeinschaftsprojekten, solange solche Waffen nicht in den nächsten Monaten nach Saudi-Arabien geliefert werden. Das hatte Paris verlangt, um französischen Firmen aus der Klemme zu helfen. Die Nöte einzelner Produzenten wegen des deutschen Alleingangs seien ein gefundenes Fressen für Le Pen, hatten sich die Franzosen beklagt.

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Quelle:
SZ vom 05.04.2019
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