Deutschland und der Syrien-Krieg:Im Land des Zögerns

Angela Merkel und Emmanuel Macron

Angela Merkel und Emmanuel Macron: Der militärische Eifer Frankreichs und die Zögerlichkeit Merkels sind eine Konstante dieser Kanzlerschaft.

(Foto: dpa)

Kanzlerin Merkel hat zum Militärschlag in Syrien schnell "Nein" gesagt und ein paar billige innenpolitische Punkte eingeheimst. Ist ihre Skepsis angebracht oder einfach nur bequem?

Kommentar von Nico Fried, Berlin

Zwölfeinhalb Jahre ist Angela Merkel im Amt, aber es gibt Dinge, die ändern sich nie. Emmanuel Macron ist der vierte französische Präsident, mit dem diese Bundeskanzlerin zu tun hat. Und jeder der Partner aus dem Élysée, die doch stets mit Küsschen hier und Küsschen da einen Hauch Zärtlichkeit in die deutsch-französischen Beziehungen pusten, hat Merkel früher oder später mit militärischer Gewalt in Kalamitäten gebracht.

Wirtschaftlich mag Deutschland das Verhältnis zuletzt dominiert haben. Außenpolitisch hat sich immer Frankreich als Tempomacher verstanden, vor allem, wenn es um ein militärisches Eingreifen ging. Jeder Präsident hat irgendwann Größe und Einfluss geltend gemacht, die Paris weltpolitisch noch immer beansprucht - und dabei auch den Unterschied zu Deutschland vorgeführt, der sich aus dem Status einer Atommacht und einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat ergibt.

Der militärische Beitrag Berlins in Syrien bestand darin, fest die Daumen zu drücken

Der jüngste Raketeneinsatz Frankreichs an der Seite der USA und Großbritanniens hat diese Hierarchie wieder gezeigt. Realpolitisch hat sich nichts verändert, in Syrien sowieso nicht, aber auch nicht für Merkel, außer dass sie nun auch mit Macron den Grande-Nation-Moment erlebt hat: Paris handelt, Berlin eiert. Dass es jedes Mal wieder so läuft, beweist keineswegs, dass die Franzosen stets das Richtige tun. Aber es beweist auch nicht, dass Merkel überzeugend darlegen könnte, was das Richtige wäre.

Der militärische Eifer Frankreichs und die Zögerlichkeit Merkels sind eine Konstante dieser Kanzlerschaft, deren Fundament Jacques Chirac gegossen hat. Er überredete die neue deutsche Freundin wenige Monate nach ihrem Amtsantritt zu einer vergleichsweise harmlosen Wahlbeobachtungs-Mission im Kongo - Merkels erster Militäreinsatz. Die Kanzlerin fühlte sich überrumpelt und schwor, dass ihr das nicht noch einmal passiert.

Seither entscheidet sie von Fall zu Fall, aber stets zwischen den Alternativen nichts und wenig. Nicolas Sarkozy zog mit Amerikanern und Briten, aber ohne Zustimmung, geschweige denn Beteiligung der Deutschen in Libyen zu Felde. Dem Nachfolger François Hollande kam die Bundeswehr nach den Terroranschlägen in Frankreich immerhin mit Aufklärungstornados im Nahen Osten und einer Unterstützungsmission in Mali zu Hilfe. Jetzt in Syrien bestand der einzige militärische Beitrag Berlins darin, ganz fest die Daumen zu drücken.

Merkel macht keine gute Figur

Nur bei einer außenpolitischen Unternehmung von Bedeutung war es umgekehrt, bezeichnenderweise einem Einsatz ohne Waffen: Als Merkel schon zur Vermittlerin im Ukraine-Konflikt geworden war, bat sie Hollande dazu. Nun ächzt die EU zwar bei jeder Verlängerung der Sanktionen gegen Moskau, agiert bislang aber noch geschlossen. Die Bundeswehr hingegen hat Merkel in ihrer Kanzlerschaft aus Solidarität mit den Partnern, einschließlich Israel, zwar in mehrere Missionen schicken lassen.

Die eher randständige Beteiligung am Kampf gegen den IS war aber der einzige Krieg, der dazugekommen ist. Gemessen an Merkels Vorgänger Gerhard Schröder und dessen Enttabuisierung des Militärischen ist das eine ziemlich moderate Bilanz, zumal Merkel nun schon fünf Jahre länger regiert als der SPD-Kanzler. Es ist zudem ein überraschender Befund, weil die damalige Oppositionspolitikerin Merkel im Streit um den Irak-Krieg gegen den zwischenzeitlichen Friedensfürsten Schröder durch eigenes Zutun eher das Image einer Kriegstreiberin erworben hatte.

Merkel beurteilt Interventionen nach den letzten Erfahrungen gelinde gesagt skeptisch. Trotzdem lautet die Frage: Reicht das angesichts der Aufgaben für Europa und des Wegfalls einer berechenbaren US-Regierung? Ist diese Skepsis schon Politik oder nur bequem? Frankreich mag zusammen mit Briten und Amerikanern dem kurzfristigen Zug zum Militärischen zu oft verfallen sein. Das Fiasko in Libyen, aber auch der vorzeitige und eigenmächtige Abzug aus Afghanistan geben beredtes Zeugnis von dieser Politik, die oft an mangelnder Ausdauer scheitert.

Umgekehrt redet man in Deutschland seit Jahren, beginnend bei den Bundespräsidenten, von mehr internationaler Verantwortung. Das aber muss die Debatte um das Militärische einschließen, die bisher gerne gemieden wird. Die gute Absicht ersetzt keine Antworten auf unangenehme Fragen, die beim Geld für die Bundeswehr anfangen und beim Parlamentsvorbehalt nicht aufhören sollten.

Merkel hat diesmal schnell "Nein" gesagt und ein paar billige innenpolitische Punkte eingeheimst. Das war unsolidarisch und unter ihrem Niveau. So ist es nur gerecht, dass sie nun zwischen all den Fragen zur Geschlossenheit einerseits und völkerrechtlichen Zweifeln andererseits keine gute Figur macht. Merkel wäre in ihrer letzten Amtszeit frei, endlich zu diskutieren, unter welchen Umständen und in welchem Ausmaß Deutschland künftig "Ja" sagen würde. Nicht vor oder nach, sondern mit Paris.

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