Deutschland und der Irak-Krieg:Jein zum Krieg

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Es hat zwei Seiten deutscher Politik gegeben: Die offizielle, saubere Seite, die den Bush-Krieg gegen den Irak verurteilt und die Beteiligung daran abgelehnt hat - und die inoffizielle, unsaubere Seite, die den offiziellen Verlautbarungen nicht entsprach.

Heribert Prantl

Als Gerhard Schröder mit einem Großen Zapfenstreich in den Ruhestand verabschiedet wurde, spielte das Musikkorps auf besonderen Wunsch des scheidenden Kanzlers das Lied von Mackie Messer.

Der Song aus der Dreigroschenoper endet in der gesungenen Version mit der Frage: "Mackie, welches war dein Preis?" Es ist dies die Frage, die sich nun an Schröder richtet. Welches war der Preis, den Schröder und seine Bundesregierung für ihr Nein zum Irak-Krieg an die Amerikaner bezahlt haben? Mit welchen Leistungen hat man sich Bush wieder gewogen zu machen versucht?

Wie es aussieht, waren die Hand- und Spanndienste Deutschlands für den Irak-Krieg umfangreicher als bisher bekannt. Wie es aussieht, hat der BND, also der deutsche Auslandsgeheimdienst, Ziele für US-Bomber ausgekundschaftet.

Wie es aussieht, haben BND-Agenten zumindest in einem Fall als eine Art Feuerleitstelle fungiert. Dabei sollte Saddam Hussein am 7. April 2003 durch einen Luftangriff auf den Bagdader Stadtteil Mansur getötet werden; es kamen dabei aber nur Zivilisten um. Sind sie Kollateralschäden der deutschen Politik?

Selbstverständliche Zusammenarbeit

Folgendes steht fest: Der BND hat das offizielle deutsche Nein zum Irak-Krieg konterkariert und mit Genehmigung seines damaligen Präsidenten August Hanning, heute Staatssekretär bei Wolfgang Schäuble, und des damaligen Geheimdienst-Koordinators Ernst Uhrlau, heute BND-Präsident, die Dienste des Geheimdienstes den kriegführenden Amerikanern zur Verfügung gestellt.

Nun ist es an sich nicht verwerflich, sondern selbstverständlich, dass Geheimdienste zusammenarbeiten. Es wäre auch töricht zu verlangen, dass zu Irak-Kriegszeiten jegliche Kontakte hätten abgebrochen werden müssen.

Doch der Bundesnachrichtendienst stellte seine Dienste nicht in allgemeiner, sondern in sehr konkreter Form operativ zur Verfügung, zielführend im Wortsinn. Die Deutschen hatten ein zum Auskundschaften taugliches Personal in Bagdad, die Amerikaner nicht.

Es ist hochwahrscheinlich, dass diese Kriegshilfe nicht ohne Rückversicherung beim damaligen Kanzleramtsminister und jetzigen Außenminister Steinmeier geleistet wurde.

Und es ist wiederum zu vermuten, dass Steinmeier eine solche Entscheidung nicht ohne den Kanzler getroffen hat. Das würde bedeuten: Das Nein der Regierung Schröder zum Irak-Krieg war eine Lüge. Das würde bedeuten: Deutschland hat sich an einem verbotenen Angriffskrieg beteiligt.

Keine Marginalie

Und das würde auch bedeuten: Die Regierung Schröder hat ihre Wähler genasführt; sie hatte 2002 die Wahl ja vor allem wegen seiner Ablehnung des Irak-Kriegs wider Erwarten gewonnen.

In der Historie des Irak-Krieges mag die BND-Beteiligung eine Marginalie sein. In der bundesdeutschen Geschichte ist sie das nicht.

Dies alles wird in einem Untersuchungsausschuss zu klären sein. Es ist aber nicht zu erwarten, dass die SPD über Schröders Schatten springt und solchen Untersuchungen zustimmt. Und die Union wird aus Gründen der Koalitionsräson nicht drängen, zumal die Zukunft von Merkels Außenminister Steinmeier gefährdet sein könnte.

Es hängt an den Grünen

Das heißt: Die drei Oppositionsparteien FDP, Linkspartei und Grüne werden sich zusammentun müssen, um einen Untersuchungsausschuss zu erzwingen. Gemeinsam bringen sie mit knapper Not das dafür notwendige Viertel der Stimmen des Bundestags auf die Waage.

Es wird an den Grünen hängen, ob parlamentarisch untersucht wird, was untersucht werden muss: Entweder Steinmeier und Schröder haben, wie Ersterer behauptet, von der kriegerischen Zusammenarbeit mit den USA wirklich nichts gewusst; das wäre dann ein Fall eklatanten Unvermögens der politischen Führung sowie der Insubordination und Konspiration des Geheimdienstes.

Wenn sie aber diese militärische Kooperation gebilligt oder gar betrieben haben - dann steht man vor einem Abgrund von Lügen, dann bröckelt die Friedlichkeit des Friedenskanzlers.

Bei Gelegenheit der BND-Kooperation mit den Amerikanern im Irak im Jahr 2003 darf man sich an die Kooperation des BND mit den Russen in Tschetschenien im Jahr 2000 erinnern. Damals gab es den Verdacht, der BND habe den Russen Informationen für den Tschetschenien-Krieg geliefert. Wer sarkastisch ist, mag nun sagen, Deutschland habe, aus Paritätsgründen, die Dienste, die man den Russen im Tschetschenien-Krieg geleistet hatte, den Amerikanern im Irak-Krieg nicht verweigern wollen.

Es hat zwei Seiten deutscher Politik gegeben: Die offizielle, saubere Seite, die den Bush-Krieg gegen den Irak verurteilt und die Beteiligung daran abgelehnt hat - und die inoffizielle, unsaubere Seite, die den offiziellen Verlautbarungen nicht entsprach.

Auf dieser Seite war von Anfang an die Selbstverständlichkeit zu verbuchen, mit der es den USA gestattet wurde, ihre Logistik, die sich auf deutschem Boden befand, für den Irak-Krieg zu nutzen. Zur unsauberen Seite gehört, wie man seit der CIA-Flugaffäre weiß, auch die Duldung amerikanischer "Outsourcing of Folter"-Praktiken auf deutschem und europäischem Boden.

Nun kommt eine direkte Mitwirkung des BND am Irak-Krieg hinzu. Die unsaubere Seite der deutschen Friedenspolitik wird immer unsauberer.

© SZ vom 13.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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