Vereinte NationenPlötzlich Außenseiter

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Keine Anerkennung Palästinas durch Deutschland – jedenfalls nicht jetzt: Außenminister Johann Wadephul auf seinem Weg zur Generalversammlung der Vereinten Nationen.
Keine Anerkennung Palästinas durch Deutschland – jedenfalls nicht jetzt: Außenminister Johann Wadephul auf seinem Weg zur Generalversammlung der Vereinten Nationen. (Foto: Kay Nietfeld/Kay Nietfeld/dpa)
  • Deutschland lehnt eine Anerkennung Palästinas ab 147 Ländern haben das aber bereits getan.
  • Außenminister Wadephul kämpft in New York um die nötigen 129 Stimmen für einen deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat für 2027/2028.
  • Bundeskanzler Merz fehlt bei der UN-Generalversammlung wegen der Haushaltsberatungen im Bundestag, was auf Kritik der Opposition stößt.
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Deutschland lehnt eine Anerkennung Palästinas ab und gehört damit zu einer kleiner werdenden Minderheit. Für einen Sitz im Sicherheitsrat braucht es eine große Mehrheit. Wie Außenminister Wadephul sie trotzdem zusammenbekommen will.

Von Daniel Brössler, Berlin

Es geht um Krieg und Frieden. Ums Klima. Auch um künstliche Intelligenz. Am Ende dieser New Yorker Woche aber, wenn Deutschlands Außenminister Johann Wadephul Dutzende Kollegen getroffen, etliche diplomatische Empfänge absolviert, zahllose Beratungen hinter sich gebracht, vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen gesprochen und zwischendurch noch einen Abstecher nach Berlin gemacht haben wird, dreht es sich dann doch wieder um diese zwei Zahlen. 129 und 150. 129 – so viele Stimmen benötigt ein Staat, der als nicht ständiges Mitglied in den Sicherheitsrat gewählt werden will. 150– so viele Länder haben Palästina als Staat anerkannt. Bis zum Ende dieser Woche dürften einige hinzukommen. Deutschland, so viel ist sicher, wird nicht dabei sein.

Was die eine mit der anderen Zahl zu tun haben könnte, ist die Frage, die Johann Wadephul bei seiner ersten UN-Generalversammlung als Außenminister mit sich herumschleppen wird. Als erster Christdemokrat im Amt seit Jahrzehnten ist er es gewohnt, dem Bundeskanzler auf der Weltbühne den Vortritt zu überlassen, und wo eher als hier in New York würde es sich anbieten? Donald Trump kommt, Emmanuel Macron sowieso. Recep Tayyip Erdoğan, Lula da Silva und Giorgia Meloni werden ebenfalls da sein. 152 Staats- und Regierungschefs haben sich angekündigt zur Generalversammlung der Vereinten Nationen (UNGA). Alljährlich im September erfüllt sie immer auch eine Funktion als Klubtreffen der Mächtigen. Da fällt auf, wenn einer fehlt. Friedrich Merz spricht zwar am Mittwoch tatsächlich in der Generaldebatte, allerdings der des Bundestages.

Die Grünen kritisieren, dass der Kanzler nicht zur Generaldebatte reist

In Berlin wird über den Haushalt für nächstes Jahr entschieden. Der ist für den Kanzler, der ohnehin mit dem Stempel des Außenkanzlers hadert, jetzt noch wichtiger als das Weltgeschehen. Zumal nicht jeder Termin aus Sicht des Bundeskanzlers erfreulich ist. Auf Initiative Frankreichs und Saudi-Arabiens wird an diesem Montag eine hochrangige Konferenz über die Zwei-Staaten-Lösung für Israel und Palästina beraten. Präsident Emmanuel Macron hat schon angekündigt, den Rahmen für die Anerkennung Palästinas nutzen zu wollen. Etliche Europäer haben sich ihm angeschlossen, Portugal etwa. Das südeuropäische Land konkurriert mit Deutschland und Österreich um einen der zwei westeuropäischen Sitze im Sicherheitsrat für die Periode 2027/2028. Neben Großbritannien, Kanada und Australien gab auch Portugal die Anerkennung am Sonntagabend bekannt.

Für die Bundesregierung steht das hingegen „gegenwärtig nicht zur Debatte“, wie Merz gerade noch einmal betont hat. „Eine solche Anerkennung sehen wir weiter als einen der letzten Schritte, nicht als einen der ersten hin auf dem Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung“, sagte er. Das Fehlen des Kanzlers bei Macrons Konferenz und der Generalversammlung stößt in Berlin auf Kritik der Opposition. Für einen Fehler hält es die Co-Vorsitzende der Grünen, Franziska Brantner. „Herr Merz betont immer wieder, dass ihm Israels Sicherheit am Herzen liegt. In New York hätte er beweisen können, dass er das ernst meint“, sagte sie der Süddeutschen Zeitung. Aus Sicht der Grünen-Chefin hätte Merz nach New York reisen und rechtzeitig zu seiner Rede im Bundestag zurück sein können.

Auch Brantner plädiert nicht für eine sofortige Anerkennung Palästinas, wirft der Bundesregierung aber Untätigkeit vor. „Eine Anerkennung muss eingebettet sein in einen Prozess, der beiden Seiten Sicherheit und Existenz garantiert“, sagte sie. Wenn diese Initiative nicht erfolgreich sei, „dann wird Trump am Ende entscheiden, wie es in dieser Region weitergeht. Das kann keiner von uns wollen“. Einer Erklärung zur Unterstützung der Zwei-Staaten-Lösung bei gleichzeitiger Verurteilung der Hamas hat Deutschland am 12. September mit 141 weiteren Staaten allerdings zugestimmt. Auch zur Palästina-Konferenz hat sich Wadephul angesagt. Vertreten wird er dort die bekannte deutsche Linie, wiewohl es in der SPD Stimmen für die Anerkennung gibt. Damit aber würde die Bundesregierung einen innenpolitischen Sturm entfachen. Viele vor allem in der Kanzlerpartei CDU und in der CSU würden eine Anerkennung Palästinas als klare Abkehr von der Israel verpflichteten Staatsräson sehen. International und in Europa gerät Deutschland so in eine immer stärkere Minderheitenposition.

Der Minister auf Speeddating in New York

Für Wadephul macht das seinen Job als Wahlkämpfer nicht einfacher. Fast alles, was er in dieser Woche tut und lässt, ist dem Ziel der Wahl in den Sicherheitsrat untergeordnet. Im Speeddating wird er Kollegen treffen und bei vermutlich jeder Gelegenheit den deutschen Wahlspruch platzieren: „Respekt. Gerechtigkeit. Frieden.“ Die Bundesrepublik war bereits sechs Mal Mitglied. Sie verfolgt das Ziel und den Anspruch, alle acht Jahre in das mächtigste UN-Gremium gewählt zu werden. Zuletzt gehörte es dem Sicherheitsrat 2019 und 2020 an. Die Wahl ist zwar nie ein Selbstläufer, aber für gewöhnlich können die Deutschen auf ihren guten Ruf eines verlässlichen Mitglieds und wichtigen Geldgebers bauen. Prinzipiell ist das noch so, aber es gibt Unwägbarkeiten.

Kaum zu kalkulieren sind die Auswirkungen der Palästina-Debatte, wobei man sich die Wahl in den Sicherheitsrat nicht als Beliebtheitswettbewerb oder vornehme Diplomatie vorstellen darf. Beim Einsammeln der Unterstützungszusagen geht es eher direkt zu. Die Staaten interessiert, ob sie bei ähnlichen Gelegenheiten und Wahlen auf Deutschland zählen können. Was dann im Zweifel entscheidender ist als die Haltung zu Israel und Palästina oder zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Wie viele Unterstützungszusagen schon eingesammelt worden sind, behandeln die deutschen Diplomaten als Geheimnis – zumal die Zusagen sich in ihrer Verlässlichkeit unterscheiden.

In Einzelgesprächen wird Wadephul versuchen, die deutsche Liste auf den neuesten Stand zu bringen und zu verlängern. Seinen Wahlkampf wird Wadephul allerdings für etwa 24 Stunden für einen Berlin-Trip unterbrechen. Am Mittwoch geht es im Bundestag um das Budget fürs Auswärtige Amt, inklusive 576,7 Millionen Mitgliedsbeitag für die UN. Da ist er dabei.

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