Deutschland - Türkei:Erdoğan nennt sein Land einen Rechtsstaat

Ankara und Berlin setzen die wechselseitigen Vorwürfe fort - nur Kanzleramtsminister Altmaier sucht nach ein paar Gemeinsamkeiten.

Von Nico Fried, Berlin

Zwischen Deutschland und der Türkei hagelt es auf höchster politischer Ebene weiter Vorwürfe. Nachdem sich nun auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit scharfen Worten in die Diskussion eingemischt hat, verbat sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan Kritik aus Berlin. Die Türkei sei "ein demokratischer, sozialer Rechtsstaat", sagte er am Sonntag in Istanbul vor seinem Besuch in Saudi-Arabien. "Niemand hat das Recht, sich in die inneren Angelegenheiten der Türkei einzumischen."

Steinmeier hatte dem ZDF gesagt, die letzten Reste an Kritik und Opposition in der Türkei würden, "jetzt verfolgt, werden ins Gefängnis gesteckt, werden mundtot gemacht. Das können wir nicht hinnehmen". Der Bundespräsident unterstützte auch die schärfere Gangart der Bundesregierung. "Das ist auch eine Frage der Selbstachtung unseres Landes, finde ich, hier deutliche Haltsignale zu senden." Es sei auch nötig gewesen, dass sich die Bundesregierung an die drei Millionen türkischstämmigen Menschen in Deutschland gewandt habe.

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte sich am Wochenende in einem offenen Brief an die in Deutschland lebenden Türken gewandt. "Gleichgültig, wie schwierig die politischen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei sind, bleibt für uns klar: Sie, die türkischstämmigen Menschen in Deutschland, gehören zu uns - ob mit oder ohne deutschen Pass", schrieb Gabriel in der Bild-Zeitung und auf der Internetseite des Auswärtigen Amts.

Erdoğan bekräftigt Partnerschaft, Altmaier verweist auf strategische Bedeutung der Türkei

Erdoğan warf deutschen Politikern vor, auf Kosten der Türkei Wahlkampf zu betreiben. Auch die Berichterstattung zur Lage in seinem Land kritisierte der Präsident. Die Angriffe auf die Türkei und insbesondere auf ihn selbst in den Medien seien "unverzeihlich". Der türkische Staatschef verwies auf die "strategische Partnerschaft" zwischen Deutschland und der Türkei: "Wir sind zusammen in der Nato. Wir sind ein Beitrittskandidat der EU", sagte Erdoğan und warnte: "Es sollten keine Schritte unternommen werden, die diese Partnerschaft überschatten."

Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) nannte das Verhalten der türkischen Regierung "inakzeptabel". Auch erteilte er in der Bild am Sonntag den angeblichen Vorschlägen Ankaras eine Absage, die inhaftierten Deutschen gegen türkische Staatsbürger auszutauschen, die nach dem Putschversuch Asyl beantragt haben. Deutschland sei "in keiner Weise erpressbar".

Zugleich bemühte sich Altmaier erkennbar darum, die strategische Bedeutung der Türkei hervorzuheben. "In der Region ist die Türkei eines der demokratischsten Länder", sagte er. "Und damit meine ich gar nicht Herrn Erdoğan, sondern das Land und die türkische Gesellschaft insgesamt."

Auch die Forderung nach einem Nato-Austritt der Türkei wies Altmaier zurück: "Griechenland und die Türkei sind Nato-Mitglieder, und in beiden Staaten gab es in den 60er-, 70er-, 80er- und 90er-Jahren Diktaturen, zum Teil sogar gleichzeitig", sagte er. "Trotzdem sind beide in der Nato geblieben."

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