Deutschland spricht:"Nur in Diktaturen darf nicht gestritten werden"

AfD-Demonstration und Gegendemonstration

Barriere der Sprachlosigkeit: AfD-Anhänger und Gegendemonstranten in Berlin

(Foto: picture alliance / Kay Nietfeld/)

Der Soziologe Armin Nassehi erklärt, wie man in einer Demokratie vernünftig miteinander debattiert, warum Polarisierung kein Problem sein muss und wann Verachtung angemessen ist.

Interview von Dirk von Gehlen

Am Sonntag treffen sich um 15 Uhr in ganz Deutschland tausende Menschen, um über Grenzkontrollen, #Metoo und autofreie Innenstädte zu streiten. Elf Medienhäuser haben dazu im Rahmen der Aktion "Deutschland spricht" Leser mit unterschiedlichen politischen Positionen zum Mitmachen und Streiten eingeladen. Armin Nassehi leitet den Lehrstuhl für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, ist auch außerhalb der Wissenschaft eine bekannte Stimme. Nassehi scheut weder Konflikte noch den Dialog mit Andersdenkenden. 2014 lieferte er sich einen Mailwechsel mit dem rechten Denker Götz Kubitschek. Auch deshalb eignet er sich als Interviewpartner für ein Gespräch über Gespräche.

SZ: Ich würde gerne mit einer kleinen Runde Ja-Nein-Fragen einsteigen...

Nassehi: Okay, gern.

Erste Frage: Sollte Deutschland seine Grenzen strikter kontrollieren?

Da wollen Sie jetzt Ja oder Nein hören? (seufzt) Das ist aber komplizierter. Im Schengen-Raum impliziert die Kontrolle der Grenzen mehr als nur das, was Nationalstaaten immer ausgemacht hat, insofern ist die Frage nach der Kontrolle der deutschen Grenzen so gar nicht zu beantworten, zumal die Lebenslüge der Diskussion der Binnengrenzen ja darin besteht, dass diese sich umgekehrt proportional zu den Außengrenzen Europas verhalten. Übrigens zu fordern, dass Grenzen per se illegitim seien, ist ebenso unrealistisch wie naiv. Die Frage nach der strikteren Kontrolle der Grenzen zielt also auf mehr, als sie auf den ersten Blick sagt - ein schöner Hinweis darauf, wie schwierig Diskussionen über solche Fragen sind.­

Das lösen wir gleich auf. Vorher Frage zwei: Haben die #Metoo-Debatte und die Diskussion um sexuelle Belästigung etwas Positives bewirkt?

Da kann man gar nicht nein sagen. Und wie bei allem Positiven gibt es allerdings auch Nebenfolgen, die ebenfalls schwierig sind.

BKA-Herbsttagung in Ingelheim

Soziologieprofessor Armin Nassehi lehrt an der LMU in München.

(Foto: picture alliance / Arne Dedert/d)

Sollte Fleisch stärker besteuert werden, um den Konsum zu reduzieren?

(denkt nach) Die Frage würde ich Füchsen und Wölfen stellen.

Sollten deutsche Innenstädte autofrei werden?

Auch da gibt es nur eine erwartbare legitime Antwort, und die heißt ja. Und wie bei allen allzu korrekten Antworten ist auch diese viel zu einfach. Aber weniger Autoverkehr in den Städten ist in jedem Fall besser. Die Frage ist, wie man dazu kommt. Vielleicht lässt es sich über Anreize, zum Beispiel bessere öffentliche Verkehrsangebote, besser steuern als über Verbote. Das Verbot - das weiß jeder, der Kinder hat - erhöht den Wunsch nach dem Verbotenen. Im Gespräch aus dem Nein/Ja-Schema eine Weniger/Mehr-Frage zu machen, wäre schon eine echte Leistung.

Ist Donald Trump gut für die USA?

Wer sind die USA? Für Manche ist Donald Trump richtig gut, weil er ihnen Identitätsangebote macht, weil er für manche ökonomisch ein Gewinn ist. Es wird freilich immer sichtbarer, mit welchem Flurschaden diese eher begrenzten Vorteile erkauft werden. Wieder eine Frage, die sich dem Ja/Nein-Schema entzieht, zumal ein Dialektiker ja in Trump einen Anlass sehen könnte, eine funktionierende Demokratie schätzen zu lernen. Dann wäre er fast gut, oder?

Das sind Fragen, mit deren Hilfe beim Projekt "Deutschland spricht" Diskussionspaare mit möglichst gegensätzlichen Ansichten gesucht wurden...

... das sind schöne Anlässe, damit die Leute anfangen zu reden, schon weil kaum erwartbar ist, dass sich einfach Ja/Nein-Oppositionen bilden. Dafür sind die Fragen zu komplex. Und schon kann man an den Sätzen des Gegenübers etwas über die Bedingung der eigenen Sätze lernen.

Das Projekt reagiert auf eine gefühlte Polarisierung in der Gesellschaft, bei der viel in schwarz und weiß geteilt wird. Sehen Sie als Soziologe diese Entwicklung auch?

Ja, klar. Dabei ist die allzu starke Polarisierung eher ein Effekt dessen, dass man die angesprochenen Fragen so behandelt, als könne man einfach Ja oder Nein sagen. Polarisierung heißt: Wenn der andere Ja sagt, muss ich Nein sagen. Solche Polarisierungen gibt es etwa im kulturellen Selbstverständnis. Die einen versuchen dabei sehr polarisierend zu sagen, dass es so etwas wie Asymmetrien und Grenzen nicht geben darf und soll. Und die anderen sagen, dass Identität und Selbstbeschreibung nur dann möglich ist, wenn man klar definiert, wer drinnen und wer draußen ist. Das ist eine schöne Opposition, die aber nicht mehr standhalten kann, wenn man sich gegenseitig befragt. Wer sich dem aussetzt, wird womöglich feststellen, wie abhängig die eigene Position von der des Gegenübers ist.

Ist diese Polarisierung ein politisches Problem?

Nicht generell. Demokratische Kultur zeichnet sich doch dadurch aus, dass es legitimerweise auch andere Lösungsmöglichkeiten geben könnte. Stellen Sie sich eine Gesellschaft vor, in der es keine Polarisierung und nur die eine mögliche Wahrheit gibt. Das wäre das, was wir diktatorisch nennen. Insofern: Nix gegen Polarisierung. Die Frage ist: Was für eine Polarisierung?

Ist die Krise größer als gedacht?

In den vergangenen Monaten haben einige Akteure so getan, als gäbe es eine Art Ausnahmezustand, weil zu viele Flüchtlinge im Land sind oder Nazis demonstrieren.

Um es deutlich zu sagen: Wir sind weit weg von irgendeinem Ausnahmezustand. Vielleicht kann so etwas nur eine Generation sagen, die nie einen Ausnahmezustand erlebt hat. Als Ausnahmezustand kann man das nur erscheinen lassen, wenn es gelingt, alle Themen der Gesellschaft in den Antagonismus dieses Themas hineinzuziehen. Dann sieht man nichts anderes mehr als Flüchtlinge und Migrationsprobleme. Etwas optimistischer könnte man aber formulieren: Vielleicht wird in diesen Zeiten deutlicher, welchen Wert ein demokratisches System hat und haben kann.

Wie denn?

Beginnen wir mit dem, was Politik überhaupt leistet. Sie kann nicht die Gesellschaft steuern, sondern versorgt sie mit kollektiv bindenden Entscheidungen. Es sind also zwei Funktionen: Entscheidungen als Lösungen anzubieten und ein politisches Kollektiv zu formieren, in dem über diese Entscheidungen verhandelt wird. Derzeit erleben wir, dass die zweite Funktion, die Herstellung von Kollektiven, in den Vordergrund tritt. Und da sind wir beim Kern der heutigen Polarisierung, denn die hat sich von den Sachfragen zum Teil gelöst und läuft sehr häufig auf die Frage hinaus: Wer gehört dazu und wer nicht?

Warum ist diese Frage so bedeutsam geworden?

Wenn Sie sich die westdeutsche Gesellschaft seit den 1970er Jahren anschauen, sehen Sie etwas, was ich mal "radikale Inklusionsschübe" genannt habe. Gruppen, die vorher nicht viel zu sagen hatten, wurden in die Gesellschaft reingeholt, vor allem durch Bildungsexpansion, sozialen Aufstieg und kulturelle Teilhabe. Das waren zunächst die Arbeiter, dann die Frauen, dann sexuelle Minderheiten und schließlich sogenannte ethnisch Fremde. Diese Inklusionsschübe verändern die Idee der Kollektivität. Man könnte auch sagen: diese Entwicklung war - egal von welcher Partei umgesetzt - latent linke Politik. Allerdings in einem Umfeld, in dem ein latent rechtes Bezugssystem immer schon gelöst war: Der Nationalstaat war relativ autark und die Zugehörigkeit war klar. Man musste darüber gar nicht groß nachdenken.

Ist die Krise also doch größer?

Ich finde, dass wir all diese Dinge überhaupt diskutieren, zeigt dass die Inklusionspolitik in Wahrheit sehr erfolgreich war. Die Kollektivität ändert sich - und darüber wird heute mehr diskutiert als früher. Ein klar definierter Nationalstaat war auch in der Hochphase der Sozialdemokratie wesentlich. Das hören Sozialdemokraten nicht so gerne, aber das ist so. Deshalb gibt es heute linke Bewegungen, die einen geschlossenen Sozialstaat haben wollen, in den man nicht so leicht reinkommt. Und aus dieser Gemengelage entstehen die Polarisierungen, die wir gerade erleben, und es ist auch der Nährboden, aus dem überall in Europa rechte Politikmodelle sprießen.

Kann man sagen, dass es bei einem Projekt wie "Deutschland spricht" auch um Selbstvergewisserung geht: Wer sind wir eigentlich?

Es ist zunächst mal eine schöne Formel. Denn man könnte ja die Diagnose wagen: Vorher hat Deutschland nicht gesprochen. Soziologisch ausgedrückt: Die entscheidenden Milieus haben sich recht weit voneinander entfernt. Wenn man es unerlaubt grob unterscheiden will, gibt es auf der einen Seite die gebildete, urbane, eher weibliche, post-materiell orientierte Mittelschicht in den Städten. Und auf der anderen Seite gibt es eher traditionell, konservativ, womöglich in mancherlei Hinsicht etwas bildungsferner angesiedelten Gruppen auf dem Land, die sich kulturell bisher wenig zu sagen haben. Es ist nicht nur die Ost-West-Unterscheidung, es ist nicht nur die Stadt-Land-Unterscheidung...

Ist es eine links-rechts Unterscheidung?

Die erste Gruppe ist der größte Nutznießer der Inklusionsschübe der 1970er und 1980er Jahre, die von der latent linken Politik profitiert haben, während die anderen natürlich nicht rechts sind, aber von der Lösung des rechten Bezugsproblems profitiert haben. Es geht hier übrigens nicht um Parteipolitik. Denn diese Unterscheidung findet man in beiden großen Volksparteien. Sie zerreißt sie beide. Die SPD zerreißt diese Unterscheidung, weil sie semantisch nahe an den urbanen Mittelschichts-Milieus hängt, ihr Stammklientel aber kaum mehr ansprechen kann. Denn die SPD war immer die Partei des sozialen Aufstiegs. Und für die Union gilt etwas Ähnliches: Für klassische Konservative und erst recht für jene rechts davon ist die Merkel-CDU letztlich auch ein Ergebnis der latent linken Inklusionsschübe, was eben auch dazu führt, dass sich die klassische Stammklientel etwas übergangen fühlt. Das ist geradezu komplementär - und da ist "Deutschland spricht" eine schöne Formel dafür, diese Verschiebungen genauer wahrnehmen zu können.

"Der andere könnte recht haben"

Gadamer hat mal gesagt: "Bildung ist die Fähigkeit, die Welt aus der Perspektive eines anderen zu sehen."

Ja, darum geht es. Die Perspektive des Anderen, der vermeintlich falsch liegt, wenigstens versuchsweise einzunehmen. Dadurch werden sich Polarisierungen nicht auflösen, aber verstehbarer.

Wie kommen wir dahin?

Wir müssen keine Brüder und Schwestern sein. So hat es Helmuth Plessner schon im Jahr 1924 in seinem grandiosen Buch "Die Grenzen der Gemeinschaft" formuliert. Und ich finde man sollte das heute nochmal lesen. Er beschreibt darin, wie moderne Formen von Solidarität und Verbundenheit funktionieren: nämlich als besondere Form der Unverbundenheit, als Garant gegen soziale Radikalisierung. Erst wo wir keine Brüder und Schwestern sein müssen, können wir kontrovers diskutieren und uns durch Perspektivenübernahme unserer eigenen Argumente versichern.

Es gibt Solidarität, auch wenn man in unterschiedlichen Milieus lebt. War Ihr Austausch mit dem rechten Denker Götz Kubitschek auch eine Art "Deutschland spricht"?

Das weiß ich nicht. Es war in jedem Fall in einer anderen Zeit. Und ob ich es heute nochmal machen würde, ist eine andere Frage. Ich habe im Jahr 2014 einen Briefwechsel mit ihm geführt, der im Nachhinein publiziert worden ist. Manche haben mir Naivität vorgeworfen, weil ich im Gespräch nicht gleich darauf hingewiesen habe, dass er ein völkischer Nationalist ist. Ich fand es aber richtig, zunächst einmal die Argumente so zu verarbeiten, wie Kubitschek sie geäußert hat. Mich hat vor allem akademisch interessiert, wie rechtes Denken funktioniert und wo die unüberwindliche Trennlinie verläuft.

Wo ist die Trennlinie?

Das habe ich in dem Gespräch, glaube ich, ziemlich deutlich gemacht. Sie ist dort, wo das Eigene und das Fremde als unbedingte Formen formuliert werden, die aber letztlich nur Setzungen außerhalb des Arguments sind. Es ging dabei nicht darum, Kubitschek zu überzeugen, sondern diese Grenze und Selbstwidersprüchlichkeit vorzuführen, aus der die ganze Misere dieses rechten Denkens folgt.

Es muss also auch Grenzen geben im demokratischen Gespräch.

Im Gespräch vielleicht nicht, aber es gibt Meinungen und Äußerungsformen, die ich nicht akzeptieren muss. Sobald die Dinge gewaltbereit werden oder offen diskriminierend sind, sind Strafgesetzbuch und Polizei zuständig. Alles andere muss eine Demokratie aushalten.

Und was ist mit denen, die man als "besorgte Bürger" beschreibt?

Das ist etwas anders. Vielleicht muss man da erstmal zur Kenntnis nehmen, dass es in bestimmten Milieus derzeit Erfahrungen gibt, die das Selbstbewusstsein anknacksen. Und da muss man entdramatisieren können. Ein Gespräch kann das leisten. Es gibt von Adorno einen wunderbaren Satz: "Wer denkt, ist nicht wütend." Das heißt: Wer dazu gebracht wird, mit jemandem zu reden und nachzudenken, der kann in dem Moment nicht wütend sein. Dadurch stellen sich die Dinge schon mal nicht mehr so monströs da.

Ist das Gespräch also ein taugliches Mittel, um das Immunsystem der Gesellschaft gegen Populismus zu stärken?

Der Populismus, der mit Ressentiments arbeitet, kann vielleicht dadurch geschwächt werden, dass das konkrete Gegenüber weniger monströs ist als das abstrakte Gegenüber, von dem die Populisten reden. Dafür können Gespräche sehr hilfreich sein. Der Königsweg wäre wohl, wenn solche Erfahrungen auf beiden Seiten möglich wären. Und ich habe den Verdacht, dass dies in den eher akademisch-linksliberalen Milieus nicht weniger unwahrscheinlich ist als in ihren komplementären Milieus. Vielleicht entsteht eine neue mathematische Formel: Wechselseitige Borniertheiten addieren sich nicht, sondern subtrahieren sich im Gespräch.

Es geht also gar nicht darum, den anderen zu überzeugen?

Nicht primär. Es ist auch wohl eher selten, abstrakt durch das bessere Argument überzeugt zu werden, sondern über gemeinsame Praktiken. Der Austausch im Gespräch erzeugt schon eine Bindung, die Differenzen besser aushalten kann und mit ihnen sozialverträglicher umgeht. Das kann man übrigens Demokratie nennen.

Haben Sie trotzdem einen Ratschlag: Wie gelingt ein demokratisches Gespräch?

Die Grundregel lautet: Der andere könnte recht haben. Demokratische Kultur kann man daran erkennen, dass man akzeptiert, dass es auch andere Lösungen gibt. Insofern ist allein die Tatsache, dass die Leute sich zusammensetzen, Ausdruck einer demokratischen Haltung.

Um für diese Gespräche eine Anleitung zu geben, haben wir Leitsätze formuliert. Sie basieren auf Ansätzen der englischen BBC und von Vox-Media in den USA. Der erste Punkt: "Streit ist keine Ausnahmesituation, sondern normal!"

Streit entsteht da, wo die Leute nicht das Gleiche wollen. Und das ist das Graubrot moderner Gesellschaften. Ehen, in denen kein Streit stattfindet, sind in großer Gefahr. Unternehmen, in denen nicht darüber gestritten wird, welche Produkte sie produzieren sollen, werden eher verschwinden als jene, in denen gestritten wird. Nur in Diktaturen darf nicht gestritten werden.

Nummer zwei: "Ich trenne Menschen und Meinungen. Das verhindert, dass ich persönlich oder beleidigend werde und es hilft mir, mich auf die Sache zu konzentrieren."

Das ist das Ziel, aber das fällt außerordentlich schwer. Die Unlösbarkeit von Konflikten entsteht oft dadurch, dass wir eben nicht zwischen Person und Inhalt trennen. Das wäre die hohe Schule, ein guter Vorsatz.

Dritter Punkt: "Meine Meinung ist super, ich kann aber aushalten, dass es andere Meinungen gibt. Ich muss nicht alle von meiner Meinung überzeugen."

Das ist das Spannende an diesem Projekt. Es zielt ja nicht primär auf den anderen, sondern auf mich selbst. Wir wissen aus der Netzwerk-Forschung, dass diejenigen, die sich in Netzwerken aufhalten, die sie bestätigen, wenig kognitive Energie entwickeln. Wenn ich von meinem Gegenüber nicht immer bestätigt werde, muss ich mich meiner selbst viel genauer versichern. Man muss dann etwas sagen, was sich nicht von selbst sagt.

Regel Nummer vier: "Ich höre zu und versuche zu verstehen. Um wirklich diskutieren zu können, muss ich die Argumente der Gegenseite kennen."

Ja, stimmt. Muss man nicht mehr zu sagen.

Nächster Punkt: "Ich nehme mir vor, nicht alles überlebensgroß zu machen. Ich versuche, Probleme kleiner zu denken und konkrete Lösungen statt globaler Probleme zu diskutieren."

Das Runterbrechen auf die lebensweltliche Ebene ist außerordentlich wichtig. Hast Du etwas gegen das Eigene? Hast du etwas gegen Fremde? Das sind alles überlebensgroße abstrakte Sätze. Wenn es konkret wird, wird es greifbar.

Vorletzter Punkt: "Ich konzentriere mich auf das gemeinsame Warum und weniger auf das unterschiedliche Wie."

Ich würde das mit der Gemeinsamkeit nicht übertreiben. Ich würde die Differenz schon stark machen. Wir haben über Kubitschek gesprochen. Am Ende des Gesprächs stand eben kein Konsens, sondern eine klare Trennlinie, wo eine Gemeinsamkeit völlig ausgeschlossen ist. Das kann auch ein gutes Ergebnis sein.

Letzte Regel, die ist vor allem Arthur Brooks aus den USA sehr wichtig. Er rät:"Egal wie schlimm es sich anfühlt: Ich vermeide Verachtung!"

Was soll man dagegen sagen? Aber manchmal ist bürgerliche Verachtung durchaus angezeigt, wenn man etwa an manche politischen Strategien etwa von Herrn Gauland denkt. Das bewusste Austesten des gerade noch Sagbaren - das verdient bisweilen auch Verachtung, wie ich letztens einmal in einem Text geschrieben habe. Aber in der Sache stimmt das: Verachtung ist die Totalmoralisierung des Gegenübers, die zu vermeiden ist.

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