Süddeutsche Zeitung

Deutschland:Online-Glücksspiel soll erlaubt werden

Die Bundesländer einigen sich darauf, Angebote wie Poker und Roulette im Internet unter Auflagen zu genehmigen. Sie reagieren damit auf einen rasant wachsenden Schwarzmarkt.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Das Glücksspiel in Deutschland steht vor einem Umbruch. Nach langen Verhandlungen haben sich die Bundesländer auf eine Gesetzesnovelle verständigt, mit der Glücksspiele im Internet weitgehend erlaubt werden sollen. Online-Poker und digitale Roulettespiele, aber auch virtuelle Spielautomaten wären damit erstmals bundesweit legal. Für Sportwetten, die bislang in einer rechtlichen Grauzone stattfinden, soll es den Plänen zufolge dauerhafte Erlaubnisse geben. Das staatliche Lotteriemonopol bleibt bestehen.

Die Regierungschefs der Länder sollen die neue Glücksspielregulierung bereits auf ihrer nächsten Konferenz am 5. März in Berlin beschließen.

Deutschland ist der größte Glücksspielmarkt Europas. Lotterien, Sportwetten- und Casinoanbieter setzen hierzulande nach Daten der Bundesländer 13,9 Milliarden Euro um. Ein Fünftel dieser Summe entfällt auf bislang illegale Angebote. Allein an die zwei Milliarden Euro verdienen Anbieter verbotener Online-Casinos schätzungsweise im Jahr. Den größten Anteil haben nach wie vor Spielautomaten in Gaststätten und Spielhallen, gefolgt von den 16 Lotteriegesellschaften. Illegale Angebote wachsen mit Abstand am schnellsten.

Mit den Reformplänen reagieren die für das Glücksspiel weitgehend zuständigen Bundesländer auf den Druck, der durch den boomenden Schwarzmarkt entstanden ist: Es gelang ihnen nie wirklich, die bisher geltenden Verbote durchzusetzen. Schwarzmarktanbieter aus dem Ausland konnten agieren, ohne Konsequenzen zu befürchten. Befürworter einer Marktöffnung bemängeln, dem Staat entgingen seit Jahren Steuereinnahmen. Kritiker befürchten mit den nun angedachten Regeln höhere Suchtgefahren vor allem für Jüngere.

Der neue Glücksspielstaatsvertrag sieht eine bundesweit zuständige Behörde zur Regulierung des Online-Angebots vor. Spieler dürften dem Entwurf zufolge über alle Angebote hinweg nicht mehr als 1000 Euro pro Monat einzahlen. Die Zahlungsströme sollen zentral überwacht werden. Eine bundesweite Sperrdatei soll Spielsüchtige schützen. Anbieter müssen zudem ein "automatisiertes System" zur Früherkennung von Suchtgefahren nachweisen. Künftig soll es erlaubt sein, Sportwetten und Automatenspiele auf derselben Plattform anzubieten und noch dazu Lotterien zu vermitteln. Davon zu unterscheiden sind Casinospiele wie Roulette und Blackjack. Für diese sollen Unternehmen gesondert staatlich konzessioniert werden, wobei die Länder weitgehend autonom über Details entscheiden können.

Bislang hatte Schleswig-Holstein als einziges Bundesland vorübergehend Erlaubnisse für private Online-Anbieter erteilt. Diese waren Anfang 2019 erloschen; die Regierung in Kiel hatte sie verlängert. Die in den Verhandlungen federführende Staatskanzlei in Nordrhein-Westfalen wollte die geplante Reform nicht kommentieren.

Für den 19. Februar sind Interessenverbände zur Anhörung nach Düsseldorf geladen. In Branchenkreisen erwartet man keine grundlegenden Änderungen mehr. Am 1. Juli 2021 soll das Gesetz in Kraft treten.

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SZ vom 23.01.2020
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