Der Zuzug von Flüchtlingen nach Deutschland hält ungebrochen an. Bereits deutlich mehr als 900 000 Asylsuchende sind im laufenden Jahr im Computersystem Easy des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) registriert worden, wie die Süddeutsche Zeitung aus Kreisen der Bundesregierung erfuhr. In den ersten dreieinhalb November-Wochen suchten demnach schon fast so viele Menschen Zuflucht in der Bundesrepublik wie im bisherigen Rekordmonat Oktober, in dem das Easy-System mehr als 180 000 Flüchtlinge verzeichnet hatte.
Damit ist die Prognose von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) aus dem Sommer bereits jetzt überholt. Damals erwartete sein Ministerium 800 000 registrierte Flüchtlinge im laufenden Jahr. Hält der derzeitige Trend an, ist im Gesamtjahr 2015 nun mit mehr als einer Million Ankömmlingen zu rechnen. Erfahrungsgemäß wird ein Großteil von ihnen auch tatsächlich hier einen Asylantrag stellen.
328 000 unerledigte Anträge, Tendenz steigend
Allerdings kommt das Bamf angesichts der vielen Menschen mit der Entgegennahme der Anträge nicht mehr nach. Termine zur Antragstellung könnten "teilweise nur mit Verzögerung" vergeben werden, teilte das Bundesamt mit. Demnach vergibt das Bamf Termine nur für drei Monate, wer keinen Termin bekommt, muss eine unbestimmte Zeit auf eine Einladung vom Amt warten - ein Vorgehen, das auf scharfe Kritik stößt.

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Trotz vieler Versprechen bekommt das Landesamt für Gesundheit und Soziales die Registrierung von Asylsuchenden nicht in den Griff.
Das sei "natürlich ein unerträglicher Zustand", sagte ein hoher Beamter des bayerischen Innenministeriums am Donnerstag im Münchner Landtag mit Blick auf den Bearbeitungsstau im Bundesamt. Dort stapeln sich 328 000 unerledigte Anträge, Tendenz steigend, obwohl sich die Frequenz der Asyl-Entscheidungen zuletzt von 1000 auf 1600 am Tag erhöht hat.
In Griechenland aber geht die Zahl der Ankömmlinge zurück
In den Kommunen wird unterdessen der Ruf nach einer Begrenzung des Zuzugs lauter. Weitere Zuwanderung werde "nur zu bewältigen sein, wenn sie erheblich wirkungsvoller gesteuert und reduziert wird", sagte die Präsidentin des Deutschen Städtetags, Ludwigshafens Oberbürgermeisterin Eva Lohse (CDU) am Donnerstag.
Auf den griechischen Inseln ging die Zahl ankommender Flüchtlinge am vergangenen Wochenende tatsächlich stark zurück. Am Sonntag zählte die Internationale Organisation für Migration (IOM) nur 155 Neuankömmlinge. Zuvor hatten im Schnitt 4500 Menschen täglich mit Booten aus der Türkei die Ägäis-Inseln erreicht. Am Dienstag kamen dort wieder 3000, am Mittwoch 3500 Flüchtlinge an.
Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR warnte davor, verfrüht eine Trendwende auszurufen: "Wir wissen noch nicht, ob der Rückgang dauerhaft ist", sagte eine Sprecherin. Hauptgrund für die niedrigen Zahlen vom Wochenende war wohl schlechtes Wetter. Hunderte Flüchtlinge aus Marokko, Iran und Pakistan versuchten am Donnerstag die griechisch-mazedonische Grenze zu durchbrechen und rissen Teile des Grenzzaunes ein. Es kam zu Zusammenstößen mit der Polizei. Mazedonien lässt Migranten, die nicht aus Krisenländern wie Syrien und Afghanistan kommen, nicht mehr ins Land.