Süddeutsche Zeitung

Deutschland leitet Weltsicherheitsrat:Ein Monat Macht

Im Juli leitet Deutschland die Geschicke des Weltsicherheitsrates. In diese Zeit fällt die Geburt eines neuen Staates im Sudan, der Konflikt mit Syriens Präsident Assad geht weiter, die Palästinenser will man von einem UN-Aufnahmeantrag abbringen. In dieser ereignisreichen Zeit kann also einiges gelingen - aber noch mehr schiefgehen.

Daniel Brössler

Im UN-Sicherheitsrat überlassen die einflussreichsten Staaten zumindest eine Entscheidung einer höheren Macht: dem Alphabet. Monatlich wechselt im Rat die Präsidentschaft, und zwar in einer Reihenfolge, die sich nach dem ersten Buchstaben in der englischen Schreibweise seiner 15 aktuellen Mitgliedsstaaten richtet.

So fällt Deutschland nach Gabun und vor Indien im Juli die Aufgabe zu, zwar nicht gerade die Geschicke der Welt, aber doch die des Weltsicherheitsrates zu lenken. Einen "ereignisreichen Monat" nennt der deutsche UN-Botschafter Peter Wittig den Juli, was die diplomatische Umschreibung ist für: Es kann einiges gelingen, aber noch mehr schief gehen.

Das gilt insbesondere für ein relativ seltenes Ereignis, das in die deutsche Präsidentschaft fällt - die Geburt eines neuen Staates. Am 9. Juli will der Südsudan seine Unabhängigkeit erklären und sodann seine Aufnahme als 193. Staat in die Vereinten Nationen beantragen. Auf der Tagesordnung des Sicherheitsrates steht das am 13. Juli. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) ist das so wichtig, dass er die Leitung der Sitzung persönlich übernimmt.

Vor kurzem hatte er sich im Norden und im Süden Sudans selbst ein Bild von einer Lage gemacht, die heikel ist. Im Grenzgebiet Abyei ist es zu Gewalt gekommen. Nur mit Mühe hatte die Afrikanische Union die Konfliktparteien auseinandergebracht. 4200 äthiopische UN-Soldaten sollen erst einmal für Ruhe sorgen. Sorge bereiteten auch weitere Konflikte in Süd-Kordofan. Beim Aufnahmeantrag Südsudans geht es folglich, warnen Diplomaten, um weit mehr als Formalitäten.

Erst recht gilt das für den Wunsch einer weiteren Nation, als unabhängiger Staat Eingang zu finden in die Vereinten Nationen. Wenn es nicht doch noch zu direkten Friedensverhandlungen mit Israel kommt, wollen die Palästinenser im September um Aufnahme bei den Vereinten Nationen nachsuchen. Das würde zwar gewiss an einem Veto der USA im Sicherheitsrat scheitern. Die Palästinenser könnten aber versucht sein, mit einer Abstimmung in der Generalversammlung eine Art moralischen Sieg und den Status als "non-member state", als Nicht-Mitgliedstaat, herbeizuführen.

Eine Resolution gegen Syrien?

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält davon gar nichts und hat im April während eines Besuches des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu gesagt, "einseitige Anerkennungen" seien auf keinen Fall ein Beitrag zur Zwei-Staaten-Lösung. Ziel der Deutschen im Sicherheitsrat ist es nun, nach Angeboten zu suchen, die die Palästinenser noch von einem Aufnahmeantrag abhalten könnten. Die vagen Hoffnungen richten sich zur Zeit vor allem auf das Nahost-Quartett aus USA, Russland, EU und UN, das voraussichtlich am 11. Juli in Washington tagen wird.

Mindestens ebenso schlecht sind die Aussichten, den syrischen Gewaltherrscher Baschar al-Assad doch noch mittels einer UN-Resolution an den Pranger zu stellen. Neben anderen sperren sich dagegen die Vetomächte China und Russland. Insbesondere Russland behauptet, schlechte Erfahrungen mit der jüngsten Libyen-Resolution, der Grundlage für den Nato-Einsatz gegen Muammar al-Gaddafi, seien schuld daran. Diplomaten verweisen freilich auf die engen Beziehungen zwischen Moskau und Damaskus. Deutschland hofft, noch eine Mehrheit im Rat für einen Text zu gewinnen, der mit der Libyen-Resolution gar nicht vergleichbar ist, weil er keine Intervention vorsieht und auf einen Reformprozess im Land setzt.

Nur beim Krisenmanagement wollen es die Deutschen während ihrer Präsidentschaft nicht belassen. Zu zwei Themen haben sie deshalb Resolutionen vorbereitet. Zum einen zum Klimaschutz, der zwar kein klassisches Anliegen für den Sicherheitsrat ist, aber nach deutscher Auffassung wegen zu erwartender Flüchtlingsbewegungen eine "ernsthafte Bedrohung des Weltfriedens" darstellt. Ein weiterer Entwurf widmet sich dem Schutz von Kindern in Kriegen. Hier geht es darum, den Schutz von Schulen zu stärken.

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SZ vom 01.07.2011/liv
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