Deutschland und Italien:"Ich freue mich, dass ich so früh vorbeikommen konnte"

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Die neue Modellreihe "Technokrat": Kanzler Olaf Scholz und Mario Draghi, Presidente del Consiglio dei ministri della Repubblica Italiana, am 20. Dezember 2021 in Rom. (Foto: GUGLIELMO MANGIAPANE/AFP)

Auf zur Transformation: Bei Olaf Scholz' Antrittsbesuch in Rom geht es mit der Arbeit gleich los. Mit der Reform des europäischen Stabilitätspakts hat er es aber nicht ganz so eilig.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Huch, die Arme. Bundeskanzler Olaf Scholz ist zügig durch den Torbogen des Palazzo Chigi in Rom geschritten, neben ihm läuft der Gastgeber, Premierminister Mario Draghi. Der bleibt erst einmal abrupt stehen am Anfang des roten Teppichs, über den sie beide später schreiten werden. Scholz tut es ihm schnell nach, nur die Arme, die waren schon weiter, nach vorne geschwungen zum nächsten Schritt. Es ist Montagnachmittag in der italienischen Hauptstadt, der Kanzler zum Antrittsbesuch in Italien, Empfang mit militärischen Ehren, das ganz große Programm.

Eine gute Stunde werden Mario Draghi und Olaf Scholz miteinander sprechen, hernach vor der Kamera ist die Einigkeit groß. "Ich freue mich, dass ich so früh vorbeikommen konnte", sagt Scholz, und es klingt so, als finde er es wirklich gut, dass er nur zwölf Tage nach Amtsantritt nach Rom gereist ist, der dritte Auslandsbesuch seiner Kanzlerschaft, die Europäische Union und die Nato nicht mitgezählt. "Ein gutes Zeichen", findet der Kanzler. Seine Vorgängerin Angela Merkel wartete 2005 noch 27 Tage, bis sie Silvio Berlusconi, den damaligen Regierungschef besuchte.

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Der Sozialdemokrat Scholz und der parteilose Draghi kennen sich aus ihren vorherigen Ämtern. Als Bundesfinanzminister erlebte Scholz die letzten Jahre von Draghis Amtszeit als Präsident der Europäischen Zentralbank. An die alten Zeiten und vor allem an das Gemeinsame der beiden befreundeten Länder, sagt Scholz, "können und wollen wir anknüpfen".

Natürlich steht Europa im Vordergrund, "eine engere Europäische Union ist in aller Interesse", sagt Draghi. Er zählt die großen Herausforderungen auf, die ökologische Transformation, Wirtschaftswachstum, Digitalisierung, Verteidigung. "Wir werden alle Fragen ansprechen", verspricht Scholz. Und damit es sich nicht nur nach Nettigkeiten anhört, stellen Scholz und Draghi gleich noch einen gemeinsamen "Aktionsplan" vor, der zügig mit konkreten Projekten gefüllt werden soll. Und "bald wieder, wenn Corona vorbei ist", sagt Scholz, soll es auch deutsch-italienische Regierungskonsultationen geben.

Der Aktionsplan erscheint wie eine Ableitung des kürzlich zwischen Italien und Frankreich unterschrieben "Quirinalsvertrag" - ein Freundschaftsvertrag, beide Staaten haben vereinbart, enger zu kooperieren bei Themen wie Wirtschaft, Sicherheit oder Migration. Man sei noch in einem Anfangsstadium, fügt Draghi hinzu. "Vor drei Tagen sei davon noch gar nicht gesprochen worden."

Das überquellende Lob für Draghi heißt auch: bitte als Premierminister weitermachen!

Scholz hat ja wenig Zeit, in der Heimat laufen die Vorbereitungen für die nächste Konferenz der Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen, die neue Virusvariante Omikron kommt. Der Kanzler lobt Italien für die "vorbildliche Impfquote". In Deutschland seien auch viele geimpft worden, "aber nicht so viele, wie wir uns wünschen". Überhaupt hat Scholz viel Lob für seine Gastgeber dabei - und besonders für Mario Draghi. "Es kann sich Italien glücklich schätzen, einen so kompetenten Mann an der Spitze zu sehen."

Das überquellende Lob an den Premierminister kann man auch als Aufforderung an Draghi verstehen, noch ein Jahr als Premierminister dranzuhängen. Seit einem knappen Jahr regiert er das Land sachorientiert und konsequent. Ende Januar 2022 aber wird in Italien ein neuer Staatspräsident gewählt, Draghi gilt als einer der aussichtsreichsten Kandidaten. Zugleich besteht die Sorge, dass mit seinem Wechsel in das Staatspräsidentenamt die stabilen Zeiten in Italien schnell vorbei sein könnten. Weder Scholz noch Draghi äußerten sich in der Pressekonferenz zu diesen Fragen.

Ein anderes strittiges Thema bleibt ungelöst - die von Frankreich und Italien geforderte Reform des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Der Pakt soll wachstumsfreundlicher werden, die Regeln so geändert, dass die Staaten flexibler werden beim investieren. Paris und Rom schlagen vor, dass grüne Investitionen nicht mehr als normale Schulden gewertet werden. Im Gespräch ist auch, dass die Regel, wonach sich Staaten in der Eurozone nur bis zu 60 Prozent ihres Bruttosozialprodukts verschulden dürfen, gestrichen wird.

Scholz hatte wieder Lob parat - dieses Mal allerdings für den bestehenden Pakt. Dessen Regeln, sagt Scholz, hätten ihre Flexibilität gezeigt. Als Beweis führt er den EU-Wiederaufbaufonds an, dessen Gelder überwiegend als Zuschüsse an die besonders an den Folgen der Pandemie leidenden Staaten ausgegeben werden. "Dieser Wiederaufbaufonds wird in den nächsten Jahren unsere Politik begleiten", verspricht Scholz. Und zu allen anderen Fragen befinde man sich "in der Konsensbildung". Man wird sehen.

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