Bundespräsident vor dem Amtseid:Gaucks deutsche Grenzen

Viele Probleme Deutschlands haben mit Europa zu tun: die Schuldenkrise, der Fortbestand der gemeinsamen Währung, die Einbettung des Landes in die EU. Umso befremdlicher wirkt es, dass die politische Elite die Öffentlichkeit so wenig für das Thema Außenpolitik sensibilisieren kann. Neu-Bundespräsident Joachim Gauck muss das ändern.

Stefan Kornelius

Wer Deutschland von außen betrachtet, der hat eine klare Vorstellung von den Problemzonen der Republik: erstens der Euro, zweitens der Euro, und drittens der Euro. Die Schuldenkrise, der Bestand der Währung, die Einbettung des Landes in die EU - all das sind Themen von höchster Priorität, bei denen es im Kern um die Verflechtung des Landes mit seinen Nachbarn und der übrigen Welt geht.

Spricht beim SZ-Führungstreffen erstmals über die Verantwortung der Wirtschaft in Zeiten der Finanzkrise: Bundespräsident Joachim Gauck

Joachim Gauck, der neue Bundespräsident, wird an diesem Freitag seinen Amtseid ablegen.

(Foto: REUTERS)

Historisch betrachtet war Deutschland immer dann besonders gefährdet und gefährlich, wenn es alleine und isoliert handelte. Die Welt und insbesondere Deutschlands Nachbarn haben diese Lektion verinnerlicht.

Wenn der neue Bundespräsident an diesem Freitag seinen Amtseid ablegt, dann müsste man Joachim Gauck vermutlich ein paar Tage Redezeit einräumen, damit er über all die Themen sprechen kann, die jetzt von ihm abgefragt werden, als sei er eine Art Orakel von Berlin. Verwunderlich ist indes schon, dass in dem umfangreichen Œuvre des Mannes ein Thema bisher selten bis gar nicht aufgetaucht ist: Europa und die Welt jenseits der deutschen Grenzen.

Es ist befremdlich, dass die politische Führungsriege der Nation, von den Ministerpräsidenten aufwärts, so wenig Leidenschaft für den Rest der Welt entfaltet - als würde man der Bundeskanzlerin ein Monopol zubilligen. Dabei müssten der Umgang mit anderen Nationen und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Disziplin Außenpolitik ganz vorne im Arbeitskanon der politischen Spitze stehen.

Deutschlands Präsident residiert nicht in einem Weißen Haus und gebietet über keine Armee. Aber er gebietet über Aufmerksamkeit - und die muss er glaubwürdig auf die größten Probleme des Landes lenken können.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: