Süddeutsche Zeitung

Guantanamo-Häftlinge:Eine überfällige Geste

Die Regierung hat sich entschieden, zwei Männer aus dem Gefangenenlager Guantanamo aufzunehmen. Doch jetzt ist es zu spät, um mit einer großzügigen Aufnahmepolitik die Behandlung Terrorverdächtiger zu beeinflussen.

S. Kornelius

Etwa 181 Männer sitzen noch im Gefangenenlager Guantanamo ein. Zwei davon werden nun Aufnahme in Deutschland finden. Zwei von 181 - das ist eine lächerlich kleine Zahl, die in keinem Verhältnis steht zum politischen Gewürge, das mit der Überstellung der Gefangenen verbunden war.

Die Bundesregierung hat eine längst überfällige Entscheidung getroffen, wenn sie die beiden Männer nun aufnimmt. Sie sendet ein Signal aus - mehr aber auch nicht.

Denn es ist zu spät, um mit einer großzügigen Aufnahmepolitik Einfluss zu nehmen auf die Behandlung der Terrorverdächtigen. Dazu ist die Sache schon zu verfahren.

Guantanamo steht nicht nur für ein gewaltiges Terror- und Justiz-Problem der USA, es steht auch für die Unbarmherzigkeit, mit der Amerikas Verbündete auf die größte rechtsstaatliche Verirrung Washingtons reagieren.

Die Bundesregierung hat hier ein besonders schlechtes Beispiel abgegeben. Von den 779 in Guantanamo inhaftierten Männern sind die meisten wieder entlassen worden.

Einige wenige haben sich Terrorgruppen angeschlossen, andere genießen den Schutz von Gastländern, weil sie in ihrer Heimat möglicherweise verfolgt würden.

Deutschland hat lange gezaudert, das komplizierte Knäuel entflechten zu helfen. Nun kommt die Bundesregierung reichlich spät. Die meisten nachweislich unschuldig inhaftierten Männer sind bereits in andere Länder abgeschoben worden, wo sie in neue Identitäten hineinwachsen.

Deutschland wollte aus vielen Gründen diese Brücken nicht bauen: innenpolitische Zwänge, Sicherheitswahn, Juristenhubereien. Nun begnügt sich die Bundesregierung mit der symbolischen Aufnahme. Einen Unterschied wird das kaum noch machen.

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Quelle:
SZ vom 08.07.2010
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