Deutsch-französische Beziehungen:Strategische Harmonie

Deutsch-französische Beziehungen: Deutsch-französische Freundschaft auf Distanz: Angela Merkel und Emmanuel Macron bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Freitag.

Deutsch-französische Freundschaft auf Distanz: Angela Merkel und Emmanuel Macron bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Freitag.

(Foto: JOHN MACDOUGALL/AFP)

Beim gemeinsamen Verteidigungs- und Sicherheitsrat mühen sich beide Seiten, den Eindruck allzu großer Differenzen zu zerstreuen.

Von Daniel Brössler und Robert Roßmann, Berlin

Die Bundeskanzlerin appelliert an die Phantasie. Man möge sich doch jetzt "einmal vorstellen, dass der französische Präsident Emmanuel Macron hier in Berlin bei mir steht", bittet Angela Merkel. Wegen der Corona-Pandemie tagt der deutsch-französische Verteidigungs- und Sicherheitsrat am Freitag nur virtuell, aber die Distanz soll lediglich eine räumliche sein. Jedenfalls geben sich der Präsident wie die Kanzlerin alle Mühe, den Eindruck allzu großer Differenzen zu zerstreuen. Am Ende wird Macron betonen, wie gut er "bis zur letzten Sekunde" mit der Kanzlerin zusammenzuarbeiten gedenke.

Besonders Nord Stream 2 hatte in den vergangenen Tagen für Irritationen zwischen Paris und Berlin gesorgt. In einem Radiointerview hatte der französische Europastaatssekretär Clément Beaune "größte Zweifel" an der umstrittenen Gas-Pipeline von Russland nach Deutschland geäußert. Macron stellt nun klar, dass das kein aktueller Streitpunkt sei zwischen Berlin in Paris. Er habe in der Vergangenheit seine "Position zum Ausdruck" gebracht, nun aber sei das Projekt fast fertig. "Ich bin jetzt solidarisch", betont Macron. Frankreich hatte seinen Widerstand gegen die Gas-Pipeline aufgegeben, nachdem Deutschland Zugeständnisse bei der europäischen Zuständigkeit gemacht hatte.

Gerade in Bezug auf Russland wollen Merkel und Macron Einigkeit demonstrieren

Gerade was Russland betrifft, wollen Merkel und Macron Einigkeit demonstrieren. Beide kritisieren die Ausweisung europäischer Diplomaten - darunter auch deutscher - aus Russland und äußern sich empört über den Umgang mit dem vergifteten und nun zu dreieinhalb Jahren Lagerhaft verurteilten Oppositionspolitiker Alexej Nawalny und seinen Anhängern. Die Ausweisung sei eine "weitere Facette in dem, was da fernab von Rechtsstaatlichkeit gerade in Russland zu beobachten ist", sagt Merkel. "Von Anfang bis zum Ende" verurteile er das russische Vorgehen im Fall Nawalny, versichert auch Macron.

Es sind dann eher die Zwischentöne, die Dissonanzen hörbar machen. Etwa als es um ein Herzensanliegen Macrons geht, die "europäische Souveränität". Merkel kommt da auf die Notwendigkeit zu sprechen, die richtige Arbeitsteilung zu finden zwischen Nato und EU. "Beides steht nicht gegeneinander, aber im Rahmen dessen, was wir europäische Souveränität nennen, müssen wir klar definieren, was wir als eigene europäische Aufgaben verkünden", fordert sie. Man müsse "Ehrgeiz" entwickeln und "präzise" sein, betont Macron. Es ist eine höfliche Art zu sagen, dass er weiter gehen möchte als die Kanzlerin.

Weiter gekommen sind Merkel und Macron offenbar auf einem besonders schwierigen Feld, bei den gemeinsamen Rüstungsprojekten. Hier hatten sich beide Seiten zuletzt verhakt. "Ich darf sagen, dass man vorangekommen ist in der Aufgabenteilung und in der Frage, wie es weitergeht", sagt Merkel nun zu den Planungen für FCAS, das Luftkampfsystem der Zukunft, das hochmoderne Kampfflugzeuge sowie neuen Waffen- und Kommunikationssystemen in die Luft bringen soll. Es handele sich um ein Projekt unter französischer Führung, das aber in einer "Partnerschaft auf Augenhöhe" entstehen werde. Gleiches gelte für das künftige Landkampfsystem MGCS unter deutscher Führung. Beide Projekte sollen, stellen Merkel und Macron in Aussicht, schon in den nächsten Wochen in möglichst trockene Tücher kommen.

Eine Agenda ganz nach dem Geschmack Söders

Gefragt wird Macron auch nach deutscher Innenpolitik, woran er selbst nicht ganz unschuldig ist. Vor der Konferenz mit Merkel hatte er per Video mit dem bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef Markus Söder gesprochen. Ob er sich Söder oder doch den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten und CDU-Chef Armin Laschet als Merkels Nachfolger wünsche, soll Macron sagen. Er gebe keine Prognosen in der französischen Innenpolitik ab und werde das auch ganz sicher nicht in der deutschen tun.

In dem 45 Minuten langen Gespräch mit Söder ging es um neue Kooperationen zwischen dem Freistaat und der Grande Nation in Bereichen wie der Raumfahrt, der künstlichen Intelligenz oder der Robotik. Außerdem wollen Macron und Söder die Quantencomputer-Forschung intensivieren, einen Start-up-Wettbewerb ausloben und das "ganz wichtige Thema" autonome Fluggeräte vorantreiben. Es war eine Agenda ganz nach dem Geschmack Söders. Man habe das Gespräch "komplett auf Englisch" geführt, sagte er anschließend. Und er sei froh, dass Macron vieles wie er gesehen habe - zum Beispiel, dass man in Europa schneller werden müsse, wenn man in der Welt mithalten wolle.

Offiziell war das Gespräch nur die Fortsetzung eines Treffens der beiden bei der Münchner Sicherheitskonferenz vor ziemlich genau einem Jahr. Aber das Gespräch war natürlich auch ein Signal - zumindest für Söder. Laschet, der andere mögliche Kanzlerkandidat der Union, betont ja gerne, dass man von einem Kanzler erwarte, dass er außen- und europapolitisch erfahren ist. Laschet war Abgeordneter im Europaparlament. Und als deutsch-französischer Kulturbevollmächtigter ist er regelmäßig in Paris. Söder war in seiner Laufbahn zwar auch einmal bayerischer Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten - aber als erfahrenen Außenpolitiker würde selbst er sich nicht beschreiben.

Umso wichtiger sind für Söder Kontakte wie der mit Macron. "Das war ein sehr spannendes und auch sehr harmonisches Gespräch mit großen Übereinstimmungen", sagte der CSU-Chef nach der Videokonferenz mit Macron. Die Initiative zu der Konferenz war vom französischen Präsidenten ausgegangen. Auch Macron hat wahrgenommen, welchen Aufstieg Söder in den Umfragen genommen hat. Und es schadet nicht, zu allen möglichen Merkel-Nachfolgern rechtzeitig Kontakte zu pflegen.

In der Pressekonferenz mit Merkel legt Macron dann allerdings Wert auf die Feststellung, seine Gespräche sowohl mit Laschet als auch mit Söder seien mit der Kanzlerin abgesprochen. Und mit der arbeite er "bis zur letzten Sekunde" zusammen.

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