Inder in Deutschland:Glücklich trotz Regenwolken

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Wie läuft's in Deutschland? Das ist auch eine Frage der Perspektive. (Foto: Martin Gerten/dpa)

Immer mehr Menschen aus Indien wollen in Deutschland arbeiten und leben. Woran liegt das?

Von David Pfeifer, Bangkok

Für manch Einheimischen mag es seltsam klingen, aber Deutschland ist ein tolles Land. Auch wenn viele, die dort aufgewachsen sind und den eigenen Kulturkreis selten verlassen, gerne jammern und klagen. Über den Verfall der Infrastruktur, die schwache Arbeitsmoral – und das Wetter wird auch immer schlechter. Doch für hoch qualifizierte Inderinnen und Inder ist das Land zunehmend attraktiv – um zu kommen, und zu bleiben.

So berichtet die große indische Tageszeitung The Hindu, dass die Zahl der arbeitenden Inder in Deutschland sich in nur einem Jahrzehnt von 23 000 auf mehr als 130 000 gesteigert habe. Zudem werbe die Bundesregierung weiter um hoch qualifizierte Einwanderer, während Australien, Kanada und die USA sich abschotten. Schon während der ersten Trump-Amtszeit sei die Quote der genehmigten US-Arbeitsvisa für hoch qualifizierte Berufe von 95 Prozent in der Obama-Phase auf 72 Prozent gesunken. Das betrifft Ärztinnen und Ingenieure, Wissenschaftlerinnen und Techniker. Deutschland und Indien haben hingegen ein Partnerschaftsabkommen über Migration und Mobilität geschlossen und die Visa-Freigabe erleichtert.

Fast 50 000 Studierende aus Indien sind an deutschen Hochschulen registriert

Hoch qualifizierte Inder sind in Deutschland sehr gefragt. Genauso wie übrigens Angestellte in Hotellerie und Gastronomie, aber auch Schreiner, Fleischer und Fahrer. So etwas wie Work-Life-Balance oder „Quiet Quitting“, also die innere Kündigung, ohne zu kündigen, sind in Indien eher unbekannt. Dafür ist die Konkurrenz im bevölkerungsreichsten Land der Welt zu groß und der Ehrgeiz zu hoch. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer „demografischen Dividende“ – wenn hohe Geburtenraten mit einem quantitativ und qualitativ hohen Bildungsstand gekoppelt sind.

Nur kann der indische Arbeitsmarkt, trotz Wirtschaftsbooms, diese vielen Menschen gar nicht aufnehmen. „Junge, gut ausgebildete Inder streben auf den Arbeitsmarkt, während in Deutschland ein großer Bedarf an Fachkräften besteht“, fasste die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock diese Win-win-Situation bei ihrem Delhi-Besuch mit einer deutschen Delegation Ende Oktober zusammen. The Hindu weist, nicht ohne Stolz, darauf hin, dass Inder nicht nur die erfolgreichste Migrationsgruppe in Deutschland sind, wenn man es nach Einkommen bemisst, sondern sogar über dem deutschen Durchschnitt verdienen.

Deswegen lernen viele junge Inderinnen und Inder derzeit Deutsch. Etwa 200 000 Sprachschüler büffeln an diversen Sprachschulen im Land. 49 000 Studierende aus Indien sind außerdem schon an deutschen Hochschulen registriert, mit wachsender Tendenz. Gerade die jungen Einwanderer sind übrigens ausgesprochen gut informiert über das Leben, das sie erwartet. Wer mit Deutschlernenden in Mumbai oder Delhi spricht, wird vor allem gefragt, ob die Gesundheitsversorgung wirklich so gut sei, das Studieren kostenlos und die Bahn pünktlich – im Vergleich zur indischen. Alles eine Frage der Perspektive. Nur wenige ziehen später übrigens wieder zurück. Die meisten Inder sind in Deutschland sehr glücklich. Im Gegensatz zu vielen jammernden und klagenden Deutschen.

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