Wer der Meinung ist, dass der Staat Israel in seinen völkerrechtlich anerkannten Grenzen von 1948 nicht existieren dürfe, der kann in Deutschland nicht eingebürgert werden. Das hat nun erstmals ein Gericht entschieden. Damit hat es den Antrag eines staatenlosen Palästinensers, der in Bayern den deutschen Pass erwerben wollte, abgelehnt.
In der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Regensburg, die am 7. Oktober 2024 ergangen ist und erst jetzt bekannt wurde, heißt es: Ein „Bekenntnis des Einbürgerungsbewerbers zum Existenzrecht des völkerrechtlich anerkannten Staates Israel“ sei nötig.
Der Bewerber hatte eine Moschee besucht, die vorübergehend unter Beobachtung stand
Dies steht zwar nirgends ausdrücklich im Gesetz. Aber es folge, so das Gericht, aus einer Klausel des im Juni durch die Ampelkoalition reformierten Staatsangehörigkeitsgesetzes. Danach müssen sich Einbürgerungskandidaten neuerdings „zur besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft und ihre Folgen“ bekennen, „insbesondere für den Schutz jüdischen Lebens“. Über die Entscheidung des Regensburger Gerichts wird womöglich noch in einer nächsten Instanz gestritten. (Aktenzeichen RO 9 K 24.782)
In dem Fall war es um einen Mann gegangen, der in Syrien aufgewachsen ist und nach eigenen Angaben nie in Israel oder den palästinensischen Autonomiegebieten gelebt hat. 2016 war er nach Deutschland gekommen, 2022 wollte er sich einbürgern lassen. Als Teil seiner Bewerbung reichte er ein schriftliches Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung ein. Weil bei den Sicherheitsbehörden aber bekannt war, dass dieser Mann eine Moschee besucht, die vorübergehend wegen salafistischer Bestrebungen unter Beobachtung gestanden hatte, lud die Ausländerbehörde ihn zum Gespräch.
Bei dem Gespräch, das zwei Monate vor dem 7. Oktober 2023 stattfand, fragte ihn ein Sachbearbeiter unter anderem, ob er Israel als eigenständigen Staat anerkenne. Die protokollierte Antwort: „Es gibt kein Israel. Es gibt Juden, aber Israel nicht als Land.“ Der Sachbearbeiter hakte nach: „Die völkerrechtliche Vereinbarung zur Schaffung des Staates Israel erkennen Sie nicht an?“ Antwort: „Nein.“ Auf die weitere Frage, ob der Palästinenser denn der Meinung sei, Juden im Nahen Osten sollten generell Arabern Platz machen, sagte er laut Protokoll, er habe dazu keine Meinung.
Das besondere Verhältnis Deutschlands zu Israel ist auch eine Konsequenz aus dem Holocaust
Der Antrag des Mannes auf den deutschen Pass wurde dann schriftlich abgelehnt. Es sei nicht klar, dass er sich zu den Werten des Grundgesetzes bekenne. Die Frage nach der Haltung zu Israel war dafür aus Sicht der Behörde relevant – auch wenn das reformierte Staatsangehörigkeitsgesetz zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wirksam geworden war. Das Regensburger Gericht hat dies jetzt im Rückblick noch einmal bekräftigt. Denn nach der neuen, seit Juni 2024 geltenden Rechtslage sei erst recht klar, dass zu den Werten des Grundgesetzes auch die Verantwortung für den Schutz jüdischen Lebens gehöre.
Zur Begründung schreibt das Gericht, dass die Staatsgründung Israels im Mai 1948 infolge eines Beschlusses der UN-Vollversammlung von 1947 eine „wesentliche Konsequenz“ aus dem Holocaust sei. Das Gericht zitiert aus Israels Unabhängigkeitserklärung: „Die Katastrophe, die in unserer Zeit über das jüdische Volk hereinbrach und in Europa Millionen von Juden vernichtete, bewies unwiderleglich aufs Neue, dass das Problem der jüdischen Heimatlosigkeit durch die Wiederherstellung des jüdischen Staates im Lande Israel gelöst werden muss.“
Eine besondere Wendung hat der Regensburger Fall kurzzeitig noch genommen, weil der Mann versuchte, seine Aussagen nachträglich zu ändern. „Ich akzeptiere Menschen jüdischen Glaubens. Ich anerkenne ebenfalls den Staat Israel nach Oslo-Friedensprozess“, schob er schriftlich nach. Dies hielt die Behörde aber nicht für glaubwürdig, wie auch das Gericht. Bei der Prüfung der inneren Haltung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung genügt „kein Lippenbekenntnis“, heißt es in den offiziellen Anwendungshinweisen des Bundesinnenministeriums.