Süddeutsche Zeitung

Deutschland, deine Energie:Die Drei-Viertel-Gesellschaft

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Deutschland muss knapp 75 Prozent der Rohstoffe importieren, die zur Erzeugung von Strom, Wärme und Kraftstoffen nötig sind. Die Atomkraft, deren Renaissance die Union nun fordert, basiert gar zu 100 Prozent auf Uran-Importen. Wie der deutsche Energiemix aussieht.

Bernd Oswald

In der wieder aufgeflammten Diskussion um die Energieproblematik muss man zwei Bilanzen unterscheiden, in denen die einzelnen Energieträger eine zum Teil sehr unterschiedliche Rolle spielen:

Der Primärenergieverbrauch und die Stromerzeugung.

Der Primärenergieverbrauch bezeichnet die gesamte einer Volkswirtschaft zugeführte und verbrauchte Energie. Strom ist neben Wärme (Raumwärme, Warmwasser) und Verkehr (Schiene, Straße, Luft und Schifffahrt) also nur einer der drei Sektoren des Primärenergieverbrauchs.

Für Wärme und Kraftstoffgewinnung werden in erster Linie fossile Brennstoffe wie Mineralöle, Naturgase und Kohle verwendet, die es in Deutschland kaum gibt. Mineralöle wurden 2005 zu 97 Prozent importiert, Naturgase zu 83 Prozent und Steinkohle zu 61 Prozent. Das für den Betrieb der Atomkraftwerke notwendige Uran wird gar zu 100 Prozent importiert. Lediglich bei Braunkohle und bei den erneuerbaren Energien kann auf deutsche Rohstoffe zurückgegriffen werden.

Insgesamt muss die Bundesrepublik etwa drei Viertel der zur Energiegewinnung notwendigen Rohstoffe importieren - zu einem Großteil aus Russland, das 41 Prozent des Erdöls, 37 Prozent des Gases und 19 Prozent des Uran und acht Prozent der Kohle für Deutschland liefert.

Die aktuelle Energiedebatte entzündet sich am Erdlöllieferstreit zwischen Russland und Weißrussland. Um sich unabhängiger von externen Lieferanten zu machen, spricht sich die Union in Person von Bundeskanzlerin Merkel dafür aus, die deutschen Atomkraftwerke länger laufen zulassen.

Die aus Atomkraftwerken gewonnene Energie wird zu 100 Prozent verstromt und machte knapp 30 Prozent der Nettostromerzeugung aus, so viel wie kein anderer Energieträger. Dieser Anteil muss bis 2021, wenn mit Neckarwestheim 2 der letzte deutsche Atommeiler vom Netz gehen soll, ersetzt werden.

Da einem Ausbau der fossilen Stromquellen Braunkohle, Steinkohle und Naturgas naturgemäße und auch finanzielle Grenzen gesetzt sind, denkt Umweltminister Gabriel vor allem an den Ausbau der regenerativen Energien, die 2005 immerhin schon mit 10,2 Prozent zur Stromproduktion beitrugen. Das Gros des Öko-Stroms wurde mittels Wasserkraft und Windenergie erzeugt.

Für die Stromerzeugung haben die erneuerbaren Energien also schon einen ganz beträchtlichen Anteil. Bei der Wärmebereitstellung sind es dagegen nur 5,4, Prozent, beim Kraftstoffverbrauch 3,4 Prozent. Im gesamten Primärenergieverbrauch ergibt das einen Wert von 4,6 Prozent. Über das Mengenpotenzial der regenerativen Energien wird sicher noch heftig gestritten werden.

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