Süddeutsche Zeitung

Deutschland:Asylpolitik wird doch noch Wahlkampfthema

  • Die Kanzlerin verteidigt in mehreren Interviews am Wochenende ausdrücklich ihren Kurs in der Asylpolitik.
  • Dass manche EU-Staaten nicht einen einzigen Flüchtling aufnehmen, sei inakzeptabel.
  • Anerkannte Asylbewerber warnt Merkel davor, für Ferien in ihr Herkunftsland zu reisen.

Von Stefan Braun, Berlin

Vier Wochen vor der Bundestagswahl rückt die Flüchtlingspolitik mehr und mehr ins Zentrum des Wahlkampfs. Nachdem SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Spaltung der EU und eine Verdrängung der aktuellen Probleme vorgeworfen hatte, verteidigte die Kanzlerin am Wochenende ausdrücklich ihren Kurs. Merkel sagte der Welt am Sonntag: "Alle wichtigen Entscheidungen des Jahres 2015 würde ich wieder so treffen."

Zugleich verschärfte sie in einigen Bereichen ihren Ton. So warnte sie anerkannte Asylbewerber davor, im einstigen Herkunftsland Urlaub zu machen. Und sie erklärte, die Grenzkontrollen würden erst fallen, wenn die Sicherheitsbehörden dafür grünes Licht geben.

Mit Blick auf die Krise 2015 betonte die CDU-Spitzenkandidatin, es sei um die Abwendung einer humanitären Katastrophe gegangen. Damals sei eine Notsituation eingetreten, "die wir alle, auch die Zuflucht suchenden Menschen, nie mehr wieder so erleben sollten". Mit Vehemenz widersprach sie der Darstellung, sie habe damals Grenzen geöffnet. "Deutschlands Grenzen waren offen und wir haben entschieden, sie nicht zu schließen."

Allerdings gab Merkel zu, dass sie selbst wie die gesamte Regierung in den Jahren zuvor auf ein System gesetzt hätten, das die Probleme nach Griechenland und Italien verschoben habe. Es könne nicht mehr sein, dass diese beiden Länder "alleine die Lasten tragen müssen, nur weil ihre geografische Lage ist, wie sie ist". Dass manche EU-Staaten nicht einen einzigen Flüchtling aufnehmen, sei inakzeptabel. Deren Weigerung zu überwinden, brauche Geduld und Ausdauer, werde aber gelingen.

Lange hatten die CDU-Strategen gehofft, dass die Flüchtlingspolitik kein zentrales Wahlkampfthema würde. Deshalb wollten sie es auch keinesfalls selbst nach vorne rücken. Steigende Flüchtlingszahlen aber und die Furcht, bei Problemen mit Asylbewerbern als zu lasch zu erscheinen, führen nun dazu, dass Merkel - jedenfalls für ihre Verhältnisse - in die Offensive geht. So warnte sie Asylbewerber davor, für Ferien ins Herkunftsland zu reisen. "Urlaub zu machen in dem Land, in dem man verfolgt wird, geht nicht", sagte sie. Es könnten zwar schwierige Umstände wie Todesfälle eine Reise erzwingen. Ein echter Urlaub jedoch könne Anlass sein, "die Asylentscheidung zu überprüfen".

Klare Worte wählte Merkel auch zu den Grenzkontrollen: Erst wenn Sicherheitsbehörden es für richtig erachten, werde sie die Kontrollen an den deutschen Grenzen beenden lassen. Diese mussten im Herbst 2015 von der EU-Kommission genehmigt werden und wurden auf Bitten Berlins mehrmals verlängert. Aus Brüssel heißt es nun, für einen neuen Antrag müssten Sicherheitsgründe geltend gemacht werden.

Wie sehr die Flüchtlinge wieder ins Zentrum rücken, zeigte sich beim ZDF-Interview Merkels am Sonntagabend. Ausführlich begründete sie dort das Engagement der EU in Afrika und rechtfertigte auch die Unterstützung für die libysche Küstenwache. In Paris sprechen an diesem Montag die Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien über die Flüchtlingskrise.

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Quelle:
SZ vom 28.08.2017/lalse
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