Die Ringbahnbrücke auf der A 100 im Westen Berlins ist seit Mitte März dicht. Wegen eines Risses im Tragwerk muss das Bauwerk abgerissen und neu gebaut werden. Solche Szenarien könnte es in Deutschland bald häufiger geben. Insgesamt sind der Organisation Transport & Environment (T&E) zufolge rund 16 000 Brücken in Bundeshand baufällig.
T&E kritisiert in einem Bericht, dass der Bund den Sanierungsstau bei maroden Brücken deutlich unterschätzt. Auf kommunaler Ebene ist die Carolabrücke in Dresden der wohl prominenteste Fall für eine marode Infrastruktur. Die Brücke stürzte im September 2024 in Teilen in die Elbe.
„Wird die Sanierung dieser Brücken verschleppt, dann sind sie anfälliger für Verschleiß, was mittelfristig zu noch höheren Kosten führt.“ Auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene müssen nach T&E-Berechnungen bis zu 100 Milliarden Euro in den Ersatzneubau von Brücken investiert werden. T&E ist ein europäischer Dachverband nichtstaatlicher Organisationen, die sich nach eigenen Angaben für nachhaltigen Verkehr einsetzen.
„Dass viele Brücken im deutschen Straßennetz in einem schlechten Zustand sind, war schon lange absehbar“, schreibt T&E in dem Bericht, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. „Viele Brücken, oft in den 1970er-Jahren gebaut, sind ursprünglich auf eine geringere Belastung ausgelegt worden.“ T&E bemängelt vor allem, dass das Verkehrsministerium in seinem Brückenmodernisierungsprogramm von 2022 nicht das gesamte Autobahnnetz in den Blick nimmt. Dem Sanierungsplan des Ministeriums zufolge sollen in einem Zeitraum von zehn Jahren 4000 Brücken im Kernnetz stark belasteter Autobahnen saniert werden. Langfristig sollten weitere 4000 Autobahnbrücken folgen.
In NRW und den Stadtstaaten sind die Bauten besonders stark belastet
T&E kommt auf deutlich höhere Zahlen: „Insgesamt müssen 5905 Brücken, 24 Prozent der Brückenfläche im Bundesfernstraßennetz, ersetzt werden. Weitere 10 240 Brücken sind so stark belastet, dass wahrscheinlich ein Ersatzneubau nötig ist, eventuell kann allerdings auch durch Verstärkung Abhilfe geschaffen werden.“ Dabei sei der Zustand der Brücken nicht überall gleich schlecht. „Besonders betroffen sind die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen, in denen viele Brücken deutlich über ihre ursprüngliche Auslegung belastet sind.“ In Nordrhein-Westfalen sei der Anteil der Brückenfläche, die neu gebaut werden müsse, doppelt so hoch wie in Bayern. Die Brücken in den ostdeutschen Flächenländern seien hingegen „zu großen Teilen in den 90er-Jahren errichtet und schon damals auf höhere Verkehrslasten ausgelegt“ worden.
„Wir wissen eigentlich genau, welche Brücke schnell saniert werden muss“, sagte Benedikt Heyl von T&E Deutschland. „Doch das Verkehrsministerium hinkt den Notwendigkeiten so weit hinterher, dass die Autobahn GmbH inzwischen eine Triage bei der Modernisierung von Straßenbrücken durchführt. Das ist absurd und teuer, denn jede verschleppte Sanierung kostet in Zukunft noch viel mehr.“
T&E fordert von der künftigen Bundesregierung unter anderem, dass Sanierung und Instandhaltung Vorrang vor dem Bau neuer Autobahnen und Bundesstraßen haben müssten. Zudem müssten Bund und Länder den Kommunen mehr Geld für die Infrastruktur geben. Grundlage der T&E-Berechnungen sind unter anderem Daten der Bundesanstalt für Straßen- und Verkehrswesen.