Deutsches Opfer durch US-Drohnenangriff:Zivilist oder Kombattant

Die Bundesanwaltschaft prüft den Tod eines jungen Deutschen, der bei einem US-Drohnenangriff in Pakistan ums Leben gekommen ist. In einem Propagandavideo wird er als Held der Islamisten gefeiert. Aber war er wirklich Kombattant?

Von Hans Leyendecker

Die Bundesanwaltschaft prüft die genauen Umstände des Todes des 27 Jahre alten Patrick Klaus N. in Waziristan. Der aus Offenbach stammende deutsche Konvertit war - wie am Montag berichtet - im Februar 2012 bei einem Drohnenangriff der Amerikaner im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet ums Leben gekommen. Bei dem Angriff wurden mindestens zehn Menschen getötet.

Falls die Karlsruher Behörde zu dem Ergebnis kommen sollte, dass sie zuständig ist, könnte - theoretisch zumindest - am Ende ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts eines Kriegsverbrechens stehen.

Die Prüfung des Verfahrens läuft, in aller Stille, seit Herbst vorigen Jahres. Zuvor hatten sich deutsche Staatsschützer auf die Suche nach N. gemacht, weil er in Verdacht geraten war, möglicherweise mit Mitgliedern der terroristischen Vereinigung IBU, der auch deutsche Dschihadisten angehören, in engem Kontakt zu stehen.

Es stellte sich bei den Nachforschungen heraus, dass der 27-Jährige, der 2001 zum Islam konvertierte, Ende 2011 nach Pakistan gereist und nicht zurückgekommen war. Einige seiner Familienangehörigen hatten damals Vermisstenanzeige erstattet.

Patrick Klaus N. hatte ein schweres Schicksal: Seine Mutter war vergewaltigt worden, den Vater kennt man nicht. Er wuchs zunächst bei seinen Großeltern auf. Nach deren Tod war er in ein Heim gekommen. Im September 2013 gab es dann Hinweise, dass N. möglicherweise Opfer bei einem Drohnenangriff geworden ist. Ein Deutscher stirbt durch eine amerikanische Drohne - ein Fall für deutsche Ermittler?

Zivile Opfer nur in engen Grenzen hinnehmbar

Am Ort des Geschehens, in Nord-Waziristan, herrscht nach Feststellungen der Bundesanwaltschaft ein "bewaffneter Konflikt", womit das Völkerstrafrecht einschlägig ist. Also müsste die Bundesanwaltschaft zuständig sein.

Entscheidend für die juristische Bewertung des Falles dürfte aber sein, ob N. sich als Zivilist oder als Kombattant in dem Gebiet aufhielt. Zwar hält das Völkerrecht in bewaffneten Konflikten auch zivile Opfer für hinnehmbar, aber in engen Grenzen.

Anders ist der Fall nach der Karlsruher Auslegung des Völkerstrafrechts, wenn das Opfer als "Kombattant" oder Angehöriger einer "organisierten bewaffneten Gruppe" in dem Konflikt einzustufen ist. Das Vorleben von N. in Deutschland deutet aus Sicht der Ermittler darauf hin, dass er Verbindungen in radikale islamistische Kreise hatte.

In einem Propaganda-Video ("Ein Fremder unter Fremden") der Bonner Brüder Mounir und Yassin Chouka, das seit Ende vergangener Woche vorliegt, wird er als Held gefeiert, der für die Sache der Islamisten gekämpft habe und durch eine Drohne getötet worden sei. Die Bonner Brüder treten seit Jahren als eine Art Nachrichtensprecher des Dschihad auf.

Falls es überhaupt zu Ermittlungen kommen sollte, ist also eine Anklage nicht zu erwarten. Im Juli hatten die Karlsruher Ermittler ein Verfahren wegen eines Drohnenangriffs auf den deutschen Staatsangehörigen Bünyamin E. eingestellt, der als potenzieller Selbstmordattentäter galt. Die Einstellung ersparte es der Bundesanwaltschaft, den Urheber des Drohneneinsatzes zu nennen.

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