Er war einzige Flieger des Kaisers in Asien, er flüchtete über drei Kontinente und kam schließlich unbeschadet in Deutschland an - und ist vielleicht der einzige Kriegsheld, der keinen anderen Soldaten getötet hat. Was für eine Geschichte!
Gunther Plüschow hat beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges ein Husarenstück vollbracht, das ihn bei den Deutschen zum Star machte und noch 100 Jahre später die Menschen wie Gerhard E. Ehlers fasziniert. "Nach einer abenteuerlichen Flucht um die ganze Welt und seinem Ausbruch aus einem englischen Gefangenenlager war er berühmt", sagt der Macher des Freundeskreises Gunther Plüschow, einem eingetragenen Verein, der sich der Erinnerung des Marinefliegers widmet.
Angriff auf Tsingtau, 1914 Schützengräben der angreifenden japanischen Truppen auf die Stadt Tsingtau.
(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)Plüschow wird 1886 in München geboren. Zu seinem Ruhm kommt er allerdings durch einen Auftrag fern der Heimat. Die Kaiserliche Marine beordert den Piloten kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges nach China. Dort hält das deutsche Kaiserreich - bemüht um den Ruf einer Kolonialmacht - seit 1897 die chinesische Region Kiautschou an der Ostküste als Schutzgebiet. Das Zentrum Tsingtau, Hauptsitz der Kolonialverwaltung, soll als Flottenstützpunkt und zu Handelszwecken zur teutonischen "Musterkolonie" ausgebaut werden.
Deutsche Musterkolonie in Fernost
Bis 1914 entwickelt sich das Fischerdorf zur aufstrebenden Stadt samt großer Flottenbasis. Backsteinvillen und Fachwerkhäuser erinnern die stationierten Marinesoldaten und Verwaltungsangestellten an die ferne Heimat. Die "Germania Brauerei" versorgt die Kolonisten mit Bier, gebraut nach dem Reinheitsgebot. Noch heute ist "Tsingtao" für die gleichnamige Brauerei, die größte Chinas, bekannt. Und auch der deutsche Flieger Plüschow ist vor 100 Jahren zufrieden mit seinem Standort.
"Alles, um mich glücklich zu fühlen war vorhanden. Mein schönes Kommando, das Landkommando der Marine", schreibt er, "ich war in Tsingtau, dem Paradiese auf Erden."
Wenige Wochen nach seiner Ankunft droht das deutsche Pachtgebiet in China verloren zu gehen. Europas Großmächte erklären einander den Krieg, was sich auch in Asien auswirkt. Am 5. August 1914 beschließt das Committee of Imperial Defence in London, alle deutschen Kolonien anzugreifen. Das mit Großbritannien verbündete Japan fordert die Deutschen auf, Tsingtau zu übergeben. Nach Ablauf des unbeantworteten Ultimatums am 23. August erklärt auch Japan dem Deutschen Reich den Krieg. Japanische und britische Kriegsschiffe beginnen mit einer Seeblockade und rücken zu Lande mit ihren Truppen voran.
Plüschow fliegt als "Ein-Mann-Luftwaffe" des Kaisers - der einzige deutsche Pilot in Asien. Als das "Auge von Tsingtau" späht er die Truppenbewegungen der Alliierten aus, damit die zahlenmäßig weit unterlegenen Deutschen ihre wenigen Granaten gezielter abfeuern können.
Groschenheft zu Gunther Plüschow, dem Flieger von Tsingtau
Im Kriegstagebuch der Belagerung von Tsingtau von 1914 sind auch die Angriffe der Gegner notiert. Plüschow wird beschossen und verteidigt sich mit "Bomben, die er mit eigenen Händen aus Kaffeebüchsen, Dynamit und Schuhnägeln fertigte", schildert Otto von Gottberg. Ob Plüschow jemanden trifft und ob er tatsächlich mit seiner Pistole ein anderes Flugzeug abgeschossen hat, das bleibt unklar und das durfte auch schon vor 100 Jahren bezweifelt werden
Doch dem Politiker und preußischen Landrat Gottberg ist das egal. Er glorifiziert "Die Helden von Tsingtau" in seinem 1915 publizierten Roman. Plüschow wird so zum "Flieger von Tsingtau", den Gottberg wie folgt preist: "Zierlich, fast schmächtig von Gestalt, muß der junge Offizier bullenstark von Willen und Nerven sein."