Ethikrat:Helmut Frister ist neuer Vorsitzender des Deutschen Ethikrats

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Helmut Frister, Juraprofessor in Düsseldorf, leitet fortan den Deutschen Ethikrat. Er hat sich unter anderem mit Fragen der Patientenautonomie und der Fortpflanzungsmedizin befasst. (Foto: Political-Moments/Imago)

Nach monatelanger Pause hat das Gremium, das vor allem zu Fragen der Biomedizin beraten soll, erstmals wieder getagt und einen neuen Vorstand gewählt. Der neue Chef ist Rechtswissenschaftler.

Von Christina Berndt

Deutschland hat wieder einen arbeitsfähigen Ethikrat. Ende Oktober waren mit monatelanger Verzögerung die Mitglieder berufen worden, in dieser Woche nun hat die konstituierende Sitzung des Gremiums stattgefunden, das den Deutschen und ihren Politikern mit ethischem Rat vor allem in biomedizinischen Fragen zur Seite stehen soll. Sie fand am Freitag mit der Wahl des neuen Vorstands ihren Abschluss: Zum Vorsitzenden wurde der Rechtswissenschaftler Helmut Frister von der Universität Düsseldorf gewählt, zu seinen Stellvertreterinnen die Neurowissenschaftlerin Susanne Schreiber, die Philosophin und Digitalethikerin Judith Simon sowie die Ärztin und Medizinethikerin Eva Winkler. Winkler wurde in diesem Jahr neu in den Ethikrat berufen, Frister, Schreiber und Simon gehörten ihm bereits an.

Die Schwerpunkte des neu gewählten Vorsitzenden im Ethikrat waren bisher die Wahrung der Patientenautonomie, insbesondere am Ende des Lebens, rechtsstaatliche Strafverfahren sowie juristische Fragen der Fortpflanzungsmedizin. Mit der Wahl des Vorstands endet eine monatelange Hängepartie, in der es keinen voll funktionsfähigen Ethikrat gab.

„Sie helfen dabei, manche emotionale Debatte zu versachlichen.“

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) gratulierte dem neuen Vorstand. Bei ihrer Ansprache unterstrich sie die Bedeutung des Ethikrats: „Für uns Abgeordnete im Deutschen Bundestag ist Ihre Arbeit eine große Hilfe. Sie helfen dabei, manche emotionale Debatte zu versachlichen. Sie weisen auf Entwicklungen hin, die nicht übersehen werden dürfen. Und auf Konflikte, die wir hier im Parlament aushandeln müssen.“ Ethische Debatten seien gerade in Zeiten von Polarisierung und Wissenschaftsskepsis von großer Bedeutung.

Angesichts der von der Parlamentspräsidentin benannten Bedeutung des Deutschen Ethikrats war das zähe Ringen und das lange Warten, die der nun erfolgten Vorstandswahl vorausgegangen waren, umso erstaunlicher. Eigentlich hätten die Mitglieder des neuen Ethikrats schon im April berufen werden sollen. Denn zu diesem Zeitpunkt schieden 22 der 26 Mitglieder des alten Gremiums turnusmäßig aus, darunter auch die bisherige Vorsitzende, die Medizinethikerin Alena Buyx von der Technischen Universität München. Vier Mitglieder verblieben, weil sie außerhalb des üblichen Turnus berufen worden waren.

Eine der letzten Folgen der Ampelstreitereien ist damit behoben

Weil das Gremium mit den vier verbliebenen Mitgliedern nicht arbeitsfähig war, hatte seit Mai keine Sitzung mehr stattgefunden. So etwas habe es in der langen Geschichte des Ethikrats noch nie gegeben, beklagte dessen Geschäftsführer Joachim Vetter. Die vier vereinsamten Mitglieder, von denen nun drei in den Vorstand gewählt wurden, beklagten, dass Zeit für wichtige Themen ungenutzt verstrichen sei, und nannten die Situation „erstaunlich“ und „ärgerlich“. Anfang August war den verbliebenen vier der Kragen geplatzt, da schrieben sie einen Brief an die Bundesregierung und beschwerten sich über die monatelange Hängepartie.

Doch die Neuberufung ließ weiter auf sich warten, weil sich die Ampelparteien nicht über die Mitglieder einigen konnten. Die vorgesehenen 26 Mitglieder des Rats werden laut Satzung je zur Hälfte von der Bundesregierung und vom Bundestag vorgeschlagen und anschließend gemeinsam von der Bundestagspräsidentin für vier Jahre berufen. Auslöser war offenbar, dass die FDP vermehrt Ökonomen in den Rat berufen wollte, was andere Politiker nicht durch das Ethikratsgesetz gedeckt sahen, wonach dessen Aufgaben „insbesondere auf dem Gebiet der Lebenswissenschaften“ liegen. Mit dem Wiederherstellen eines arbeitsfähigen Ethikrats ist somit eine der letzten unrühmlichen Folgen der Ampelstreitereien behoben worden.

Von Mitte Oktober an immerhin stehen sämtliche Ethikratsmitglieder fest. Diese sind neben den vier nun gewählten Vorständen: die Sozialwissenschaftlerin Jutta Allmendinger, die Theologinnen Petra Bahr, Elisabeth Gräb-Schmidt, Muna Tatari und Kerstin Schlögl-Flierl, die Psychologin Cornelia Betsch, die Juristen Hans-Georg Dederer und Gregor Thüsing, die Umweltethikerin Uta Eser, der KI-Experte und Neurowissenschaftler Aldo Faisal, der Wirtschaftswissenschaftler Nils Goldschmidt, der Technikfolgenexperte Armin Grunwald, der Palliativmediziner Winfried Hardinghaus, die Genderwissenschaftlerin Ute Kalender, der Soziologe Armin Nassehi, die Pflegewissenschaftlerin Annette Riedel, die Rechtsphilosophin Frauke Rostalski, der Arzt und Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, der Medizinethiker Mark Schweda, der Wirtschaftsforscher Achim Wambach sowie Hedy Kerek-Bodden vom Haus der Krebs-Selbsthilfe.

Wer mitgezählt hat, dem fällt auf: Es sind nur 25 und nicht, wie vorgesehen, 26 Mitglieder. Das liegt daran, dass auch die Wahl der im Oktober endlich Berufenen nicht komplikationslos verlief. Denn der Vorschlag der AfD wurde vom Bundestag abgelehnt. Die AfD wollte den Passauer Frauenarzt Ronald Weikl in den Rat berufen. Der niedergelassene Gynäkologe hatte in der Corona-Pandemie unrechtmäßig Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht ausgestellt und war dafür zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt worden. Während die AfD meinte, das qualifiziere ihn für den Ethikrat, sahen das die anderen Fraktionen anders.

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