Deutscher Einsatz 1941:Zweiter Weltkrieg im Irak - Tod in der Wüste

Deutscher Einsatz 1941: Irak, Mai 1941: Britische Soldaten führen Araber ab.

Irak, Mai 1941: Britische Soldaten führen Araber ab.

(Foto: imago)

1941 schickt Hitler-Deutschland Waffen und Kampfflugzeuge in den Irak. Rückblick auf einen fast vergessenen Feldzug.

Von Dietrich Schwarzkopf

Die Lage im Nahen Osten ist dramatisch, der Krieg rückt näher, das spüren auch die Deutschen. Bundeswehrsoldaten sind 2016 Teil der internationalen Koalition gegen den IS: Tornado-Aufklärungspiloten fliegen über Syrien, Infanteristen sind als Ausbilder für kurdische Kämpfer im Nordirak unterwegs.

Ein Novum? Nicht ganz.

Es ist allerdings beinahe in Vergessenheit geraten, dass nicht nur im Ersten Weltkrieg, als das deutsche Kaiserreich Verbündeter des Osmanischen Reiches war, sondern auch im Zweiten Weltkrieg deutsche Soldaten hier kämpften, im Frühjahr 1941. Die Reichsregierung und das Oberkommando der Wehrmacht hielten das deutsche militärische Eingreifen in Nahen Osten geheim. Im Wehrmachtsbericht wurde es nicht einmal erwähnt.

Es ist ein Kapitel in der Geschichte des Zweiten Weltkriegs, das auch bei Historikern und politischen Autoren wenig Beachtung gefunden hat. Ausführliche Darstellungen sind selten. Die genauesten davon, auf Unterlagen des Auswärtigen Amtes gestützt, kamen dem nachfolgenden Bericht zugute. Weitere Quellen sind Memoiren der Gesandten Rudolf Rahn, Sonderbeauftragter in Syrien, und Fritz Grobba, Bevollmächtigter für die arabischen Länder.

Frühjahr 1941: Die britische Flotte mit den Stützpunkten Gibraltar, Malta und Zypern behauptet sich als stärkste Kraft im Mittelmeer. Der Nachschub für die deutschen und die italienischen Truppen in Nordafrika leidet darunter. Der Balkan ist von Deutschland besetzt oder mit Deutschland verbündet. Italien hält einen kleinen Teil in Albanien und Dalmatien.

Viele Araber hoffen noch, dass Erwin Rommels Afrikakorps die Engländer aus Ägypten vertreibt, in Kairo einzieht und - was tun wird? Hitler bekundet seine große Sympathie für die englandfeindlichen arabischen Nationalisten, vermeidet aber jede konkrete Aussage über seine Vorstellungen von der künftigen arabischen Welt. Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion steht unmittelbar bevor. Aber auf einmal gibt es im Nahen Osten einen neuen Kriegsschauplatz.

Bagdad hat sich zu einer Zentrale des arabischen Nationalismus entwickelt. Das englische Irak-Mandat wurde 1930 einvernehmlich aufgehoben. Der Irak ist jetzt Mitglied des Völkerbunds. Aber er bleibt eng an England gebunden und hat per Vertrag versprochen, sich im Kriegsfall wie ein Verbündeter zu verhalten. Also müsste das Land Deutschland nun den Krieg erklären. Die Regierung will das auch tun.

Am 2. April 1941 wird sie jedoch durch einen Militärputsch der Nationalisten gestürzt. England erkennt die nationalistische Regierung unter Ministerpräsident Raschid Ali al-Gailani nicht an, sondern landet mit Truppen in Basra unter dem Vorwand, sie seien für den Einsatz in Ägypten bestimmt.

Der "Fliegerführer Irak" hat Tropenerfahrung

Die irakische Regierung wendet sich an Deutschland und Italien mit der Bitte um Militärhilfe, Waffen und Flugzeuge. Jetzt erhalten die britischen Truppen in Basra aus London den Befehl zum Angriff. Indische Einheiten stoßen auf Bagdad vor. Fast die gesamte irakische Luftwaffe wird von den Briten in den ersten Tagen zerstört.

Berlin erklärt sich zur Waffenhilfe bereit und will zunächst zwölf Messerschmidt-110-Langstreckenjäger und zwölf Heinkel-111-Bomber zur Verfügung stellen. Ein "Fliegerführer Irak" wird ernannt, weil er Tropenerfahrung in Südamerika gesammelt hat. In Berlin wird erörtert, wie deutsche Waffen in den Irak gelangen können.

Ein Transport durch die neutralen Staaten Türkei und Iran ist nicht möglich. Die Lösung besteht darin, dass nicht Waffen, die eigens in den Nahen Osten gebracht werden müssen, dem Irak zur Verfügung gestellt werden, sondern Waffen, die bereits im benachbarten Syrien vorhanden sind.

Dort sind, unter italienischer Kontrolle, die Waffen der französischen Levante-Armee eingelagert. Syrien wird von der französischen Kollaborationsregierung in Vichy kontrolliert. Mit deren Zustimmung (und der Italiens) werden französische Waffen für die Auslieferung an die irakische Nationalisten-Regierung bereitgestellt. Sie werden mit der türkischen Bahn transportiert, deren Schienen, ein Teil der alten Bagdad-Bahn, parallel zur syrischen Grenze verlaufen und dann weiter in den Irak.

Den Türken erklärt man, dass es sich um Waffen für französische Einheiten an der Grenze handele. Der deutsche Syrien-Beauftragte Rahn begleitet den ersten Zug. Beim Verladen wirft ein englisches Flugzeug eine Bombe auf die syrische Seite ab. Niemand wird verletzt, nichts ist zerstört; aber die Engländer haben signalisiert, dass sie Bescheid wissen.

Unterwegs erreicht Rahn eine Nachricht des irakischen Geheimdienstes, es bestehe die Gefahr, dass der Zug, sobald er im Irak sei, von einer von Engländern geführten Bande überfallen werden könnte; die Waffen würden dann "entführt" werden. Tatsächlich wird der Zug an der Grenze mit einer größeren Gruppe von Arabern konfrontiert. Sie wollen ihn aber nicht überfallen, sondern die Waffen zum Kampf gegen die Engländer direkt an sich nehmen. Doch so geht das nicht. Der Zug fährt nach Bagdad weiter.

Zwei solche Transporte kommen zustande. Die Iraker erhalten insgesamt: 15 000 Gewehre, vier Geschütze Kaliber 75 mm, acht Geschütze Kaliber 155 mm, 200 Maschinengewehre, 354 Maschinenpistolen, zirka fünf Millionen Schuss Munition, Granaten, vier Munitionswagen, 32 Lastkraftwagen, 15 Telefone und manches mehr.

Ein deutsches Flugzeug zeigt sich über Bagdad - und wird sofort abgeschossen

Eine Statistik des Einsatzes der Flugzeuge ist nicht so detailliert. Offensichtlich sind nie alle zugesagten Maschinen gleich-zeitig im Irak. Sie werden in Syrien gewartet und betankt. Es zeigt sich, dass sie große Hitze und Sand schwer vertragen. Das französische Benzin ist knapp und für die deutschen Motoren nicht gut geeignet. Vorgesehen ist, dass alle Maschinen sich fächerartig im Tiefflug als "Antrittsbesuch" über Bagdad zeigen sollten.

Deutscher Einsatz 1941: Zerstörter deutscher He 111-Bomber im Irak 1941.

Zerstörter deutscher He 111-Bomber im Irak 1941.

(Foto: public/wikipedia)

Die deutschen Planer erwarten, dass die Bevölkerung von Bagdad auf den Dächern ihrer Häuser stehen und jubeln wird. Letztlich ist dann nur ein einziges Flugzeug vorhanden, das sich am Himmel über Bagdad zeigt. Pilot ist Major Axel von Blomberg, Sohn des Generalfeldmarschalls. Er hat sich freiwillig für den Irak-Einsatz gemeldet. Sein Flugzeug wird vom Boden her beschossen, Blomberg wird tödlich getroffen. Unklar bleibt, ob es sich um einen feindlichen Treffer oder um einen missglückten Freudenschuss handelt.

Auf hartnäckigen Wunsch der irakischen Regierung sind die deutschen Flugzeuge offiziell in Mossul und nicht in Bagdad stationiert. Fotos zeigen, dass bei einigen Maschinen die deutschen Kennzeichen übermalt sind, aber offenbar nicht bei allen. Zu ihrem Schutz sollen vier leichte Flakgeschütze auf dem Luftweg nach Mossul gebracht werden. Sie treffen dort jedoch nicht ein.

Beim Eingreifen der deutschen Flugzeuge besteht die irakische Luftwaffe nur noch aus sechs Jagdflugzeugen. Die Luftkriegsführung auf irakischer Seite ist nun allein Aufgabe der deutschen Luftwaffe. Die Luftherrschaft liegt jedoch bei den zahlenmäßig weit überlegenen Engländern.

Die deutschen Maschinen bombardieren den englischen Luftwaffenstützpunkt Habbaniya, greifen die vorrückenden indischen Truppen an und führen Aufklärungsflugzeuge aus. Ihre Verluste durch Abschüsse und durch einen englischen Angriff auf den Flughafen von Mossul führen jedoch dazu, dass am 26. Mai nur noch drei Flugzeuge einsatzfähig sind. Die deutsche Flugleitung bittet Berlin dringend um neue Maschinen.

Inzwischen hat Hitler befohlen, die Hilfe für den Irak zu verstärken, durch Entsendung einer Militärmission unter der Leitung des Fliegergenerals Hellmuth Felmy und zahlenmäßig begrenzten Einsatz der Luftwaffe, weitere Lieferungen französischer Waffen sind ebenfalls vorgesehen. Die Angehörigen der Militärmission gelten als Freiwillige und tragen Tropenuniformen mit irakischen Abzeichen. Die Steuerung der Propaganda im Mittleren Osten ist Sache des Auswärtigen Amtes.

Die Verbündeten der Nazis: ein Aufgebot arabischer Freischärler

Doch die deutsche Hilfe kommt zu spät. Die nationalistische irakische Regierung kapituliert am 31. Mai. Britische Einheiten nähern sich Mossul. Die beiden dort noch vorhandenen deutschen Flugzeuge setzen sich nach Syrien ab, eine Jagdmaschine und eine mit Soldaten und Zivilisten vollgestopfte Ju 52. Auf Anweisung des Gesandten Fritz Grobba werden drei nicht flugfähige Maschinen in Brand gesteckt.

Mit den Deutschen verlässt einer ihrer treuesten Verbündeten den Irak, der arabi-sche Freischarführer Fawzi al-Kaukji. Im Ersten Weltkrieg als Offizier in der osmanischen Armee vom deutschen Verbündeten mit dem Eisernen Kreuz 1. Klasse ausgezeichnet, ist er eine der stärksten Figuren unter den arabischen Nationalisten auf der operativen Ebene.

Zusammen mit seinen Anhängern setzt er nach dem Übertritt nach Syrien den Kampf fort. Während er in der Irak-Phase des Krieges als Verbündeter der nationalistischen Regierung auftrat, kämpft er nun zusammen mit den Truppen der Vichy-Administration in Syrien gegen die aus Palästina und Jordanien angreifenden Engländer.

Amin el Husseini und Ali el Gailani in Berlin 1943

London will die nazifreundliche Regierung in Bagdad vertreiben. Ministerpräsident Raschid Ali al-Gailani flieht nach Berlin, wo dieses Bild von ihm (bei der Rede) und dem Großmufti von Jerusalem, Mohammed Amin al-Husseini (3. von links), entsteht.

(Foto: SZ Photo)

Schwer verwundet wird er nach Berlin ausgeflogen und von Professor Ferdinand Sauerbruch erfolgreich operiert, ist aber noch nicht wieder "kriegsverwendungsfähig".

Seine Truppe, nunmehr in Aleppo stationiert, zerfällt, drangsaliert die Bewohner, und immer mehr Freischärler machen sich davon. Der Gesandte Rahn will, in Absprache mit der Vichy-Administration, eine neue "Arabische Legion" aufbauen, die später im Irak eingesetzt werden könnte, zuerst aber versuchen soll, die Engländer und gaullistischen Franzosen, zum Teil in englischen Uniformen, vor Aleppo aufzuhalten. Als Anführer ist ein palästinensischer Freischärlerführer vorgesehen. Ein Schiff aus Athen hat, ohne von der britischen Flotte belästigt zu werden, Waffen gebracht.

Rahn beschreibt die Truppe, die sich da versammelt: "Es war ein unbeschreibliches Bild. Kleider, Schuhe, Mützen, Helme jeder Farbe und jeden Schnittes waren vertreten. Barfuß mit Stahlhelm der eine, englische Reitstiefel und ein Taschentuch auf dem Kopf der andere, Burnus und Fez dazwischen."

Eine grüne Fahne wird herbeigebracht; jeder Kämpfer küsst ihren Saum. Ein Freiheitsheld hat sich einige Gewehre gesichert und versucht, sie zu verkaufen. Rahn hat sieben deutsche Legionäre aus der Vichy-Fremdenlegion angefordert, die Unterführer werden sollen. Franzosen traut er nicht zu, mit den wilden Gesellen fertigzuwerden.

Diese bunte Truppe erzielt sogar einige Erfolge. Aber als die Engländer vor den Toren von Aleppo stehen, hat es keinen Sinn mehr, auf Verstärkung zu warten. Die Truppe wird ausbezahlt und aufgelöst. Einige prominente Mitglieder werden nach Athen ausgeflogen, andere erhalten von der französischen Administration Pässe zum Übertritt in die Türkei.

Auch die deutschen Soldaten fliegen davon. Mit Rücksicht auf französische Gefühle hatten sie in Syrien nicht Uniform getragen. Die Deutschen glauben allen Ernstes, sie kämen bald wieder.

Für Rahn hat seine Tätigkeit in Syrien in Zusammenarbeit mit der Vichy-Administration ein unerwartetes Nachspiel. In Vichy empfängt ihn Admiral François Darlan von der Kollaborationsregierung in seinem Haus zum Frühstück. Mehrere Minister sind anwesend. Darlan sagt, so berichtet Rahn: "Sie haben es aufrichtig mit Frankreich gemeint und haben zum ersten Mal in der neueren Geschichte bewiesen, dass eine deutsch-französische Waffenbrüderschaft möglich ist. Wir haben Ihnen zu danken."

Bevor man sich zu Tisch setzt, spielt eine Kapelle das Deutschlandlied. Die Vichy-Regierung unterstützt die deutsche Irak-Aktion kräftig, ohne dass es die erhoffte Gegenleistung Hitlers gegeben hätte.

In Syrien hatten die Deutschen und die Kollaborateure der Vichy-Administration denselben Gegner, die Engländer. Aber kein Franzose kämpfte im Irak und kein Deutscher in Syrien. Der frühere Reichskanzler Franz von Papen, von 1939 bis 1944 Botschafter in Ankara, schreibt in seinen Erinnerungen: "Was Rahn wie ein Märchen schildert, war in Wirklichkeit nur ein dilettantisches Abenteuer."

Dietrich Schwarzkopf, Jahrgang 1927, war Programmdirektor des NDR und der ARD.

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